28.07.2008

Keohane, Daniel G. - Das Grab des Salomon


Titel: Das Grab des Salomon

OT: Solomon’s Grave
Autor: Daniel G. Keohane
Ü: Michael Krug
Seiten: 352, Hardcover
ISBN: 978-3-902607-00-3
Verlag: Otherworld Verlag, 2007
Rezension: Frank Drehmel

Als Nathan Dinneck in die Stadt seiner Kindheit und Jugend, das amerikanische Provinzkaff Hillcrest, zurückkehrt, um dort als Baptisten-Prediger den alten Pastor Hayden abzulösen, hegt er Zweifel, ob er der Aufgabe gewachsen ist, den Freunden und Bekannten, den Leuten, die ihn schon als kleinen Hosenscheißer kannten, als Seelsorger zu dienen. Zudem plagen ihn seit einiger Zeit Träume und Visionen von einem dunklen Tempel und düsteren Engeln. Als guter Christ sieht er seine Berufung jedoch als Prüfung und übernimmt daher die Amtsgeschäfte seines Vorgängers ohne allzu großes Zögern.

Schnell wird ihm klar, dass in Hillcrest etwas Merkwürdiges vor sich geht. Insbesondere sein eigener Vater, der früher geradezu eine Verkörperung des Glaubens war, gibt sich sonderbar distanziert. Nathans Mutter führt dieses auf den neuen Umgang des alten Mannes zurück, der sich regelmäßig im neu gegründeten Hillcrest Men´s Club rumtreibt.

Als der junge Pastor der Angelegenheit nachgeht, trifft er auf Peter Quinn, den charismatischen Vorsitzenden des Clubs. Was Nathan nicht weiß: Quinn gehört der Sekte der Ammoniter an und möchte seinem dunklen Gott, Moloch, den Zugang zu dieser Welt ermöglichen. Dazu bedarf er jedoch einer der heiligsten Reliquien des Christentums, die Quinn irgendwo in Hillcrest vermutet. Dank seiner besondere suggestiven Fähigkeiten manipuliert der Ammoniter gezielt Personen, um einerseits Zweifel am christlichen Glauben zu säen und andererseits sein Geheimnis zu schützen.

Auch wenn Nathan in der Gegenwart Quinns ein deutliches Unwohlsein verspürt, so akzeptiert er zunächst dessen Ausführungen. Weitere Nachforschungen führen den Priester zu Vincent Taretti, den Friedhofsgärtner von Hillcrest. Doch wie Quinn erweist sich auch dieser Mann, den etwas Seltsames umgibt, als verschlossen, ja geradezu brüsk und unfreundlich.

Dann wird der alte Pastor Hayden ermordet und Nathan beginnt allmählich zu begreifen, dass Hillcrest im Mittelpunkt eines Konfliktes biblischen Ausmaßes steht, in dem er selbst eine tragende Rolle zu spielen scheint.

Das Herausragendste an Keohanes Roman ist zweifellos die Verpackung als ein Hardcover, dessen Schutzumschlag ein durch Drucklack-Elemente veredeltes Engel-Motiv ziert, wobei des Bild selbst auf der künstlerischen bzw. handwerklichen Ebene eher Groschenroman-Qualität aufweist; ein Mangel, der sich - bedauerlicherweise - wie ein roter Faden durch das bisherige Programm des Otherworld Verlags zieht: regelmäßig wird die hochwertige Ausstattung der Publikationen durch geradezu trashig wirkende Cover-Bilder konterkariert.

Auf der inhaltlichen Ebene bietet “Das Grab das Salomon” lediglich Durchschnittskost. Die Handlung ist vorhersehbar und so unheimlich wie eine Doppelfolge der Teletubbies (was nicht heißt, dass es nicht doch Menschen gibt, die rundliche Stofffiguren mit Fernseher im Bauch und Antenne auf dem Kopf beängstigend finden).

Metaphysische Entitäten - Gott & Co - pfuschen von Anfang an kräftig im Leben der Sterblichen rum. Visionen, Träume, - je nach Perspektive - glückliche Zufälle oder auch besondere Fähigkeiten, sollen die jeweilige Mannschaft die Siegerstraße bringen. Dieses nimmt der Geschichte den Großteil an Spannung, denn als guter Christ hegt man zu keinem Zeitpunkt irgendeinen Zweifel, wer am Ende die Arschkarte zieht.

Bis es aber schließlich gleichsam reinigendes Feuer “regnet”, darf man sich an den Seelenqualen insbesondere Nathan Dinnecks delektieren, der an Gefühlen so ziemlich alles auffährt, was einem depressionsaffinen Leser den Tag versüßt. Peter Quinn, sein großer Gegenspieler, steht ihm im Trübsal blasen kaum nach, sodass Tristesse und kleinbürgerliche Miefigkeit die Atmosphäre der mit verquaster, fast schon kindlicher Trivial-Religiosität durchsetzten, sich sehr behäbig entwickelnden Handlung bestimmen.

Jedesmal, wenn ich solche freudlosen Christen-Storys lese, in denen mir ein Autor irgendwelches Gott- und Anti-Gott-Gedöns einschließlich der Weltuntervernichtungs- und -beherrschungsspielzeuge dieser Mächte um die Ohren haut, jubiliere ich aufs Neue über mein Atheisten-Daseins. Halleluja!

Dass der Roman trotz der drögen Handlung dennoch nicht unterdurchschnittlich abschneidet, liegt vor allem an zahlreichen Charaktermomenten, die zwar von Trübsal dominiert werden, die aber nichtsdestotrotz von Keohane anschaulich und nachvollziehbar ausgearbeitet sind. Auch wenn die Figuren nicht vor Originalität strotzen und genau die Rollen spielen, die man als belesener Spielfilm- und Serien-Junkie erwartet, wirken sie lebendig und unter der Prämisse, dass nicht jeder Gläubige automatisch einen an der Waffel hat, wohltuend normal.

Neben den Figuren ist es Keohanes angenehme, eingängige und leichte “Schreibe”, die einen den Roman länger durchhalten lässt, als es die Handlung alleine rechtfertige. Wortgewalt oder diffizilen Satzbau sucht man zwar vergebens, aber hinter den Browns, Kings oder Holbeins dieser Welt braucht sich der Autor in stilistischer Hinsicht nicht verstecken.

Fazit: Ein Mystery-Thriller von der Stange. Nett zu lesen, aber weder originell, noch sonderlich spannend.

26.07.2008

Gruber, Andreas - Das Eulentor


Titel: Das Eulentor
Autor: Andreas Gruber
Seiten: 318, Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-89840-273-6
Verlag: BLITZ-Verlag 2008
Rezension: Frank Drehmel

Neben “Sherlock Holmes im Reich des Cthulhu” von Klaus-Peter Walter sowie der von Frank Rainer Scheck und Erik Hauser herausgegebenen, zweibändigen Anthologie “Als ich tot war” ist Andreas Grubers “Das Eulentor” der vierte Band der neuen Hardcover-Reihe des Blitz-Verlags. Wie schon Walter so führt auch Gruber den Leser in das beginnende 20. Jahrhundert.

1911 organisiert der junge österreichische Arzt Alexander Berger unterstützt von dem deutschen Kartographen Jan Hansen eine Expedition in die Arktis, um im Auftrag eines Verlages das ungenaue Kartenmaterial Fridtjof Nansen zu überarbeiten.

Doch was als 1700 km langer Fußmarsch geplant war, endet schon nach wenigen Hundert Kilometern, denn nicht nur die ungewöhnlich starke Kälte machen von Beginn an das Fortkommen anstrengend, auch Unglücks- und Todesfälle sowie der Verlust von Ausrüstung überschatten das Unternehmen.

Kurz vor Abbruch der Expedition entdecken die Arktisreisenden auf einem Felsplateau einen runden, künstlichen, senkrecht in die Tiefe führenden Schacht. Auf eine nähere Untersuchung dieses Phänomens müssen sie jedoch zunächst verzichten, da das bloße Überleben oberste Priorität hat.

Ein Jahr später, 1912, kehren Berger und Hansen, die Dank des couragierten Eingreifens eines Schiff-Kapitäns als einzige die erste Expedition überlebten, mit einem neuen, größeren Team und ausgestattet mit frischen Geldmitteln zum Schacht zurück, um ihn mit wissenschaftlicher Akribie seine Geheimnisse zu entreißen. Zunächst bauen sie mit Hilfe isländischer Arbeiter eine komplexe Infrastruktur aus Holzhütten und Werkstätten auf, um sich dann in den Schacht durch das Anlegen hölzerner Plattformen allmählich nach unten zu arbeiten.

Der anfängliche Optimismus schwindet jedoch, als nach vielen Monaten die Grenzen des Materials - von Seilen und Fördereinrichtungen - erreicht werden, ohne dass sich ein Grund in der Tiefe abzeichnet. Erst als ein gewisser Brehm, seines Zeichens Ingenieur, im Auftrag der Projekt-Finanziers die Leitung der Erkundung übernimmt, kommt neuer Schwung in das Unternehmen. Doch auch trotz modernster Techniken wie dieselbetriebener Gondeln gibt der Schacht seine Geheimnisse nicht Preis. Im Gegenteil: je weiter man vordringt, desto merkwürdigere physikalische Phänomene treten auf, bis man schließlich eine Tiefe erreicht, in der Lebewesen dem Irrsinn verfallen und sich physisch verändern.

Obgleich “Das Eulentor” wie Walters “Sherlock Holmes”-Roman an der Wende zum 20. Jahrhundert angesiedelt ist, wohnt Grubers Geschichte eine vollkommen andere Grundstimmung inne.

Erstens bedient sich Gruber einer deutlich zurückhaltenderen, konventionelleren Diktion als Walter. Sein Schreibrhythmus ist gleichförmiger, weniger pointiert, die Wortwahl der Handlung und dem Hintergrund zwar angemessen, jedoch erscheint sie weniger reichhaltig. Nichtsdestotrotz versteht es auch Gruber, den Leser - auf eine ruhigere Art - mitzureißen.

Zweitens ist der Grundkonflikt ein gänzlich anderer. Nicht der Kampf “Mensch gegen Mensch” respektive “Verstand gegen Verstand” stehen im Mittelpunkt, sondern das einsame Ringen des Menschen mit der Natur bzw. mit äußeren Umständen, die sowohl außerhalb seiner Kontrolle, als auch außerhalb seiner Erkenntnisfähigkeiten liegen. Bergers Kampf ist kraftvoller und archaischer, deutlich stärker vom bloßen Willen geprägt als Holmes Suche nach Wahrheit; und anders als bei der Figur des englischen Detektivs wohnt seinen Handlungen jederzeit die Möglichkeit des Scheitern inne.

Der dritte grundlegende Unterschied ist die Rolle der Technik innerhalb der Geschichte: während Walter seine Protagonisten geradezu euphorisch von den Errungenschaften der Neuzeit schwärmen lässt und seinen Roman ein Hauch von Steampunk durchdringt, unterstreicht bei Gruber die Technik das Scheitern der Protagonisten. Selbst modernstes Ingenieurwissen - immer auf den damaligen Zeitraum bezogen - versetzt sie nicht in die Lage, die fundamentalen Fragen, die der Schacht aufwirft, zu beantworten, sondern bring sie dem Verderben lediglich Meter um Meter näher.

“Das Eulentor” lebt nicht von plakativer Gewalt, sondern von der düsteren Atmosphäre, der langsamen Eskalation des Grauens, das ganz allmählich und subtil - wie nebensächlich, in kleinen Andeutungen - in die Geschichte einsickert, sowie von der Hilflosigkeit der Protagonisten angesichts eines Phänomens, das bis zum Schluss unerklärt bleibt. In sich ist Grubers Geschichte so unheimlich stimmig oder stimmig unheimlich, dass insbesondere Spieler des Chtulhu-RPG ihre Freude daran haben dürften, weil sie das Abenteuer fast einzueins nachspielen können.

In seiner Aufmachung bietet Grubers Roman sowohl Licht als auch Schatten. Cover-Bild und Cover-Gestaltung sind exzellent, auch wenn sich das ausdrucksstarke Motiv nur mit einiger Interpretation auf die Geschichte beziehen lässt. Die Papierqualität ist bedauerlicherweise nur durchschnittlich und das Layout in der Dimensionierung der Seitenränder sehr großzügig. Dafür illustrieren drei Grafiken bzw. Collagen des Künstlers Mark Freier den Text, deren magischer Realismus den Leser - trotz Kleinformat und Schwarweiß-Druck - sofort in seinen Bann zieht.

Fazit: Subtiler Horror und die düstere, beklemmende Atmosphäre machen “Das Eulentor” zu einer empfehlenswerten Lektüre für Genre-Fans.

McGough, S./Delaney, J. - Blick in die Zukunft


Titel: Blick in die Zukunft
Serie: Magic - The Gathering
Zyklus: Zeitspirale, Band III
OT: Magic: The Gathering: Time Spiral Cycle, Book III: Future Sight
Autor: Scott McGough & John Delaney
Ü: Hanno Girke

Seiten: 379
ISBN: 978-3-8332-1555-1
Verlag: PaniniBooks, 2007
Rezension: Frank Drehmel

Ein neuer Spieler betritt die Bühne Dominarias: Leshrac, der Wanderer der Nacht, versucht, die Zeitrisse, die nach wie vor das Gefüge des Multiversums bedrohen, für seine Zwecke zu nutzen. Doch der große Manipulator ist zu vorsichtig, als dass er sich persönlich mit Gewalten abgibt, die er nicht beherrschen kann. Daher spinnt er ein feines Netz aus Intrigen und Versuchungen, um die Weltenwanderin Jeska in seinem Sinne zu beeinflussen. Und Jeska erweist sich in der Tat als labile Persönlichkeit, ruhen in ihr doch die Erinnerungen Phages und Akromas (vgl. Kings Aufmarsch-Zyklus). So stellt sie sich schließlich gegen diejenigen, von denen sie Hilfe bei ihrer Suche nach ihrem Mentor Karn erwartet: Teferi und seine Gefährten.

Im Alleingang versucht Jeska, die gefährlichen Zeitrisse zu versiegeln. Dass sie dabei nicht nur einen der mächtigsten Weltenwanderer vernichtet, sondern auch die von ihr gefangene Radha, derer Feuermagie sie sich bedienen muss, gleichsam psychisch vergewaltigt und langsam tötet, spielt für sie keine Rolle.

Da Teferi, Jhoira und Venser ahnen, dass Jeska durch ihr rücksichtsloses und unüberlegtes Vorgehen die Gefahr, die von den Rissen ausgeht, verstärken könnte, sehen sie sich gezwungen, die außer Kontrolle geratene “Göttin” irgendwie von ihrem Tun abzuhalten; doch die magischen Kräfte der drei reichen dafür bei Weitem nicht aus.

Jeska ist allerdings nur ein (kleines) Problem, denn nach wie vor zieht Leshrac die Fäden. Und dessen Pläne sehen vor, den mächtigsten und ältesten aller Weltenwanderer, den Drachen Bolas, nach Dominaria zu locken, um ihn dort zu vernichten.

Zunächst sei darauf hingewiesen: Ein verstehender “Blick in die Zukunft” ist nur jenen Lesern vorbehalten, die Band 1, “Zeitspirale”, und Band 2, “Weltenchaos”, gelesen haben, denn Zeit für - redundante - Erklärungen nehmen sich die Autoren zu Recht nicht. Darüber hinaus erweist es sich als Vorteil, wenn man von Kings Aufmarsch-Zyklus zumindest die Rahmenhandlung kennt, da McGough und Delaney wiederholt auf die dort erzählte Geschichte Jeskas Bezug nehmen.

Als Belohnung werden diejenigen, die wissen worum es geht und die nicht allzuviel Wert auf Story-Tiefe oder differenzierte Charakterzeichnungen legen, von diesem Abschlussband, der “Magic - The Gathering” gleichsam in Reinform präsentiert, gut unterhalten.

Kommen Sie rein, Herrschaften!
Meine Dame, mein Herr!?
Hier hauen sich Götter Magie um die Lauscher, dass es nur so blitzt und donnert!
Hier wird intrigiert und gestorben, wie Sie es noch nicht gesehen haben!
Und Getränke kosten nur einen Heiermann!

Dabei erinnert die Art und Weise, in der die Autoren die Weltenwanderer zunächst an- bzw. aufmarschieren lassen, um gleich darauf deren Reihen gnadenlos zu lichten, frappierend an ein großes Reinemachen, an den Versuch des Resets eines Hintergrundes, der im Laufe der Jahre auch wegen einiger Götter-Altlasten zunehmend unübersichtlicher wurde. Hau weg die Alten! Macht Platz für the next Generation, für Venser & Co.!

Bei aller Freude über die actionreiche Story sollen die Schwächen des Romans nicht unter den Tisch fallen. Zunächst wäre da der dürftige Plot um die Zeitrisse. Weil zu keinem Zeitpunkt - und trotz aller Metaphysikeleien - wirklich klar wird, was diese Phänomene ihrem Wesen nach und im Kern sind bzw. was sie warum bewirken (oder auch nicht), erscheinen sie lediglich wie ein vordergründiger, billiger Aufhänger, eine Art Rechtfertigung der Autoren für das Lichten der Weltenwanderer-Phalanx.

Die gottgleichen Wesen ihrerseits kommen in ihren Taten deutlich zu menschlich rüber, selbst wenn wiederholt etwas anderes behauptet wird; sie sind in gewisser Weise zu klein - nicht nur kariert -, zu sehr in ihren Eifersüchteleien und Ambitionen gefangen, um einen göttlichen Nimbus zu tragen. Ähnliches gilt für die durch sie gewirkte Magie, die zwar fraglos machtvoll ist, aber weit, sehr weit von einem WOW-Erlebnis entfernt.

Dennoch: unterm Strich ist - nicht zuletzt wegen der Auftritte von Bolas, Leshrac und “der Nacht” sowie der gefälligen Schreibe des Autorengespanns - “Blick in die Zukunft” der beste Band dieses auch in toto unterhaltsamen Magic-Zyklus’.

Fazit: Krönender, actionreicher Abschluss der Zeitspirale-Trilogie! Für Leser, die immer schon geahnt haben, dass Götter auch nur Menschlein sind.

Wooding, Chris - Alaizabel Cray


Titel: Alaizabel Cray
OT: The Haunting of Alaizabel Cray
Autor: Chris Wooding
Ü: Wolfgang Ferdinand Müller
Seiten: 351
ISBN: 3-40420479-4
Verlag: Bastei Lübbe, 2003
Rezension: Frank Drehmel

Thaniel Fox hat das schwere Erbe seines Vaters, eines legendären Hexenjägers, angetreten: ausgestattet mit einem besonderen Gespür für Hexlinge, allerlei Amuletten, einem Wissen, das seines gleichen sucht, und einer Pistole, die er meisterhaft beherrscht, jagt der junge, wohlhabende Mann in den düsteren Gassen Londons jene Wesen, die die meisten Menschen nur aus ihren Albträumen kennen.

Eines Tages findet er auf einer Jagd in einem heimgesuchten Haus ein verstörtes Mädchen, dem große Teile seiner Erinnerung zu fehlen scheinen und dessen Name Alaizabel Cray lautet. Auch wenn ihm sein Verstand zur Vorsicht rät, so siegt doch der Beschützerinstinkt, so dass er dem hilflosen Geschöpf in seinem Heim Unterschlupf gewährt.

Zusammen mit seiner Freundin, Lehrerin und Mentorin Catheline versucht er, das Geheimnis um Alaizabel, die aus irgendeinem Grund Hexlinge geradezu anzieht, zu lüften.

Schon bald finden die beiden Jäger heraus, dass das Mädchen im Mittelpunkt einer Verschwörung steht, die das Ziel hat, einen uralten Dämonen zu erwecken.

Da “Die Gilde”, deren Mitglieder sich auch aus dem “Who’s Who” der Londener Society rekrutieren und die hinter diesem Plan steckt, jedoch zu mächtig ist, um sich mit ihr direkt anzulegen, suchen Thaniel, Cathaline und Alaizabel Hilfe bei den Bettlern, die unter der Stadt hausen.

Doch es scheint alles vergebens, denn der letzte Mord in einer ganzen Serie von grauenhaften Morden an jungen Frauen, die alle nach einem bestimmten Muster begangen wurden, öffnet dem Dämon das Tor in Thaniels Welt.

Es gibt Auszeichnungen - Neudeutsch: Awards -, die es wert sind, werbewirksam vermarktet zu werden, weil sie echtes, mehr oder weniger hart erarbeitetes Expertenwissen repräsentieren. Ob der “Nestlé Children’s Book Prize” (aka “Nestlé Smarties Book Prize” oder “Smartie-Award”) - Nestlé ist das Unternehmen, unter dessem Namen “Smarties”, jene zuckerüberzogenen Schokolade-Sphäroiden, deren kurze Achse etwa 5 mm und deren lange Achse etwa 15 mm messen und die es seit 2006 auch in Natur-Blau gibt - vertrieben werden, in die Reihe dieser Preise gehört, kann man mit guten Gründen in Frage stellen.

Natürlich sind die Kinder, die neben den erwachsenen Juroren des Booktrusts über die Awards entscheiden, in gewisser Weise Experten. Experten im Kind-sein! Und nicht in der Beurteilung, ob etwas - Buch, Film, PC-Spiel - didaktisch/künstlerisch “hochwertig” (gut) oder wenigstens nicht schädlich (schlecht) ist. Und sollten sie es doch wissen, dann sind es keine echten Kinder mehr. Eltern werden wissen, wovon ich rede.

Kurz und gut: die von Bastei herausgestellte Tatsache, dass “The Haunting of Alaizabel Cray” im Jahre 2001 den zweiten Platz in der Kategorie “9 - 11 Years” des “Smartie-Awards” errang, sagt über die Qualität des Romans - zurückhaltend ausgedrückt - eher wenig aus. Und da der Roman in Deutschland nicht explizit als Kinderbuch, sondern in Basteis “erwachsener” Fantasy-Reihe veröffentlicht wurde, vergessen wir an dieser Stelle die vielen, vielen bunten Smarties.

Zwei Dinge werden bei der Lektüre dieses Romans besonders augenfällig: zum einen erscheint die Geschichte wie eine Aneinanderreihung zahlreicher kleiner Szenen, die zwar von einem roten Faden durchzogen werden, denen aber der große innere Zusammenhalt fehlt. Zum anderen hält sich Chris Woodings eigener “schöpferischer” Beitrag in einem überschaubarem Rahmen. Das heißt nichts anderes, als dass er sich mit beiden Händen kräftig aus dem Fundus alter und moderner Mythen bedient, sich von renommierten Autoren wie Dickens oder Lovecraft überdeutlich inspirieren lässt und auch nicht davor zurückscheut, die Figur Jack The Rippers unter dem Namen Flickengesicht auferstehen zu lassen - allerdings ohne wirkliche Einbindung in die Geschichte.

Den insgesamt sehr hölzernen, motivationsarmen Charakteren und der wenig kohärenten, in Teilen deutlich zu kitschigen Story stehen immerhin einige atmosphärisch sehr dichte Beschreibungen der düsteren Örtlichkeiten eines alternativen, viktorianisch angehauchten Londons gegenüber, die den Roman zwar nicht retten, die aber ebenso wie die verhaltenen Steampunk-Anklänge wenigstens als kleines Trostpflaster angesehen werden können.

Fazit: Ein gefällig geschriebener Roman für Kinder, der dem erwachsenen Leser nichts Neues bietet..

Willingham, Bill - 1001 Schneeweiße Nächte

Titel: 1001 Schneeweiße Nächte
Serie: Fables
OT: Fables: 1001 Nights of Snowfall
Autor: Bill Willingham
Illustrationen: Charles Vess e.a.
Ü: Gerlinde Althoff
Seiten: 148
ISBN: 978-3-86607-548-1
Verlag: PaniniComics, 2008
Rezension: Frank Drehmel

Für diejenigen, welche die preisgekrönte Serie, die wie Sandman, Hellblazer oder Preacher unter dem Vertigo-Label des DC-Verlags erscheint, (noch) nicht kennen eine sehr kurze Zusammenfassung des Hintergrundes: der Krieg mit einem namenlosen Wesen, dem “Feind”, veranlasst unsterbliche Märchengestalten - den bösen Wolf, Schneeweißchen, Pinocchio, u.v.a.m. - aus ihrer Märchenwelt in die Welt der Sterblichen zu fliehen, um hier in der Stadt New York im Exil eine kleine und geheime Enklave zu gründen.

“1001 Schneeweiße Nächte” stellt zumindest in den einzelnen Episoden eine Art Prequel zu dem Grundplot der Serie dar. Snow White reist in den Orient, um die arabischen Märchenländer vor dem Widersacher zu warnen, unter dessen Ansturm die europäischen schon fielen. Am Hofe des Sultans Shahryar wird sie zunächst freundlich aufgenommen, muss jedoch bald feststellen, dass der Herrscher Böses im Schilde führt. Weil er in Frauen grundsätzlich betrügerische Wesen sieht, erließ er das Edikt, jeden Morgen die Frau zu köpfen, mit der er die letzte Nacht verbrachte. Die Nächste auf seiner Liste ist nun Snow White, obgleich sich ihre Zusammenkunft sittsam gestaltete und sie einen offiziellen Gesandten-Status innehat.

Doch Snow ist alles andere als auf den Kopf gefallen und versucht, um selbigen zu behalten, Shahryar mit Geschichten zu umgarnen. Ihre Erzählungen, die näher auszuführen den Inhalt dieser Rezension sprengte, führen zurück in die Vergangenheit einzelner, liebgewonner Fables-Protagonisten, wie Prince Charming, Reynard, dem Fuchs, Bigby Wolf, Schneeweißchen und ihrer Schwester Rosenrot oder der “bösen” Hexe.

Kaum eine amerikanische Comic-Reihe wurde in jüngster Zeit mehr in den Himmel gelobt als Bill Willinghams “Fables”; nicht ganz ohne Grund, wie mehrere Eisner Awards zu belegen scheinen (auch wenn dieser Preis nicht unumstritten ist). So gewann der vorliegende Band 2007 in der Kategorie “Best Anthology”; zudem erhielten einige der hieran beteiligten Künstler im selben Jahr (oder vorher) Auszeichnungen in weiteren Kategorien.

Ich will - so wie immer (^^) - ehrlich sein: für mich ist die Wahl der Award-Jury angesichts des ebenfalls nominierten “Japan as Viewed by 17 Creators” alles andere als nachvollziehbar, denn jenseits des zweifellos vorhandenen Humors und eines Unterhaltungswertes gerade für Fable-Fans folgt “1001 Schneeweiße Nächte” vor allem auf der Erzählebene einem in weiten Teilen konventionellen, wenig erfrischenden Ansatz.

Die Serie lebt zum einen von der Konfrontation zwischen moderner Welt und den im Märchen manifestierten archaischen bzw. tradierten Ängsten und Moral-Vorstellungen, zum anderen - über die bloße Konfrontation hinaus - in der Demontage liebgewonner Märchen-Stereotype und Archetypen.

In den Storys dieser Anthologie findet die Konfrontation kaum oder gar nicht statt, d.h. die Geschichten verlassen einen gleichsam natürlichen, märchenhaften Kontext nicht. Und die Demontage bzw. das lustvolle Spielen mit Klischees erfolgt in zu wenigen und bezeichnenderweise sehr kurzen Episoden - hervorzuheben hier: der Prinz, der sich in Stresssituationen immer wieder in einen Frosch zurückverwandelt (S. 64 - 71), oder das Kaninchen Colonel Thunderfoot, das von einem Zauberer seiner Spezies in einen Menschen, also ein Monster verwandelt wird, um fortan Kaninchen-Damen nachzusteigen, damit sie ihn erlösen (S. 86 - 88) -, als dass es den gesamten Comic tragen könnte.

Der Großteil der Storys ist wenig pointiert erzählt, plätschert lediglich vor sich hin und eröffnet keine wirklich neuen Sichtweisen; skurrile, originelle oder - im Vergleich zur Serie - weiterführende Positionen in der Charakter- und Situations-Konstruktion werden zu Gunsten einer eher klassischen, leicht moralisierenden Märchenerzählweise aufgegeben.

Aus diesem konventionellen Ansatz heraus erklärt sich auch das hier kolportierte negative Islam-Bild, das in seiner Klischeehaftigkeit - frauenfeindlich (“Bei ihm suchten wir Zuflucht vor der Schlechtigkeit der Frauen”) und imperialistisch (“Denn tatsächlich ist sowohl dein Land als auch das des Feindes Dar al Hab, das bedeutet, Land des Krieges, und eines Tages werden sie vielleicht zum großen Kalifat gehören.”) - durchaus etwas wohlfeil Tumbes an sich hat.

Zumindest in dieser Form ist Willingham weit, sehr weit davon entfernt, einem Gaiman den Rang abzulaufen, so wie es “kundige” Comic-Auguren im marketingtrunkenen Überschwang prophezeiten.

Deutlich erfreulicher ist das grafische Moment dieser Anthologie, das trotz - oder gerade wegen der unterschiedlichen Stile aller beteiligten Künstler- durch die Bank überzeugt. Natürlich treffen einige Illustratoren mehr meinem Geschmack (Charless Vess, Tara McPherson oder Esao Andrews), andere weniger (Mark Buckingham oder Jill Thompson), doch gerade im Nebeneinander sind sie nahezu gleichwertig bzw. gleich bedeutsam, geben sie doch eine vage Ahnung - mehr allerdings auch nicht - von der grafischen Vielseitigkeit, die das Medium Comic zu bieten hat.

Fazit: Grafisch zwar ein Genuss, in der Story oder - besser - den Storys nicht überzeugend.