21.01.2010

Trigger

Trigger, Flashbacks und ähnliches Übel II

Die Verwobenheit von Träumen, Schlüsselreizen und Nachhallerinnerungen sind ebenso perfide wie faszinierend. Ähnlich wie die Frage von Huhn und Ei kann einen diese Konstellation schon arg beschäftigen. Und immer wieder überraschen oder ratlos dastehen lassen.
Viel stärker als visuelle Reize springen mir akustische ins Genick, ungeschlagen in der Liste aber kommt die olfaktorische Wahrnehmung daher.
Assoziationen und die darauf folgende Kettenreaktion sind so bemerkenswert obwohl ich sie nicht greifen kann, vielmehr gleicht sie einem Verkehrsunfall. Man kann einfach nicht weg sehen obwohl man abgestoßen ist. Diese Reize sind äußerst geschickt darin über einen herzufallen. Man erwartet nichts Böses und in nächster Sekunde steht man mitten in einem Buschfeuer.

Ein denkwürdiges Beispiel dieser Leistung, welches selbst mich in helles Erstaunen versetzt, ist die triviale Öffnung einer 0815-Cornflakes-Packung.

Meine harmlose Vorliebe für "Special K Red Fruit" brachte mir einige wunderliche Sinneseindrücke und anschließendes tagelanges Grübeln ein. Schuld daran, die ewige Schusselei. Der unbeabsichtigte Griff daneben. Nach dem Einkaufen das Ärgernis, hatte ich dummerweise eine Packung "Special K Vanilla Cranberry" angeschleppt. Aber warum nicht probieren? Das Öffnen der Tüte ist wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Der Geruch, der mir aus dem Ding entgegen springt, lässt mich mental und körperlich fast in die Knie gehen. Ich weiß nicht wie mir geschieht, oder vielmehr warum mir geschieht. Die Knie sind weich und schlottern, das Herz ist mir in die Hose gerutscht und baumelt irgendwo in den Kniekehlen. Tunnelblick und Zittern vervollständigen das idiotische Bild. Ein paar Sekunden lang herrscht der Ausnahmezustand und ich weiß nicht ob ich heulen oder kotzen soll.
Obwohl sich für Letzteres die immer noch in den Händen gehaltene Tüte anbietet, passiert nichts dergleichen. Der unruhige Geist zieht es vor sich in den Bus nach Nischni Nowgorod zu setzten, d. h. er lehnt sich zurück, lässt den Körper auf Autopilot schalten und filtert einige Sinneseindrücke so dass sie völlig fremd erscheinen. Dieser Zustand kann ganz angenehm sein, ist es doch gleichzeitig ein Ergeben in die Gelassenheit. Dieses Teilstück des Irrsinns sorgt für die Fähigkeit mit blöden, nervigen oder dummen unlogischen Leuten zu diskutieren ohne dabei auszurasten. Leider hält er nicht sooo lange an, macht sonderbare Familiennachmittage oder steigert sich bis zur Unkenntlichkeit, aus der nur körperliche Missempfindungen oder Schmerzen der Rückweg sind. Bevor dies geschieht, sitzt man aber noch eine Weile im Bus. Warum Nischni Nowgoroder Bus? Weil sich dieser Zustand am ehesten mit einer unangenehmen Tour zwischen vielen fremden Menschen, die eine fremde Sprache sprechen beschreiben lässt. Nicht zu vergessen dass alle Schilder in kyrillischer Schrift verfasst sind.

Nachts fliegen mir Fetzen ungreifbarer Bilder durch den Kopf. Ausschnitte, die in Bruchteilen von Sekunden wie Blitzlichter durch die Sinne rauschen. Sie sind hässlich, sie sind eklig, sie sind zu kurz um daraus einen Sinn zu erfassen. Sie machen Angst, Zweifel und lassen Hass aufsteigen, auf diesen Haufen Scheiße, der sich Leben nennt. Kein Vor, kein Zurück, nur unbequemes Verweilen. Notlösungen, die sich aneinander reihen, kein Ende und keinen Anfang bilden. Mit der Familie im Gepäck schleift man sich durch den Tag, mit der Aussicht dass er bloß einer von vielen ist.

Hab ich erwähnt dass ich Cornflakes hasse?^^ Der Effekt ist verpufft, aber die Verpackung stellt jetzt den Trigger des Triggers da.
Am nächsten Tag stell ich dann auch noch fest dass diese blöden Cranberries viel zu sauer sind. Es ist wie das Spiel mit dem Koffer packen. Die Kette erweitert sich. Auch wenn der Geruch jetzt nicht mehr den gleichen Effekt auslöst, die Verpackung erinnert mich an dieses sonderbares Erlebnis.

Eine existenzielle Frage aber bleibt im Raum: Warum riechen Cornflakes mit Vanillestücken nach Play-Doh-Knete??

20.01.2010

Flashback

 

Flashbacks, Träume und ähnliches Übel

Die Vorstellung dass man Träume bei Youtube hochladen könnte, hätte sicherlich einen ganz besonderen Reiz. Amüsant wär dies allemal und das Herz eines Psychoklempners würde diese Möglichkeit bestimmt auch höher schlagen lassen. Ein Vorteil dabei wäre auch dass man diesen Mist der einen manchmal heimsucht nicht in Worte fassen müsste. Mir ist es jedenfalls noch nicht gelungen manches auch nur annähernd auf die Tastatur, geschweigedenn über die Lippen zu bekommen. Letztere leiden immer noch unter einer dieser Heimsuchungen. Einige dieser nächtlichen Bilder haben mir, außer dem Wunsch nach dem Aufwachen direkt aus dem Fenster zu springen, auch noch wunderprächtige Lippenbläßchen da gelassen.
So manches Mal keimt in mir die Versuchung auf ein paar dieser widerlichen Sachen in den diversen Foren-Threads (nennen wir einen davon "Traumwelt" ;)) niederzuschreiben. Aber erstens könnte ich mich dann dort nicht mehr blicken lassen und zweitens würde das gegen sämtliche Forenregeln verstoßen.

Aussprüche wie "Bin hingegen zur Zeit sehr verwundert, dass meine Träume mal keine Alpträume sind." (Baby, ich hoffe du weißt was ein Alptraum ist) oder "Na ja, also in letzter Zeit hatte Ich eher wieder ganz schlimme Alpträume und obwohl die Träume immer wieder harmlos anfingen, kam Ich am Schluß ums Leben." (Ich wünschte ich würde danach auch mal ums Leben kommen; und dir wünsche einen fähigen Deutschlehrer) "Meisten`s wachte Ich total fertig auf und war schon froh das es nur ein Traum war." (Ja, auch das wär toll^^) lassen mich schon manchmal diese Blockade verfluchen. Andererseits können diese ahnungslosen Schreiberlinge aber auch nichts dafür dass mich Bilder nerven, die in Deutschland auf dem Index stehen.

Dem (mit der deutschen Rechtschreibung nicht ganz konform gehenden) Ausspruch "mich nerven auch immer diese blöden Alpträume und meisten wache Ich von diesen Träume auf." würde ich gerne mal ein "Manchmal wache ich davon auf dass nette kinderliebe Onkels mich nach Strich und Faden durchgevögelt haben. Mich nervt dass ich bei manchen Details davon nicht weiß ob sich das bloß ähnlich oder ganz genauso abgespielt hat" entgegnen. Aber irgendwie hab ich das Gefühl dass man mich nicht so ganz verstehen würde^^

Ja, ich bin unfair und ich gönne ihnen ihre Alpträume, aber mir gefallen die Dampferfahrten auf der Emscher, die Bücherhallen mit den benachbarten Psychiater-Praxen, die Hafenbesuche und die Kneipentouren mit ihren bewohnten Wandschränken einfach viel besser. ;)

To be continued?

19.01.2010

09/99 Andreas 09/08

 9.9.99 - Das Datum das sämtliche Verrückte in die Standesämter treibt, zieht an mir vorbei wie durch Watte. Surreal und unbeachtet. Die Tage wie ein Film, den man nicht umschalten kann, ein Zug der nicht anhält. Die Welt draußen ist unerreichbar, wie das Auftauchen aus einem spannenden Buch, ungeordnet, unbedeutend, wie durch Nebel. Sie dreht sich einfach als wäre alles normal.

Ich sitz mit meinen Dämonen auf deiner Couch und lass die Umgebung auf mich wirken. Meine Eigenproduktions-XXL-Geburtstagskarte steht noch auf dem Regal, die CD die ich dir dazu geschenkt hab ist noch im CD-Player, diese gruselige Musik, die ich nicht wirklich mit dir geteilt habe. Jetzt, neun Jahre später, flenn ich plötzlich los wenn sie irgendwo läuft.

Das Schluchzen deiner Mutter neben mir werde ich nie vergessen, dein Vater ist weiß wie eine Wand und dein Bruder ist ab heute ein Stück Treibholz das kein Ufer mehr findet. - Den Kontakt habe ich mittlerweile ganz abgebrochen, er ist ohne dich und deine Führung unerträglich geworden. - Diese haltlosen Tage haben mich dem Irrsinn wieder ein ganzes Stück näher gebracht. Während du verkabelt vor dich hin vegetierst und die Hirnströme jedem Realisten sagen dass es sowieso vorbei ist, spielen sich Sachen ab von denen ich froh bin dass du sie nicht sehen musst. Meine Verachtung für die Menschen, einige im Speziellen, hat hier viel Nahrung gefunden.

Froh irgendeine Ablenkung zu finden, mache ich mich mit deinem Bruder daran die Fahrzeugpapiere und Schlüssel deiner Kunden zu ordnen, die Aussicht auf die Anrufe deswegen dreht mir den Magen um. Dein Vater versinkt in Spekulationen und Theorien, die keinem etwas nützen. Er fragt mich immer und immer wieder nach allen Details zur Umgebung und ich verfluche dass ich hier die einzige bin die den Ort kennt. Sie verstricken sich in den Wirren, die nur Verzweifelte kennen. Geschürt von dem Arschloch, das sich profiliert und den besten Freund raushängen lässt, verrennen sie sich in Überlegungen, die nur dazu dienen nicht wahnsinnig zu werden. Es empört mich dass sie sich an diesen Wichser hängen, von dem sie eigentlich wissen dass du ihn schon so lange verachtest. Deine Vorgeschichte zählt plötzlich kaum und die Spekulationen lassen mich bloß den Kopf schütteln. Die Obduktion ist Makulatur.

Immer wieder glaube ich wahnsinnig zu werden, manchmal hoffe ich es. Mir fallen 1000 Dinge ein und ich wünsche mir du hättest an dem Abend, an dem uns die Dumpfbacke bei der Vollgasaktion im Lancia die Vorfahrt nahm, nicht gebremst. Ich wundere mich über mich selbst, kann mich nicht erinnern je im Leben soviel geheult zu haben.

Die Erde dreht und dreht sich und ich habe das Verlangen sämtliche Leute, die in ihr ihren gewohnten Dingen nachgehen, an den Schultern zu packen und sie kräftig durchzuschütteln. Ich möchte schreien und Ihnen deutlich machen dass die Welt wieder ein Stück an Ordnung verloren hat. Letzte Woche sah sie noch so verheißungsvoll aus. Meine Familie war fast mit mir im Einklang, du hast sie unbedeutend aussehen lassen. Warst du da war sie eingeschüchtert.
Ich weiß dass sie irgendwann über mich hergefallen wäre, aber du hättest sie sicherlich zurecht gewiesen. Ich neige zur Idealisierung, na und? Du hast sie dir verdient.

Es ist das Wetter das mir als erstes in alle Sinne kommt: Die drückende Schwüle zerrt zusammen mit dem Schlafmangel und den kreisenden Gedanken an der Substanz. Verzweiflung und Trauer, Hoffnung und Zuversicht sitzen auf einer Wippe die an meinem Rücken gebunden ist. Der Weg zum Krankenhaus in BO ist unendlich lang, im Auto ist es total warm, der Fahrtwind aber fühlt sich bei ausgestrecktem Arm kühl an. Ich bin zu warm angezogen. Im CD-Player läuft deine Musik. Plötzlich mag ich sie. Ich befinde mich in einer Blase, die mich vom Rest der funktionierenden Welt abgrenzt. Versuche immer wieder den Fuß aus diesem Karusell zu stellen, aber es zieht mich immer wieder mit. Nur die Gewissheit dass dieser Ausnahmezustand irgendwann nachlässt, hält mich bei Verstand. Ungeduldig wünsch ich mir einen Zeitraffer, der alles hinter mir lässt.
Jeder so warme Septembertag hat seit dem seine Wirkung gehabt, die Wärme ist eine andere als im Juli oder August, die Luft riecht anders, fühlt sich anders an. Mir wurde das in dieser einen Woche so bewusst, seitdem assoziiere ich es mit ihr. Mit dir. Mit der Vergänglichkeit. Ich kann mir nicht erklären warum es dieses Jahr so besonders allgegenwärtig ist. Wenn ich im warmen Wind die Augen schließe, bringt er sämtliche Empfindungen zurück.

Das Foto von Geralds Narbe hat mich wie ein Keulenschlag getroffen, bis auf die Zweite an deiner Schläfe sah sie fast genauso aus. Der gleiche Winkel, die gleiche Stelle. Die gleiche Haarfarbe. Du bist immer noch präsent. Ich wette du würdest dir darauf was einbilden.
Bei der ersten mail von Sabine über das was jetzt bei ihnen passiert ist, seh ich dich an den ganzen Apparaten liegen und hoffe von ganzem Herzen dass die Sache anders ausgeht.
Dein Gesicht sieht nicht friedlich aus, nicht entspannt. Als deine Hirnströme sich endgültig verabschieden, habe ich schon längst keinen anderen Ausgang mehr erwartet. Aber diese Endgültigkeit haut mich trotzdem regelrecht aus den Socken. Aber es ist vorbei. Dieser unerträgliche Schwebezustand, der doch bloß zwischen Tod und Dahinsiechen entschieden hat, ist beendet. Gedankenstrudel wirbeln stundenlang durch alle Köpfe. Hätte man das verhindern können? Warst du zu leichtfertig? Hast du Kontrollen versäumt? Für einen Augenblick lass ich mich mitreißen und verfalle in die "was-wäre-gewesen-wenn"-Unart, die Menschen nach besonderen Ereignissen heimsucht, wo Sekunden über Schicksale entscheiden.
Doch im Gegensatz zum Rest aller Betroffenen, die noch wochenlang alles hin und her schieben, ja sogar unfassbare Beschuldigungen aussprechen, ist mir schnell klar:
Es ist wie es ist, friss es oder verrecke...

16.01.2010

Arbeitstag

 

Durchschnittlicher Arbeitstag um 2006

Träge schleicht der Tag unter meine Decke, die Wut ist schon auf. Ist sie überhaupt schlafen gegangen? Mir bleibt noch Zeit, zwei Stunden bis zum Aufstehen. Einer der Bewohner in meinem Kopf hat den Rotationsmechanismus eingeschaltet, der anfängt mit verirrten Gedanken um sich zu schmeißen. Während ich vergeblich versuche wieder einzuschlafen schleudert er mir ein Bild nach dem anderen vor mein geistiges Auge. Scheiße, ich möchte schlafen. Doch das Fließband des Irrsinns befördert scheppernd seine ungeliebte Ware hin und her. Natürlich hat es dabei die halbe Familie geweckt und den Schlaf in die Flucht geschlagen. Wenn ich dem Wirrwar jetzt nicht nachgebe, zerrt es den ganzen Tag keifend an seiner Leine. Ich ergebe mich und überlasse mich der Bilderflut, die die Trauer, die Angst und den Selbsthass aus ihren Betten zerrt. So fängt der Tag gut an. Die Wut schnappt sich eine Nichtigkeit nach der anderen vom Band und hält sie mir gehässig unter die Nase. Jetzt bloß nicht nachgeben. Einige Gedanken abschüttelnd schlurfe ich ins Bad. Bloß nicht in den Spiegel sehen, dafür ist es noch zu früh. Hand in Hand mit dem Charakter und dem heißen Tee scheucht der Fernseher ein paar von den mürrischen Mitbewohnern zurück in ihre Hirnstube. Zeit sich auf den Weg zu machen. Ein erster Blick auf die Autobahn schubst die Zuversicht auf den Beifahrersitz. Vielleicht wird das ja heut noch was. Grinsend hüpfen Euphorie und Gleichgültigkeit ins Auto. Zusammen mit der Zuversicht sitzen sie einträchtig auf den Sitz gequetscht. Die anderen sind mit dem Bus gefahren oder Zuhause geblieben, hoffentlich. An der Kreuzung nimmt mir ein Knalldepp die Vorfahrt, aber er hat Glück, Wut und Empörung sitzen mit Aggressivität mürrisch im Bus.

Der Arbeitstag beginnt schleppend, noch keiner außer mir ist da. Nach der morgendlichen E-Mail-Abfrage, der ersten Foren-Runde und Musikwahl kommen, bei seichter Arbeit, so nach und nach die Nervensägen aus dem Bus gestiegen. Gerade noch seh ich sie unten im Aufzug verschwinden. Gleich werden sie oben sein. Die Aggressivität kommt als erstes durch die Tür und springt mir geradewegs auf den Schoß. Die Wut hat sich aufs zweite Bein gesetzt und grinst mich hinterlistig an. Die gerade noch mühelose Arbeit mutiert zu einem unübersichtlichen Knäuel. Nach 10 Minuten türmen sich undurchsichtige Nebelschichten vor mir auf. Wie soll ich das nur heute fertig kriegen? Die OHL* betritt das Etablissement und saugt alle positiven Strömungen in sich auf. Die Aggressivität macht sich ganz schwer auf meinem Bein, ich versuche ihr beruhigend den Kopf zu tätscheln, für einen Augenblick entspannt sie sich. Die Wut lässt gelangweilt die Beine baumeln. Aber ich kenne sie, sie ist unberechenbar. Zum Glück kommt K. gerade rein. Die Wut fällt erschrocken unter den Tisch. Nach einer kurzen Plauderei mit K. hat die Aggressivität sich zur Wut neben den Papierkorb verzogen, ich versuche erfolglos nach ihnen zu treten.

Schon bald macht die Hektik sich überall breit. Die Zeichnung muss schneller fertig werden, die OHL nimmt mal wieder Rücksicht auf Banker die in Urlaub fahren. Wo wir bleiben ist ihm egal. Überschlagen wir uns halt. Ich mache mich selbst verrückt, kein Überblick mehr da. Die Telefone klingeln penetrant, die Drucker rattern, der Verkehr lärmt durchs Fenster. Die Reizüberflutung eilt herbei. Alle gehen forsch aber immer noch gelassen ihrer Arbeit nach, bloß ich Idiot mach mich zum Affen und stehe unter Strom. Ich verdoppele die Geschwindigkeit, mach einiges nebenbei. Die Tür fliegt auf, die OHL stürmt herein, mein "Morgen" ignorierend reißt er die zweite Tür auf und setzt zum Nörgelmonolog an. Die Aggressivität hat sich mit einem Satz auf meiner Schulter niedergelassen, die Wut klettert gerade an mir hoch, mit der Empörung am Kragen. B. (die OHL) bellt K. unsinnige Befehle zu, dabei streckt mir die Unlogik, die an seinem Rücken baumelt, den Stinkefinger ins Gesicht. Die Wut verstopft mir gemein das linke Ohr, der Ton ist weg. Ungehalten diskutierend schieben sich die beiden Streithähne in meinen Raum. Gleich muss ich mich zusammenreißen um den beiden Nervensägen, die auf meinen Schultern sitzen, die Stirn zu bieten. Ich habe es nie nur mit dem eigentlichen Gegner zu tun. Nein, ich habe noch meine Rasselbande am Hals. Der Monolog von B. lässt mich befürchten den Verstand zu verlieren. Die Wut sticht mir 1000 Nadeln ins Gebein. Die Aggressivität lasse ich gerade soweit hervorlugen dass B. sie bemerkt. Der Zynismus baut sich vor mir auf. Aber ich darf ja nicht. Gepeinigt von den unerhörten Worten ringe ich nach Vernunft und Logik, wie so oft muss ich ins Leere greifen. Die Aggressivität ist dabei mir den Hals abzuschnüren während die Empörung auf die Größe eines Einfamilienhauses angewachsen ist. Dies ruft den Selbsthass auf den Plan, er rammt mir sein kaltes Messer in die Brust. Nachdem B. sich mit meiner Antwort nicht sonderlich aufgehalten hat, geht er wieder dazu über K. mit seinen Gehässigkeiten zu überschütten, der keift zurück. Ich weiß nicht ob ich heulen oder kotzen soll. Die Verzweiflung tanzt mit der Angst einen Walzer und während die beiden sich schwungvoll um ihre Achse drehen, kämpfe ich mit der Wut meinen Kampf, sie klammert sich rücksichtslos an mir fest und schleudert mir ironische Gemeinheiten ins Gesicht. Das macht sie immer wenn sie weiß dass kein Ventil für ihren Abgang in der Nähe ist. Ich halte mir die Ohren zu. Immer wenn ich mich fast mit der Aggressivität verbünde, hält mir die Vorsicht die Logik samt sämtlichen Kontoständen vors Gesicht. Die Impulsivität wird abgewürgt.
Ich habe das Gefühl ein auf Maximum gespanntes Einmachglasgummi zu sein. Ich sitze in der Falle, die Hilflosigkeit lächelt süffisant. Die Situation kennt nur einen Ausweg, die noch zusätzlich künstlich durch B. erschaffene Wut mitsamt dem Hass wie immer herunterzuschlucken und auf den großen Haufen zu kehren, der sowieso schon in der dunklen Ecke vor sich hin stinkt.

Die Hälfte der Familienmitglieder der Familie Dämon, alle mit Zweitnamen Negativ, strömen auf mich ein. Ich sehe K. vor mir und das was er alles für mich getan hat. Und kann nichts tun, außer ihm die Verzweiflung herüber zu schicken nach dem sie mit mir fertig ist.
Nach der unerfreulichen, aber nicht unüblichen Arbeitsunterbrechung grinst mich immer noch die Zeichnung auf meinem PC an. Ich setze die Arbeit fort und alle Quälgeister tanzen Paso Doble auf meinem Rücken. Die Konzentration hat sowieso längst Pause gemacht.
Also erstmal Mittagspause. Die sorgt dafür dass aus dem Paso Doble ein langsamer Walzer wird.
Wieder zurück am PC stürzen B.'s Gemeinheiten der letzten 5 Jahre auf mich herab. Die Wut sitzt neben mir auf dem Schreibtisch und kaut auf einer mitgebrachten Stulle. Natürlich lässt sie es sich nicht nehmen mich gedanklich von B. zu sämtlichen Arschlöchern ihrer Zeit zu schleifen, was überhaupt nicht sachdienlich ist. Während die Hektik wieder zur Hochform aufläuft kommt eine ganz besondere Freundin auf mich zu gewackelt. Die absolute Leere. Ich könnte sie sympathisch finden, doch hat sie die schlechte Angewohnheit zur unpassendsten Zeit aufzutauchen. Bang, es ist wie ein Kopfschuss. Ich sitze am PC und alles ist weg. Meine Festplatte ist abgeschmiert. Hilflos zuckelt der Mauszeiger auf der Zeichnung herum. Ich hab das Gefühl mir brennt der Hut. Gerade wusste ich noch ziemlich genau was ich da tat. Jetzt bräuchte ich einen Schnellkurs in CAD. Verflixt, gerade jetzt. Die Wut kichert und spuckt dabei Brotkrümmel auf meinen Schreibtisch. Nach einer Runde durchs Büro glückt der erneute Versuch. Bis ich die Zeichnung fertig habe linst die absolute Leere noch ein paar Mal durch die Tür. Nach dem Ausdrucken der Pläne mache ich schleunigst dass ich das Weite suche.
Zu allem Überfluss quetschen sich alle Peiniger mit in mein Auto, nur die Euphorie haben sie in der Tiefgarage stehen lassen. Der Rückweg ist mein Mikrokosmos, er gehört allein mir und meinen Dämonen. Als ich jedoch das Stauende vor mir auftauchen sehe, gesellt sich auch noch die Panik hinzu. Für die ist im Auto auf einmal noch Platz. Mist. Ich verfluche die Welt und versuche nicht aus dem Auto zu rennen, das macht nämlich wenig Sinn. Irgendwie komme ich jedoch nach Hause, ohne zusammenzubrechen oder Krisengespräche per Handy zu führen.

Zu Hause ergeben sich dann ganz andere Kapitel, aber die unterliegen immer noch der Schreibblockade. Alles in allem seinerzeit ein Durchschnittstag.

* OHL = Oberste Heeresleitung ;)

Schwere Träume

Das war mir eine schwere Nacht,
Das war ein Traum von langer Dauer;
Welch weiten Weg hab ich gemacht
Durch alle Schrecken, alle Schauer! 


Der Traum, er führt' mich an der Hand,
Wie den Äneas die Sibylle,
Durch ein avernisch dunkles Land,
Durch aller Schreckgestalten Fülle.

Was hilft es, daß die Glocke rief
Und mich geweckt zum goldnen Tage,
Wenn ich im Innern heimlich tief
Solch eine Hölle in mir trage?


Ludwig Uhland

Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.

Voll Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.

H. Hesse

14.01.2010

Momentaufnahme - Irgendwann 03/09

Die Zeit ist aus den Fugen geraten und scheint keine Rolle mehr zu spielen. Der Augenblick der Existenz ist auf ein Minimun reduziert. Das einzig Angenehme ist das Gefühl nicht mehr viel verlieren zu können. Obwohl dies nicht ganz richtig ist, denn mit jeder weiteren Sekunde des Insichkehrens geht es weiter, bis am Ende nur noch der Atemzug zählt, der einen am Leben hält. Die Lethargie, die Nichtexistenz jeglichen Antriebs und die Leere, sind allgegenwärtig. Einzig das Bewusstsein des Zustands ist ein kleiner Beweis noch lebendig zu sein.
Ich kann sie nicht greifen, diese tonnenschwere Antriebslosigkeit, die aus einer unergründlichen Tiefe zu kommen scheint. Bilanz zu ziehen und den Zustand zu erkennen kostet zuviel von dem letzten Rest an Kraft, der für nichts anderes ausreicht als sich die eigene Unfähigkeit vor Augen zu führen. Nicht wirklich immer ist Selbsterkenntnis der erste Schritt. Nicht dann wenn nicht genug Ressourcen vorhanden sind um sich selbst in den Hintern zu treten.

Der Glaube sein Leben zu vergeuden und mehr als die Hälfte davon bereits weggeworfen zu haben, hilft auch nicht aus diesem Loch, das der unwürdige Rest einer unbedeutenden Existenz ist. Nüchtern und ohne Selbstmitleid festzustellen dass man sich immer tiefer in die Sackgasse manövriert hat, lässt zumindest die Hoffnung aufkeimen noch nicht ganz am Ende zu sein. Die Absurdität der Situation dringt nur selten mit Klarheit ins Bewusstsein, in dem die verrückteste und größte Handlung ein ungeplanter Besuch des 200 m entfernten Supermarkts ist. Wo der Kauf einer Packung Mülltüten einen Meilenstein an Aktivität darstellt, ein Riesenschritt nach vorne sein könnte wenn er nicht so anstrengend wäre wie ein Flug zum Mars. Und den Graben vergrößert, der sowieso schon zum Rest der Gesellschaft klafft.

Matt Ruff - Ich und die anderen


  • ISBN-10: 3423208902
  • ISBN-13: 978-3423208901

Für den fünfjährigen Jake Honigpops, für Tante Sam Kräutertee und für Seferis gesalzene Radieschen: Es ist gar nicht so leicht, jeden Morgen die Bedürfnisse aller Hausbewohner zu befriedigen. Aber eigentlich hat Andrew Gage sich und seine »anderen« ganz gut im Griff. Andrew hat eine Multiple Persönlichkeitsstörung; mit Unterstützung einer engagierten Psychologin hat er es jedoch geschafft, für die vielen Ich-Abspaltungen in seinem Kopf ein imaginäres Haus zu konstruieren. 

Eine strenge Hausordnung ist der Garant dafür, daß Andrew sich im wirklichen Leben behaupten kann. Doch die Grundmauern des Geisterhauses beginnen stark zu wackeln, als Andrews Chefin Julie, Gründerin einer Firma, die sich mit virtueller Realität befaßt, die junge Penny Driver einstellt. Denn Penny ist ebenfalls multipel – nur weiß sie das noch nicht. Ob die nymphomane Loins, die lauthals fluchende Maledicta oder die gewalttätige Malefica: Wann immer eine ihrer verschiedenen »Seelen« die Herrschaft über Leib und Geist gewinnt, kommt es zu einem Blackout. 

Julie glaubt, daß Andrew Penny helfen könnte, doch allzu schnell läuft die Situation aus dem Ruder und Andrews filigranes Seelengefüge droht ebenfalls aus dem Gleichgewicht zu geraten. Den beiden bleibt nur eins: Sie müssen sich dem dunkelsten Kapitel ihres Lebens stellen. So finden sich Penny und Andrew – inklusive einem Dutzend Seelen auf dem Rücksitz – auf einem irrwitzigen Roadtrip quer durch Amerika wieder, der sie mit ihren traumatischen Kindheitserlebnissen konfrontiert. Und plötzlich steht die Frage im Raum, ob Andrew in seiner Vergangenheit einen Mord begangen haben könnte …

Admonitio

Bei dem Versuch der unbeeinflussbaren Gedankenschleuder einmal durch bewusstes positives Erinnern etwas entgegenzusetzen, stellt sich ziemlich schnell Ernüchterung ein.
Jedes mal wenn ich glaube etwas Tolles gefunden zu haben, schleicht sich das "aber" ein. So funktioniert das nicht. Wo ist der Trotz, der mir so oft zur Seite stand und aus allem Übel immer das "jetzt erst recht" gemacht hat? Ich muss ihn irgendwo an einer Raststätte vergessen haben.

Während jemand in diesem Kopf noch immer die Telefonnummern der Grundschulfreundinnen blind herunter rasseln kann (seit mehr als 20 Jahren nicht gesehen^^), bleiben mehr als viele Sachen in ewiges Dunkel gehüllt. Für das Meiste davon ist es vielleicht besser so. Leider kriechen kleine Fetzen davon immer dann hervor wenn man sie gerade am wenigsten gebrauchen kann.
Der Abstand zu vielen Sachen ist denkwürdig. Was ich noch vor nicht allzu langer Zeit mit einem selbstbetrügenden "Es gehört zu mir und ich möchte es nicht missen!!" kommentiert habe, ist mir heute nicht nur suspekt oder bestenfalls peinlich, nein es kotzt mich an oder macht mir zu schaffen. Sollte das geistige Reife, oder deren Umnachtung sein? Erinnern wirft unzählige Fragen auf.
Abgesehen von den zugefügten Abartigkeiten, jeder kennt dämliche Jugendsünden, die man grinsend belächelt oder von denen man peinlich berührt ist bzw. sich in Grund und Boden schämt. Warum gibt es aber so viele Sachen, bei deren Erinnerung ich mich frage ob dieser Irrsinn tatsächlich auf meinen Mist gewachsen war. Die mich anekeln, anwidern oder für die sich manche von uns schämen? Die ich sehe als sähe ich eine andere Person. Viele meiner Handlungen erscheinen mir heute mehr als absurd, auch wenn ich für manche Erklärungen liefern kann, die aus dem Lehrbuch stammen könnten.

Wenn ich in diesem Augenblick zurück blicke, beherrscht mich die Überzeugung mein Dasein vergeudet zu haben. Ein Lebenlang "das Leben" auf später verschoben weil "das Überleben" gerade Vorrang hat. Eine Aneinanderkettung von Zwischenlösungen, die alle in weitere Sackgassen geführt haben, aus denen man dann nur deshalb entkam weil man über den Zaun geklettert oder über den Bürgersteig gefahren ist. Selbstbetrug, Ignoranz und Resignation beherrschen wir auf Gottgleicher Ebene. Und immer die Frage im Kopf "Wie lange soll das noch so gehen?" - Immer wieder unterbrochen von der tiefen Erkenntnis auf dem Holzweg zu sein und es anders zu versuchen.

Es könnte so einfach sein Vergangenem den Rücken zu kehren und nach vorne zu sehen. Wie aber soll man das tun, wenn man sich doch allein über die Summe seiner Erfahrungen definiert weil in der Gegenwart das Ich nicht greifbar ist? Man in den Spiegel sehen muss um sich eine Identität zu geben. Alleine nicht existiert weil nichts da ist was reflektiert und in Gemeinschaft nicht sein kann weil Nähe so bedrohlich ist.

Aber was soll's? Kann man doch immer noch als schlechtes Beispiel dienen! ;)

E = J · w2 / 2 - Rotationsenergie

Tack - Tack - Tack - Das Wasser aus der Garagendachrinne tropft klatschend in die Regentonne. Monoton begleitet mich das Rinnsal gleichmäßig wie ein Metronom.
Wie fast jede Nacht hänge ich bäuchlings auf dem Bett und versuche den Mechanismus auszuschalten, der die Gedanken wie einen Squashball durch die Oberstube jagt.
Die Logik ist schon vor einer halben Stunde japsend aus dem Bett gefallen und liegt wie ein Käfer strampelnd auf dem Rücken. Der Verstand krallt sich mit letzter Kraft am Bettlaken fest und unternimmt verzweifelte Versuche Gedanken festzuhalten oder sie in eine Richtung zu bringen.

Immer wieder versucht er die Zeit oder den Ort auszumachen wo ich in den falschen Zug gestiegen bin. Mir gelingt es einfach nicht dieses uralte Gedankenkarussell anzuhalten. Höchstens hin und wieder ein Fragment davon festzuhalten. Dabei muss ich gerade an Nancy denken, die den Hut vom guten alten Freddie Krueger aus ihrem Traum mitgebracht hat. Außer dass ich ein Kind der VHS-Generation bin vermag mir da aber nichts Tiefsinniges einzufallen.
So oft frage ich mich warum mich dieses Gedankenknäuel in seine Tiefen zieht. Es ist als würde dieser wirre Kopf Sekunde für Sekunde unkontrollierbare Gedanken produzieren. Von belanglos bis quälend ist alles dabei.

Obwohl ich mich meistens hilflos treiben lassen muss, hat mir diese Schleuder sogar schon Erkenntnisse und Einsichten serviert.
Es existieren in diesem Kopf Mechanismen, die gnadenlos unspektakulären Kram wiederkäuen. Manchmal bedaure ich dass ich nicht zurückspulen und die Highlights der trivialen Nichtigkeiten noch mal abspielen kann. Ich wette es gibt so gut wie nichts über das ich nicht schon einmal nachgedacht hätte, außer ein paar unzugänglichen wichtigen Sachen vielleicht. Das Unbarmherzige an der Nacht ist, dass sie vieles was am Tag nur unausgegoren vor sich hin brodelt, glasklar und unverdrängbar auf den Kopfbildschirm klatscht. Es ist sogar schon vorgekommen dass mich meine unaufhörlichen Gedanken unaufhörlich gelangweilt haben. Enervierend kommt hinzu, dass kein Buch oder Film der Welt es schafft diesen Gedankenstrom auch nur ansatzweise zu unterbrechen.
Es gibt folgende Möglichkeiten: Kreuzworträtsel, Schreiben oder Ausharren. Letzteres kann schmerzhaft sein. Die Endlosschleife, die einem ohne Milde neben der Erinnerung an abartige Dinge auch das ewige Versagen, sämtliche Fehler und die eigene Unfähigkeit vor Augen hält.
Dinge, die gestern noch als verwischte Erinnerung in einer staubigen Hirnkammer vor sich hingegammelt haben, sind heute quälend und morgen vielleicht schon wieder vergessen. Ärgernisse, die in der Schublade "Nebensächlichkeiten" lagen werden hervor gezerrt und lassen blinde Wut in Hass umschlagen.

Nachts lebe ich in einer Abstellkammer, die den Unrat und den Abschaum des Lebens in sich birgt. Darin befinden sich Empfindungen, die einen Glauben lassen dass man den Verstand verliert. Ebensolche Erinnerungen und das Gefühl dass man zerspringt. Und mitten drin die ewige Frage ob das immer so weiter gehen wird. Wo ist der Schalter, der dem Chaos die Energie entzieht? Ich finde ihn einfach nicht.
Rückblickend kann ich nicht mal mehr ahnen wie viele vergeudete Stunden zwischen Wut, Trauer, Schmerz und Panik diese Nächte gefüllt haben. Während ich starr in der Dunkelheit liege, haben sie sich unter der Decke breit gemacht. An mich gekuschelt liegen ihre kleinen hässlichen Köpfe an meine Schulter geschmiegt. Die lähmende Leere, vom Bewusstsein umklammert nicht wirklich zu sein, sitzt genauso zwischen den Ritzen der Matratzen wie das hinterhältige Gefühl die Realität sei verdreht.

Manches ist aber auch klar und ergibt unerwartet einen Sinn, möchte ich es nutzen, weiß ich nicht wie. Viele Puzzleteile fügen sich zusammen, doch habe ich Depp immer vergessen sie auf eine Unterlage zu kleben und so lösen sie sich mit dem Morgennebel wieder auf.
Tagsüber scheint die Realität die mich umgibt sowieso eine andere zu sein als die, die ich mit meinen Sinnen erfassen kann.
Aber was solls. Das was wir als freien Willen betrachten, sind doch bloß mechanische Prozesse im Gehirn, die wie alles Übrige gemäß physikalischen Gesetzen ablaufen. Das ist doch tröstlich, oder?
 

Nacht - 20.08.08

Ein Überfall von Erkenntnis und Klarsicht unterbricht mein stumpfsinniges Ausdemfenstergestarre. Die Armbanduhr zeigt hämische 02:27 h an. Dem Wecker hatte ich irgendwann einmal nachts für sein fieses Grinsen den Garaus gemacht.
Ich versuche die Bilder und Gedanken, die mich die letzte Stunde dabei unterstützt haben abwechselnd den Mond oder die rote Leuchte von der Glotze anzugucken, festzuhalten. Puzzlestücke und die Dokumentation eines schrägen Seins.
Die meisten Familienmitglieder liegen friedlich in ihren Betten. Die Vernunft sitzt mit dem Verstand auf meinem Kissen und versucht die Gleichgültigkeit am Einschlafen zu hindern.
Der Dackel neben mir hat sich auf die Breite eines Elefanten ausgeklappt und schmiegt sich fest an meinen Rücken. Die Verlustangst hält uns fest umklammert. Das Buch habe ich schon vor 2 Stunden wieder weg gelegt, die Rastlosigkeit hat es mir verdorben.
Metallica sülzen mir "Nothing else matters" in die Ohren, was nicht gerade mein Komikzentrum zu treffen vermag. Je höher die Zahl auf der Uhr, desto größer die Empfänglichkeit für wirre Gedanken. Noch eine halbe Stunde und ich werde entweder schlafen oder flennen. Aber nichts dergleichen passiert.

Die Uhr zeigt 02:53 und ich gleite bei Casseopaya's "Overdose" langsam in den nebelartigen Zustand des Halbschlafes ab. Je nach Tagesgeschehen kann es hier angenehm oder total abartig sein. Die Entspannung hat Vernunft und Gleichgültigkeit in den Schlaf gesäuselt und die Verdrängung mitsamt dem Vergessen in den Keller gesperrt. Der Dackel schubbst mich, während seines Traumes japsend und knurrend, fast aus dem Bett. Nachdem ich ihn wie automatisiert gedreht habe, halte ich seinen ofenrohrartigen Körper im Arm. So ein Moment in diesem dämmernden Zustand, mit dem vorausgegangenen Tag, reicht um mich ohne Einfluss darauf fast 30 Jahre zurückzukatapultieren. Der Dackel ist ein anderer und ich springe von der Erinnerung an die Hand genommen hin und her. Ich weiß nicht ob Bilder, Gefühle oder Gedanken, hier ist alles möglich. Könnten es Träume sein? Nein.

Die Uhr sagt 03:05. Als ich wieder wacher bin, bin ich versucht Zusammenhänge für die Zeitsprünge zu finden. Bei dem Versuch jedoch summt mich die Entspannung wieder in den halben Schlaf. Während ich die Erinnerung mit Logik vereinbare, bleibe ich auf halber Strecke in ihr stecken. Meine Familie hat einige wache Teilnehmer ins Rennen geschickt, zwischen Reue, Scham, Ekel, Sehnsucht, Hass und Angst sehe ich auch Geborgenheit und Glück auf der Bettkante sitzen. Als ich wieder richtig wach werde, habe ich unbeabsichtigt ein paar unbekannte Bilder mit herüber gezerrt. Es ist 03:22 h und ich halte den Fetzen einer verloren geglaubten Erinnerung in der Hand. "Wo bist du gewesen und warum kommst du jetzt zurück?", denk ich gerade bei mir als ich mich noch frage ob sie Unheil mit sich bringt. Dieses Mal nicht. Sie ist harmlos und einfach da. Doch fange ich an sie zu analysieren und bleibe genervt davon wach. Der Zeitpunkt an dem ich den PC aus seinem wohlverdienten Schlaf reiße ist gekommen. Doch anstatt durch sämtliche Foren zu schleichen und Unsinn zu verbreiten, purzeln diese Buchstaben auf die Tastatur.

Auf dass sie irgendwer gnädig lesen mag.

Überdruck, Hochspannung, Dekompression

Irgendwann zwischen 1975 und 2008.

Ich bin. Reduziert aufs Sein, steht der Augenblick still. Gedehnt und Gekrümmt. Rastlos und chancenlos der Vielfalt von Eindrücken Herr zu werden. Die Spannung kreischt im Kopf gegen die Vernunft an.
Der Druck expandiert und peitscht Gedanken und Bilder vor sich her. Er steigt stetig und wächst, plustert sich widerwärtig auf und spuckt dir verachtend ins Gesicht. Die Spannung stimmt erregt mit ein. Nicht lange und sie werden es hemmungslos treiben. Übermächtig und doch nicht greifbar lädt sich ihre Energie.
-Schnitt

Andere Zeit, gleicher Ort.
Die Wut schwingst sanft auf der Schaukel vor den Haus hin und her. Nimmt freudig Anlauf und stößt höher hinauf. Jauchzend lässt sie sich, vom Hass angestoßen, den Wind um die Nase wehen. Die Aggressivität steht lächelnd dabei. Begierig saugen sie alles in sich ein. Mit jedem Wort, Gedanken oder Bild wächst ihr Spieltrieb heran. Blind und unfähig diese umtriebenen Gesellen zu bändigen stolpert man in ihre Falle.
-Schnitt

Gleicher Ort, andere Zeit.
Die Leere ist zu Besuch bei der Gleichgültigkeit. Einträchtig plaudernd schaufeln sie ein tiefes Loch in dem das Vakuum auf Kälte trifft. Ich bin materiefreier Raum. Die Gleichgültigkeit kann schmerzen wie die gemeine Pein. Die Leere gebiert das Verlangen gefüllt zu werden. Sie strampelt und schreit.
-Schnitt

Gleicher Ort, andere Zeit.
Die Abwertung trifft sich heimlich mit dem Selbsthass im Park. Verkuppelt von der Verzweiflung, die den Ekel verehrt, spazieren sie verliebt durch den Garten der Minderwertigkeit.
Das Schuldgefühl sitzt mit der Trauer auf einer Bank und schaut amüsiert dabei zu wie der Widerwille, unterstützt vom Schmerz, den Selbstrespekt im Teich der Erinnerung ersäuft. Kichernd rudern Zweifel und Agonie in einem putzigen Boot an ihnen vorbei.

Die Hilflosigkeit ist immer dabei. Genau wie die Suche nach einem Ventil.
Irgendwann schleicht sich der letzte Widerstand auf Zehenspitzen durch die Tür und lässt blindes Verlangen zurück. Und den Wunsch sich in Luft aufzulösen. Da Letzteres eher selten passiert, geht der Trend zur anderen Version. Die zieht häufig Putzen nach sich, immer jedoch eine Pflasterallergie. Hin und wieder konnten es auch Beulen sein. Aber hier zerrinnen die Worte auf der Tastatur. Vielleicht ein anderes Mal...

Inkompatibel - Irgendwann 1994

Die Vorstufe zur Hölle ist das, was alle Welt "Beziehung" nennt. Meine liebe Familie ist mir bei der Zerstörung des Zwischenmenschlichen eine große Stütze. Was immer auch passiert, auf ihre Hilfe bei der Vernichtung von Wärme und Geborgenheit kann ich mich 100 Pro verlassen. Ich verschlinge meine Liebsten mit Haut und Haaren. Bevor ich sie, verstört und unbrauchbar für das spätere Vertrauen in die Frau an sich, gut durchgekaut wieder ausspucke. Noch während das Bedürfnis nach Nähe und absoluter Kontrolle alle Sicherung durchknallen lässt, versuche ich unauffällig einen Weg zur Entsorgung zu finden. Die Dämonen-Ambivalenz lebt in der Vorstufe zur Hölle ihre Vielfalt aus. Immer dabei ist die Wut, die die Euphorie vorausschickt um sie von hinten anzufallen und niederzustrecken. Gerade noch der Überflieger, schon ein Loser. Gefühle auskosten bevor sie fordernd werden und schutzlos machen. Nähe heißt Distanz, Verlangen stößt ab. Heute Hü, Morgen Hott. Ist er erlegt, ist er hinfällig. Lästig und schwach. Der Weg der Erkenntnis ist lang. Und gepflastert mit Opfern, die sich bereitwillig dafür hingegeben. Benutze sie bevor sie dich benutzen und ehe sie merken dass die Fassade nur nach Außen glänzt. Doch wer fühlt sich am Ende benutzt?

Während Hände fordernd der Arbeit nachgehen gehen um die Fassade zu bearbeiten, klettert der Hass am Balkon empor. Die Gier hüpft grinsend auf und ab bevor der Ekel ihr eins in die Fresse haut. Der Widerspruch legt die Füße hoch. Die Euphorie tanzt singend wie besoffen auf dem Parkett. Noch ein Glas und sie kotzt sich die Seele aus dem Leib. Die Spannung hat sich mit dem letzten Bus der Impulsivität aus dem Staub gemacht. Einsam sitzt die Leere auf dem Bett und raucht sich eine. Zwischen zerwühlten Laken hockend, guckt sie ungeduldig auf ihre Armbanduhr, der Selbsthass ist schon auf dem Weg. Gefolgt vom Ekel und der Abwertung betritt er den Raum. Die kotzende Euphorie wird am Kragen gepackt und unsanft vor die Tür getreten. Dann machen sie sich breit. Schicken ungefilterte Bildermassen durch den benommenen Geist. Doch der stellt sich tot. Legt sich mit der Leere einträchtig ins klamme Bett. Wenn der Morgen dämmert, bekommt alles ein anderes Gesicht. Der Typ auf der Matratze wird Realität, nichts wie weg. Die Leere geht mit. Unauffällig hat sich der Selbsthass zwischen den Klamotten versteckt, bemerken werde ich ihn erst wenn ich zuhause bin und nach einem bleiernem Schlaf rotgeschrubbt unter der Dusche steh. Die Verdrängung sitzt jedoch schon zwischen Zahnbürste und Seife auf der Ablage über dem Waschbecken. Lässt die Beine baumeln und streicht mir durchs Gesicht. Bis die Fassungslosigkeit den Ekel ehelicht werden noch ein paar Jahre vergehen. Und bis dahin haben die beiden einen Haufen hässlicher Kinder gezeugt.

Irgendwann Februar 1990

Auch vor (gefühlten) "100 Jahren" war ich mit meiner geschätzten Dämonen-Familie schon bekannt und gerade unwissend naiv dabei ihr die Stirn zu bieten. Was für ein lächerlicher Versuch.

Verwirrt versuchen meine Augen die Umgebung an den Geist weiterzuleiten.
Der Kommunikation zwischen ihnen wurde jedoch unbegreiflicherweise die Grundlage entzogen.
Eine weibliche Stimme raunt "Nicht wieder einschlafen" und irgendwas klatscht in mein Gesicht. Nicht ganz wissend wo ich bin, geschweigedenn was ich dort mache, bemerke ich zumindest schon mal dass ich mich in der Horizontalen befinde. Mein Visus beschränkt sich auf die Senkrechte, was das Auskundschaften der aktuellen Lage von vornherein etwas erschwert. Zumindest befindet sich ein Dach über meinem Kopf, denn die Decke ist mit unkleidsamen Platten ausgestattet, quadratisch, schmutziggrau und gelocht. Weil ich es nicht besser weiß, beginne ich hochkonzentriert die eingestanzten Löcher derselben zu zählen. Während ich völlig darin aufgehe, kehrt die Wahrnehmung langsam in meinen Körper zurück.
Die Stimme fragt nach Namen und Geburtsdatum, ich murmle mir irgendwas in den nicht vorhandenen Bart. Alles ist schwarz und es fühlt sich gut an. Einfach fallen lassen. Wieder ist die Stimme da. Sie fragt mich das gleiche, wie blöd sind die hier?
Mit Erschrecken muss ich feststellen dass meine Hände unter der Decke bloße Beine berühren, was mich doch etwas irritiert, ich könnte wetten heute eine Hose angezogen zu haben. Mein Innerstes fühlt sich an als wäre ein 40-Tonner durchgefahren. Die Kehle trocken und schmerzend, der Mund wie Laternenpfahl ganz unten, die Eingeweide wie durchgequirlt. Von irgendwoher höre ich eine Männerstimme "Heiiidiiii" rufen, das einzige was mir dazu einfällt ist mit "Jaaa Peeteeer" zu antworten, was eine grüngewandete Dame auf den Plan ruft.

"Aha, da ist jemand wach! Wird dich wohl nicht freuen das zu hören" bemerkt sie spitz, streicht mir aber beruhigend über die Wange. "Wat will diiie??" denk ich mir und taste mit den Händen weiter hoch, Haut, überall Haut. Ganz am oberen Ende etwas Baumwollartiges, das ich mir mit Sicherheit nicht selbst angezogen habe. Langsam kriecht ein ungutes Gefühl in mir hoch. Ich liege auf einem Bett, soviel ist klar. Als ich versuche den Kopf zu heben um unter die Decke zu sehen, tanzen 1000 Lichter vor meinen Augen, fast wette ich schon auf einem Karussell zu liegen. Mein Hals schnürt sich zusammen und mein Magen grummelt ungehalten vor sich hin. Während ich vorsichtig zur Seite sehe, wiederholt sich das Spiel in abgeschwächter Form. Lieber die Augen schließen und an nichts denken. Als ich das xte Mal wach werde, tappsen kleine Schritte neben das Bett, ich öffne die Augen und kann gerade noch sehen wie sich die bittere Erkenntnis auf das Bett schwingt. Neben mir befindet sich eine grün gekachelte Wand, auf der anderen Seite eine Weitere, dazwischen ist noch Platz, das Ganze wirkt schlauchartig. Die bittere Erkenntnis zerrt an der Decke und klatscht mir mit voller Wucht einen eiskalten Waschlappen ins Gesicht. Der Schlauch ist ein Krankenhausflur und ich habe auf ganzer Linie versagt. Verflixt.

Einen Wimpernschlag lang spiele ich mit dem Gedanken das Weite zu suchen. In der Aufmachung aber irgendwie eine kontraproduktive Idee. Außerdem schaffe ich es immer noch nicht den Kopf zu heben ohne Sterne zu sehen. Also erstmal die Augen schließen. Behutsam klettert die Verzweiflung zu mir auf das Bett und wickelt behäbig die Trauer und das Bedauern aus ihrer Tasche. Eine gefühlte Ewigkeit heule ich still vor mich hin. Aber ich bin nicht allein, die halbe Familie Dämon steht an meinem Bett. Ich hasse mich in diesem Moment noch mehr als sonst. Nicht in der Lage das enervierende Leben ordentlich auf die Reihe zu bekommen, aber auch nicht es zu beenden. Soll ich froh sein? Dass Morgen alles wieder von vorne beginnt? Nur mit der Gewissheit noch einmal mehr versagt zu haben. Durch den Nebel dringt Unverständliches zu mir durch. Ein Mann in grünen Sachen redet besänftigend auf mich ein. Der kann mich mal. Ich heule bis die Nase zu ist. Irgendwer reicht mir ein Papiertuch. Die Wut kuschelt sich an mich. Sie hält mich wach. Der Irrsinn nagt an meinem Bett, ich bin versucht ihm nachzugeben, lasse es aber. Morgen ist auch noch ein Tag. Leider. 

Stolpersteine - Voedestraße 63, 44866 Bochum

Derealisation - Die nette Dame von nebenan

Die Frau mit der ich mich unterhalte ist blond und nett. Wir reden zwar über belangloses Zeug, aber dies so als würden wir uns ziemlich gut kennen. Die Logik gebietet dass dem in der Tat so ist. Sie ist meine Schwester und irgendwas sagt mir dass ich es eigentlich auch weiß. Meine Wahrnehmung meint es allerdings besser zu wissen und fragt immer wieder "Wer zum Henker ist die Blondine da mit der du da quatscht?" Ich sehe sie ganz genau an, jedes Detail. Das Gesicht ist mir fremd. Ich sehe bloß vor den Kopf, eine Hülle von der ich nichts weiß. "Wahwah?" Ein Blick nach links in ein weiteres blond umrahmtes Gesicht. Eine unwichtige Frage beantwortend, tasten sämtliche Sinne die zweite Person ab, die vorgibt mich kennen zu wollen. Das tut sie wohl auch, es ist meine Nichte. Ich starre sie an und erkenne sie nicht. Eine dritte Blonde setzt sich dazu. Sie ist jünger als ich. Sie lacht mich an, macht einen Scherz. Ferngesteuert sonder ich menschliche Sprache ab. Die Logik weiß wer sie ist, die Wahrnehmung nicht. Während ich darüber nachsinne ob irgendwo hier in einem Keller ein besessener Wissenschaftler Blondinen klont, kommt eine mürrische Rothaarige in den Garten. Das Spiel geht von Vorne los. Ich erkunde das Gesicht, erkenne es nicht. Langsam ist mir egal wer da sitzt. Die Logik weiß ja wer es ist.

Um mich herum scheint das Leben zu toben, ich sitze auf meiner Insel und ziehe mit den Zehen Kreise in den Sand. Die Umgebung ist fremd, aber ich weiß wo ich bin. Hoffe ich. Ich beobachte die Damenriege die mich umgibt und freue mich dass sie lachen. Es hätte auch schlimmer kommen können. Trotzdem wünsche ich mir, ich wäre Zuhause geblieben, dann würde ich mich jetzt sicherlich nicht mit der letzten Kraft an den abfahrenden Zug der geistigen Gesundheit klammern. Etwas Unangenehmes macht sich in mir breit, ich rutsche nervös auf dem Stuhl herum und bin überzeugt dass alles gerade nicht richtig ist. Die Welt ist ver(-)rückt. Die Zeit dehnt und zieht sich, ob sie noch vorwärts läuft? Ich stehe auf um durch den Garten zu laufen, den ich eigentlich kennen sollte. Tu ich es? Die Wahrnehmung baut sich vor mir auf. Jetzt will sie mir weismachen, ich war hier noch nicht. Die Logik wird im Keim erstickt. Panik unterdrückend latsche ich den Löwenzahn platt, mir doch egal ich kenn ihn ja nicht. Die Wahrnehmung hat die Logik im Schwitzkasten und triumphiert. Die Wut meldet sich. Da ich sie gerade nicht gebrauchen kann, brat ich ihr eins über, zum Glück, langsam trollt sie sich. Resigniert schlurfe ich an den äußersten Rand des Nebels in meinem Kopf. Die Logik erhält die Überhand zurück. Sie hat der Wahrnehmung den Arm verdreht, die jetzt beleidigt auf ihrer abgeschabten Matratze im Hinterstübchen lümmelt. Ärgerlich dreht sie mir den Rücken zu. Ich blinzel in die Sonne und denk mir "Die kann mich mal". Endlich zurück?

Zu Besuch

Nach Tagen des Brütens erliege ich mitten in der Nacht einem akuten Drang von Mitteilungsbedürfnis. Endlich will der mentale Abfall der meine Hirnwindungen verstopft hinaus.

Doch dann, ich finde den Kulli nicht und bekomme eine Sauwut. Wusch, der Moment der über alles erhabenen Erkenntnisse ist vorbei. Und lässt mich mit dieser Wut einfach sitzen. Ja, diese Wut. Manchmal frage ich was zuerst da war, die Wut oder ich. Diese fiese, einen von innen auffressende Wut. Die so überwältigend ist dass man glaubt jeden Augenblick platzen zu müssen. Die einen blind macht gegen alle Logik und jeden rationellen Gedanken einfach killt, diese Wut ist ein fanatischer Terrorist. Die man körperlich fühlt und doch nicht erfassen kann. Sie bringt dich zum Rasen und das so schnell dass jeder Formel 1 Fahrer vor Neid erblasst und staunt was wahre Geschwindigkeit ist. Sie will raus, jetzt und gleich. Zerstören was gerade am nächsten liegt und mag es noch so lieb und teuer sein.

Wenn für einen Augenblick der Verstand durch den Nebel blitzt und verhindert dass man zum 5. Mal das sauteure Handy an die Wand donnert, hilft nur ein Ventil, die Wut gegen sich selbst. Das Ventil das am wirkungsvollsten ist und noch dazu die Fantasie anregt. Die Fantasie wie man das Resultat am besten verstecken oder erklären kann. Die Wut, der Symbiont, hat stets die Gleichgültigkeit im Schlepptau. Die Gleichgültigkeit, meine liebe Freundin, die eine gähnende Leere ist. Solange bis das Loch dass sie erwirkt, gefüllt werden muss. Irgendwann geht dir auf, dass die so geschätzte Toleranz lediglich bodenlose Gleichgültigkeit ist. Sie kann so beruhigend und doch eine perfide Nervensäge sein. Man kann nicht umhin sie auch als kaltherzige Ignoranz zu bezeichnen. Aber das ist mir so was von egal.^^ So lange bis die älteste Gefährtin hereinschneit, sich kriechend ausbreitet und ihre Krallen in alle Glieder rammt. Die Trauer, die einen selten ohne ihren Zwilling, der Verzweiflung, besucht. Zwei zerreißende Attentäter, die einen so herzlich umklammern. Widerstand zwecklos. Und haben sie einen dann erst einmal so richtig nieder gestreckt, schicken sie die Sehnsucht zu dir. Die einen ausfüllt, bis in die letzte Zelle. Sie ringt mit dir um deinen Verstand und will dich mitziehen, wie ein argloses Kind. Diese Sehnsucht, wenn sie gewinnt, ist der Spuk endlich vorbei.

Neben der Wut, der Trauer und der Gleichgültigkeit hat sich auch noch die Euphorie an meine Fersen geheftet. Nichts kann sie erschüttern, die Welt gehört mir. Sie ist verheiratet mit dem maßlosen Überschwang. Sie sind ein wahrlich schönes Paar. Nimm meine treuen, so unerschütterlichen Begleiter, die Wut, die Trauer, die Gleichgültigkeit und Euphorie, sperr sie in eine Schachtel. Schüttele so fest du kannst, dann lass sie im Zehntelsekundentakt alle wie den Clown an der Feder aus der Schachtel hüpfen. Willkommen in meiner Welt!

Es gibt Tage, an denen sie alle gleichzeitig an deinen Nerven zerren. Diese Freunde sind wie nervende pubertierende Geschwister, die dich immer dann mit tosendem Gebrüll zum Spielen auffordern wenn du dich in Sicherheit wägst. Ob sie streiten wie die Kesselflicker oder einträchtig zusammen auf ihrer speckigen Couch liegen, man kann sie nicht durchschauen. Manchmal lassen sich einige Mitglieder dieser Familie tagelang nicht blicken, dafür quälen die Anwesenden umso mehr. Die Familie Dämon hat mich voll im Griff. Ich bin schon selbst ein Mitglied von ihr.

Noch eher bin ich der hilflose Babysitter, der mit seinen Schützlingen hoffnungslos überfordert ist. Sie hopsen und springen auf einem herum, mit der Energie einer Kernwaffe. Der Alltag kann ermüdend sein mit dieser hibbeligen Bagage im Kielwasser. Aber dann gibt es Tage an denen sie sich benehmen wie vorbildlich erzogene Musterkinder. Jeder für sich erscheint auf sein Stichwort und dann bist du fast stolz auf sie. Du verdankst ihnen trotz allem so viel, möchte man sie auch am nächsten Tag gerne in den Arsch treten.

Wer jetzt glaubt dass diese ungewaschenen, strubbeligen Gören, die da so großmäulig auf dem Sofa rumhopsen, ein plagender, böser Haufen ist, der hat noch nicht den Rest der Familie kennen gelernt. Gerade wenn der Besucher meint sich alle Gesichter eingeprägt und alle Namen gemerkt zu haben, springt die Tür auf und die Halbgeschwister stolzieren herein. Gefolgt von sämtlichen Cousinen und Cousins, Onkeln und Tanten mit Nichten und Neffen. Und die sind oft zu Besuch. Da ist die Angst mit dem Zweifel an der Hand. Dicht gefolgt vom Narzissmus, er flirtet gerade mit der Hysterie. Das Leid schleift lustlos die Rastlosigkeit hinter sich her. Der Schmerz schubst dreist die Erinnerung an, die sich im letzten Moment an der Sucht festhalten kann. Der Ekel macht ein ganz langes Gesicht. Sie winken dir zu und warten auf dich.

Lieber Gast, verzweifle doch nicht, das ist das Leben wie es halt ist. Komm trink noch ein Tässchen mit meinen treuesten Gefährten, vielleicht sind sie dir bekannt: Die Ironie, der Zynismus und der Verstand. Und wenn du ganz leise bist, hörst du sogar was die Hoffnung da spricht.