03.12.2006

Einkaufen

Wie fast alles im Reich der Unterbelichteten bietet das Einkaufen einem ganz besondere Eindrücke. Ob im Bau- oder Supermarkt, die letzte Hürde im Speziellen lauert unmittelbar vor dem Ausgang: Die Kasse! Nachdem man alles Nötige in seinem Wagen verstaut, sich über plötzlich bremsende, im Weg stehende Mitmenschen oder fehlende Artikel geärgert und sich auf den Weg zur Kasse gemacht hat, peinigt einen als erstes die Auswahl wo man sich anstellt. Auch wenn man tief im Inneren eigentlich weiß, dass es im Grunde schnurz ist und es meist doch nicht schneller geht, wägt man in seiner Naivität trotzdem ab. Zur Linken wartet eine Person mit zwei Schächtelchen Zigaretten und einer von Irgendwas, zur Rechten drei Gestalten mit proppevollen Einkaufswagen. Wie schon so oft fällt man auf die einem vorgegaukelte Logik herein und wählt die kürzere Schlange. Hat man sich solchermaßen in die Irre führen lassen, nimmt das Unheil seinen Lauf und die Prozedur beginnt: Die Kassiererin nimmt das erste Päckchen und zieht es über den Barcodeleser, "Piep" und der Kassenzettel rattert. Das Zweite, "Piep" und der Kassenzettel rattert. Beim Dritten aber verweigert das "Piep" sein Erklingen. Nach zwei weiteren unfruchtbaren Versuchen beschließt die gemeine Unterbelichtete an der Kasse, solchermaßen überfordert, dass arbeitsverweigernde Kassen nichts in ihrem Horizont zu suchen haben und fragt ihr Pendant an der Nebenkasse (an der, wie man nicht weiter erwähnen muss bereits der zweite proppevolle Wagen auf dem Band liegt) um Hilfe. Nun ist es selten eine Frage der Kollegialität ob diese Hilfe gewährt wird, sondern erstens eine der Kompetenz eine arbeitsverweigernde Kasse zu bändigen und zweitens ob es sich lohnt sich mit dieser Kompetenz gebührend zu profilieren. Wie es an solchen Tagen Pflicht zu sein scheint, kann man auch von der Kollegin keine Hilfe erwarten und muss, einen Anflug von Ungeduld unterdrückend, mit ansehen wie die hilflose Person einen Telefonhörer zwischen die pink lackierten Krallen nimmt und den Filialleiterassistenten herbeizitiert. Dieser, sich seiner höchstwichtigen Position bewusst, braucht geschlagene 5 Minuten bevor er die sich mittlerweile gebildete, mit den Füßen scharrende Schlange mit seiner Anwesenheit beehrt und jovial nach dem Grund seines Begehrtwerdens fragt. Nachdem geklärt ist dass das Schächtelchen Irgendwas nicht als Artikel im System gefunden wird, macht sich der Bändiger der arbeitsverweigerden Kassen auf den Weg den Preis herauszufinden und ward nicht mehr gesehen. Man könnte den Versuch wagen an die andere Kasse zu wechseln, aber just in dem Moment in dem sich der Gedanke in den Hirnwindungen geformt hat, stellen sich zwei weitere proppevolle Einkaufswagen an. Nach schier endlosen Minuten, der Inhalt des dritten proppevollen Einkaufwagens der Nebenkasse wird gerade in Tüten verstaut, erscheint dieses sonnige Gemüt mit dem Preis und die Kassiererin nimmt die ihr angestammte Tätigkeit wieder auf. Während der Vordermann verzweifelt nach Bargeld sucht und anschließend eine EC-Karte zückt, überlegt man sich in einem Moment des Aufbegehrens sich dazu durchzuringen seine bereits auf das Band gelegten Sachen zusammenzuraffen und an die andere Kasse zu wechseln, aber just in dem Moment in dem sich der Gedanke in den Hirnwindungen geformt hat ... siehe oben... Nachdem das EC-Gerät gebändigt, sämtliche Payback-Karten und Coupons durchgerattert wurden und der Vordermann erleichtert das Weite gesucht hat, steigt die Hoffnung den Ort der Pein baldigst zu verlassen steil an, um nach dem ersten gescannten Teil jäh wieder in Bodenlose zustürzen. Wie es das Gesetz des Einkaufens im Reich der Unterbelichteten vorsieht, ist die Papierrolle der Kasse am Ende ihres Seins angelangt und alle Chancen die Kasse doch noch zu wechseln zunichte gemacht. Mit zittrigen pink lackierten Krallen nestelt die Kassen-Else an der Rolle herum und ignoriert stoisch die unwirschen Kommentare der genervten Kunden. Sich am Ziel wähnend weil die Rolle ordnungsgemäß ausgetauscht wurde, ärgert man sich nicht einmal mehr über ein hingeschnoddertes "Hamses' nich Kleinääär??" oder über die fehlendes Tüten, man wischt sich den Schweiß von der Stirn, verstaut irgendwie seine Habseeligkeiten und begibt sich zum Parkplatz, wo schon die nächste Geschichte auf einen wartet.

Später kann ich meine Mitmenschen einmal mehr aus der Füßgängerperspektive beobachten. Dabei fällt mir auf dass es in der Fußgängerzone noch übler zugeht als auf unseren Straßen. So viele Blindgänger auf einem Haufen trifft man noch nicht einmal auf der A 40 im Feierabendverkehr. Aufgebrezelte Schrabnellen mit kniehohen Besorgs-mir-sofort-hier-Stiefeln klotschen arschwackelnd übers Pflaster und stieren dabei mit halbgescheitem Dumpfbackenblick in die Schaufenster. Nachwuchs-Schlampen stellen ihre über den Hüfthosenbund quellende Nichttaillen zur Schau, das sind sie, die Dialyse-Patienten von morgen. Es lebe das Online-Shopping!

Vor der Bäckerei im Bahnhof sitzt ein pädophiler alter Sack mit weißem Bart und rotem Mantel und schaukelt ein schreiendes Kind nach dem anderen auf seinem Schoß. Die Eltern die das zulassen sollte man allesamt wegen Kuppelei einsperren. Verkaufen für einen Sack voll Geschenke ihre Gören, so weit ist es schon gekommen im Hartz 4 - Ländle.
Der Weg nach Hause verläuft erstaunlicherweise ohne größere Ärgernisse, ein Gang durch die Innenstadt scheint die Toleranz zu heben.

Für Carol