29.06.2008

Irgendwo auf einer Insel im Ozean ...

Irgendwo im Ozean stranden einige Leute unterschiedlicher
Nationalität auf einer
paradiesischen Insel:

2 Italiener 1 Italienerin
2 Franzosen 1 Französin
2 Deutsche (m) 1 Deutsche
2 Griechen 1 Griechin
2 Engländer 1 Engländerin
2 Bulgarier 1 Bulgarin
2 Schweden 1 Schwedin
2 Australier 1 Australierin
2 Neuseeländer 1 Neuseeländerin
2 Iren 1 Irin
2 Singapurianer 1 Singapurianerin
2 Türken 1 Türkin
2 Österreicher 1 Österreicherin
2 Schweizer und eine Schweizerin

Ein Monat später:

1 Italiener hat den anderen wegen der Italienerin umgebracht. Die 2 Franzosen leben glücklich mit der Französin in einer menage à trois. Die beiden Deutschen haben einen streng eingehaltenen wöchentlichen Zeitplan aufgestellt, wie sie sich jeweils abwechseln. Die beiden Griechen schlafen miteinander und die
Griechin darf für sie putzen und kochen. Die beiden Engländer warten noch auf jemanden, der sie der Engländerin vorstellt. Die beiden Bulgaren haben sich zuerst die Bulgarin und dann den Ozean angeschaut, um dann davon zu schwimmen. Die beiden Schweden üben sich in der Kunst des Selbstmords, während die Schwedin lange Vorträge darüber hält, dass ihr Körper ihr gehört, und über die Grundsätze des Feminismus. Aber wenigstens schneit es nicht und die Steuern sind niedrig. Australier sind eh alle bisexuell, also kein Problem. Die beiden Neuseeländer haben angefangen, die Insel nach Schafen abzusuchen während sich die Neuseeländerin mit einer Banane, die sie zufällig fand, angefreundet hat. Die Iren haben die Insel zuerst in einen Nord- und einen Südteil aufgeteilt und eine Whisky-Destillearie gebaut. Inwieweit sie Sex wollen, haben
sie vergessen, nachdem es nach den ersten paar Litern besten Kokos-Whiskeys irgendwie so neblig geworden ist. Aber sie sind glücklich miteinander, denn sie sind sich darüber einig, den Engländern keinesfalls etwas abzugeben! Die Singapurianer warten noch auf Anweisungen von der Regierung. Die Türkin ist permanent schwanger, die beiden Türken baggern daher ständig die blonde Schwedin an.
Die beiden Österreicher einigen sich darauf, die Österreicherin gelegentlich gegen Entgelt an die Türken zu vermieten und kaufen sich dafür Whisky bei den Iren. Die Schweizer schlossen bilaterale Verträge mit den anderen, die Ihnen genug zu Essen, zu trinken und Abwechslung beim Sex sicherstellen sollten. Alle waren einverstanden, nur die drei Schweizer haben die Verträge wegen internen Querelen bis gestern nicht ratifiziert und sind soeben verhungert.

Eisangeln

Eine Blondine watschelt aufs Eis hinaus und macht ein Loch, um zu fischen. Wie sie gerade so angelt, hört sie eine Stimme von oben: "Hier gibt es keine Fische!" Sie geht nicht darauf ein, plötzlich hört sie wieder die Stimme: "Hier gibt es keine Fische!"
Sie schaut sich um, aber sieht niemanden. Dann fischt sie weiter. Dann hört sie die Stimme zum dritten Mal: "Hier gibt es keine Fische!" Sie schaut auf und fragt ganz schüchtern:
"Gott, bist du das?" "Nein, ich bin der Sprecher der Eishalle!"

Selbstmordversuch

Kommt eine Blondine mit der abgeschossenen Fingerkuppe ihres linken Zeigefingers in die Notaufnahme des Krankenhauses. Fragt der diensthabende Arzt: "Wie ist denn das passiert?"
Antwortet die Blondine: "Ich wollte Selbstmord begehen!" Fragt der Arzt entgeistert: "Selbstmord - indem Sie sich den Finger abschießen?"
"Blödsinn!" sagt die Blondine, "Erst habe ich mir die Pistole an die Brust gehalten. Dann dachte ich mir: Du hast doch erst 10.000 € für eine Brustvergrößerung ausgegeben. Da habe ich mir dann doch nicht durch die Brust geschossen!"
"Und was dann?" fragt der Arzt. "Dann habe ich mir die Pistole in den Mund gesteckt," sagt die Blondine, "aber dann fiel mir ein, dass ich ja erst vor ein paar Monaten 5.000 € für meine neuen strahlenden Zähne bezahlt habe. Da hab ich mir dann doch nicht in den Mund geschossen!" "Ja, aber wie ... ?", fragt der Arzt. Erklärt die Blondine: "Dann habe ich mir die Pistole in das Ohr gesteckt. Ich dachte mir aber, dass das einen ziemlich lauten Knall geben wird und da habe ich vor dem Abdrücken den Finger in das andere Ohr gesteckt"

LKW-Fahrer

Ein LKW wird auf der Autobahn von einer Blondine in einem Mercedes fies geschnitten und kommt fast von der Straße ab. Wütend rast der LKW-Fahrer hinterher, schafft es sie zu überholen, um sie auf einen Rastplatz zu drängen. Er holt sie aus dem Wagen und schleppt sie ein paar Meter davon weg, zeichnet mit Kreide einen Kreis um sie und warnt: "Hier bleiben Sie stehen, wehe, Sie verlassen den Kreis!"

Dann widmet er sich dem Wagen: Mit einem Schlüssel zerkratzt er den Lack von vorne bis hinten. Als er danach zur Blondine schaut, grinst diese völlig ungeniert. Das macht ihn wütend, er holt aus seinem LKW einen Baseballschläger und zertrümmert die Scheiben des Mercedes. Sie grinst noch viel breiter. "Ach, das finden Sie witzig?" schimpft er und beginnt, die Reifen mit einem Messer zu zerstechen. Die Blondine bekommt vor lauter Kichern schon einen roten Kopf. Nachdem er auch die Ledersitze aufgeschlitzt hat und das Mädel sich vor Lachen kaum noch auf den Beinen halten kann, geht er zu ihr hin und schreit:
"WAS IST? WARUM LACHEN SIE?"
Kichernd sagt sie: "Immer wenn Sie nicht hingeguckt haben, bin ich schnell aus dem Kreis gehüpft."

18.06.2008

Sternentagebuch - Gott is(s)t ein Hühnchen

Versuchskaninchen

In einem verbeulten Raumschiff der ersten Generation der Raumfahrt legte Raumpilot Mathias die Füße aufs Kontrollpult und sah zu dem Glaskasten, in dem er die Erinnerungen an die Erde aufbewahrte. Viel, abgesehen von seinen Erinnerungen, war ihm nicht geblieben. Eine zerfetzte Fahne der Frecce Tricolori, die er aus einem von Raumpiraten zerschossenen Schiff geborgen hatte. Ein Bierkrug aus seiner Heimat, der Henkel war jedoch abgebrochen und lag in einer Plastiktüte in dem Krug. Dann noch ein paar Geldscheine und Münzen, die er zu Wucherpreisen von galaktischen Händlern gerettet hatte. Sie hätten das wertlose Zeug verbrannt oder eingeschmolzen. Doch für den Piloten hatten diese Dinge einen ideellen Wert, sie waren der Rest seiner Identität und Herkunft.

Seit die Erde vergangen war, verbrannt von den Neidern, die das grüne Paradies nur zu gerne besessen hätten, und als die Menschen es ihnen verwehrten den blauen Planeten mitsamt seiner Einwohner einfach aus den Karten ausbrannten.

Menschen waren nun bessere Zootiere in einem goldenen Käfig. Durch die Liga der verbündeten Welten hatten sie freie Passagescheine erhalten, die ihnen erlaubten sich auf jedem Planeten niederzulassen oder von dort ihre nächste Passage anzutreten. Da sie aber nirgends sesshaft werden konnten (größere Kolonien wurden früher oder später wieder angegriffen und ausgelöscht), waren die Menschen zu Streunern geworden. Und damit natürlich zu den häufigsten Opfern von Raumpiraten.

Doch Mathias kümmerte das wenig. Er flog unter sicherer Flagge, der Forschungsabteilung der Liga der verbündeten Welten. Nicht einmal die Piratenflotte und Dag Durnik, dem berüchtigtsten und blutrünstigsten Raumpiraten zwischen Orion und Centauri, würde es wagen ein Schiff unter der Fahne dieser Allianz anzugreifen. Denn selbst er hatte die Waffen in den Geheimlaboren dieser Abteilung zu fürchten, die Letzter-Tag-Maschine hatte schließlich unlängst ein ganzes von ihm besetztes System verbrannt.

Pilot Mathias hielt sein Schiff genau über dem Nordpol eines von der Liga aufgekauften Planeten, der bald einem Experiment zum Opfer fallen würde. In dieser Beziehung schienen die Extraterrestrischen wenig Ethik zu besitzen. In den letzten elf Jahren hatte Mathias miterlebt wie über ein Dutzend Planeten aus wissenschaftlichen Gründen, manchmal mitsamt seiner Bevölkerung, ausradiert wurde.

Unter dem Bauch des leichten Raketenschiffs leuchteten die Polarlichter in einem wilden Aufflammen von Farben, die den Piloten an einen Disko auf der Erde erinnerten. Ihr Leuchten hatte sich in den letzten Minuten intensiviert und die Impulse waren zahlreicher geworden. Anscheinend spielten die Wissenschaftler an der magnetischen Anziehung herum.

Plötzlich leuchtete aber auf dem Schaltpult eine rote Lampe auf und Mathias nahm entnervt den veralteten Hörer ab. Neuere Schiffe verfügten über neurale Anschlüsse, aber für Menschen waren die Feldtelefonen ähnlichen Geräte wohl ausreichend. Am anderen Ende der Leitung (obwohl man bei einer Schiff-Schiff-Verbindung kaum von Leitung sprechen kann) war Dekan Karrok Durgal, ein lästiger Zentaur aus dem Orionnebel. „Bald ist es so weit. Bereitmachen zum Quantensprung.“

„Verstanden. Wie Flash Gordon sagte: Auf in Kampf. Oder so.“

„Wer ist Flash Gordon? Ein Mensch?“

„Vergessen Sie es. Ich bin bereit.“ Mathias legte die Hörer auf und brachte seinen Sitz in eine aufrechte Stellung und legte die Sicherheitsgurte an. Das war einer der Momente, in denen er sich wie ein Affe bei den Raketenversuchen der NASA auf der Erde fühlte.

Die Geräte seines Schiffs Bianca wurden nun vollständig von Dekan Durgals Leitschiff übernommen. Die Position veränderte sich einige Mal ruckartig um wenige Meter bevor sich das Sichtfenster aus fünf Zentimeter dickem Plexiglas den Sternen zuwandte.

Pilot erkannte einige Sternenbilder, dann geschah es.

Der Planet unter seinem Schiff leuchtete rot auf und begann sich aufzulösen während eine wahre Flut von Magnetwellen in Form von Polarlichtern über die Atmosphäre fegte. Die magnetische Entladung weitere sich auf das Schiff aus und gab ihm Schub.

Der Pilot wurde in den Sitz gedrückt und verlor beinahe das Bewusstsein. Vor der Nase des Schiffs veränderte sich der Ereignishorizont und katapultierte das Schiff in den Quantenhyperraum. Der schwarze Weltraum verlor sich in tiefem Rot mit schwarzen Konturen.


Streunerkolonie

„Unbekanntes Schiff auf Kurs 007 zu 823. Identifizieren Sie sich oder wir werden Sie abschießen. Kommen.“

Mathias lächelte. In Anbetracht der veralteten Raketenrampen, über die der Mars verfügte, war das nicht einmal mehr eine leere Drohung. Seit dem Piratenüberfall von 2034 waren die Silos leer und die Anlagen nur mehr pro Forma vorhanden.

„Identifikation erfolgte. Sternenschiff Bianca aus dem Tigris-Sektor. Ein Besatzungsmitglied. Erbitte Landeerlaubnis in Planetarstadt New Hope. Kommen.“

„Identifikation bestätigt. Willkommen zurück. Landeerlaubnis erteilt. Ende.“

Mathias brachte seinen Sitz in eine waagrechte Stellung und zog die Gurte fest. Danach stellte er das Schiff auf Autopilot und schloss die Augen. Ein kurzer Stoß der Triebwerke beschleunigte das Schiff auf beinahe Schallgeschwindigkeit und brachte es in die dünne Atmosphäre des Mars. Die Hitzeschilde begannen zu glühen bevor das Schiff die oberen Schichten durchstoßen konnte und den Schub umkehrte. Der Autopilot brachte den Sitz des Piloten wieder in die normale Stellung und der Pilot übernahm wieder das Kommando. Der Leitstrahl erfasste seine Sendeantenne und zeichnete auf seinem Bildschirm die Flugroute mit einem roten Strich vor.

Längsseits der Bianca gingen zwei veraltete Düsenmaschinen der ersten Generation auf Flughöhe und überprüften das Schiff noch einmal Visuell. Der Pilot winkte seinen Kameraden zu, deren Gesichter hinter verspiegelten Helmen verborgen waren. Unter den Flügeln trugen sie je fünf Atomraketen, die letzten der Menschheit.

Die Bianca durchstieß eine schwarze Wolkenwand und fand sich dann allein im Anflug auf New Hope. Die Abfangjäger waren also in den Wolken abgedreht, wahrscheinlich um das nächste anfliegende Schiff zu beobachten. Im Orbit hatte der Pilot mehrere Transporter von Orion ausgemacht, die Verpflegung und Waren auf den Mars bringen sollten.

„Endlich wieder Zuhause“, flüsterte Mathias und programmierte die letzten Flugvektoren. Dann verließ er seinen Posten und begann sein weniges Hab und Gut zu packen.

Der Gestank von Diesel, Öl und sonstigen Treibstoffen schlug Mathias entgegen als sich die Schleuse der Bianca wie ein gieriger Mund öffnete. Sofort kam ein kleiner Techniker vom Omicron Perseji auf Mathias zu gerannt und überschüttete ihn mit einem Wortschwall in seiner Heimatsprache.

„Nichts, danke“, antwortete Mathias uninteressiert und stieß den kleinen Techniker zur Seite bevor dieser eine Hitzeschott aufreißen konnte um es danach wieder zu reparieren.

Schließlich erschien eine Deckwache und nahm die Personalien von Mathias auf. Danach errichtete er ein Blockierschild um die Bianca.

„Wie lange werden Sie bleiben?“ fragte der Deckoffizier abschließend.

„Solange wie das reicht“, antwortete Mathias grinsend und öffnete eine kleine Sporttasche. Die Augen des Deckoffiziers weiteten sich vor Überraschung. „Sind das…?“

„Unverschnittene Duraniumkristalle, ja“, antwortete Mathias und schloss die Tasche wieder. Er schulterte sie und verließ dann den Hangar. Hinter ihm schloss sich die schwere Panzertür und versiegelte sich. Die Schleuse begann mit der Reinigung von Mathias und elf weiteren Piloten von verschiedenen Welten. Dann öffnete sich eine weitere Tür und sie betraten den Markt.

Dort herrschte dichtes Gedränge. Menschen und Außerirdische hatten dort ihre Stände oder drängten sich dazwischen. Auf erhöhten Punkten standen schwer bewaffnete Chamäloniten-Wachen mit automatischen Waffen und hielten ihre acht Augen offen.

Der Lärmpegel stieg an als die anderen elf Piloten ihre Tragtaschen öffneten und die neuen Waren auf vorbereiteten Tischen feilboten.

Nur Mathias verließ die Gruppe und wollte in der Menge verschwinden. Leider zu langsam, denn eine kräftige Hand legte sich auf seinen Schulter, packte dann seinen Arm und verdrehte ihn. „Hallo, Mathias. Doch zurück von den Toten. Wo ist das Geld?“

„Ich habe es noch nicht“, stöhnte Mathias. Seine Tasche fiel schwer zu Boden und platzte auf. Sofort löste sich der Griff und Alquasar Alhambra ging in die Knie um die Ware genauer anzusehen. „Das sollte reichen“, grinste er.

„100 Kredite schulde ich dir, nicht mehr. Das ist über 500.000 wert!“ protestierte der Pilot. Doch Alquasar lachte nur und zog eine Waffe. „Das sehe ich nicht so.“

Mathias fixierte die kleine Strahlenkanone in der Hand des Schlägers und schätzte seine Chancen ab. Sie standen natürlich sehr schlecht.

Doch in diesem Moment sprang ein Chamölonit von seinem Posten, schlug Alquasar die Waffe aus der Hand und trat ihm in die Kniekehle. Stöhnend sank der Schläger zusammen und hatte auch schon einen Lauf im Genick.

„Weitergehen. Es gibt nichts zu sehen“, befahl der Wächter und presste seinen Hals gegen die Schulter. Dann sprach er in der schnellen, zischelnden Sprache seines Volkes zu seinem Wachoffizier.

Mathias war das jedoch herzlich egal. Er packte sein Zeug und verschwand wieder in der Menge.


Alte Geschäftspartner

Leider kam Mathias auch dieses Mal nicht weit. Denn als er den Markt in Richtung seiner Unterkunft verließ bemerkte er bereits die beiden Schläger, die ihm dicht folgten und direkt vor seiner Eingangstür zu ihm aufschlossen. Mathias musste nicht lange nachdenken um zu wissen wer diese beiden schrägen Gestalten geschickt hatte.

„Ich verstaue schnell meine Sachen, dann können wir gehen. Kein Grund gewalttätig zu werden, oder?“ Vorsichtig stellte er die Tasche in dem kleinen Wohnraum ab und nahm ein Musterstück seiner Bezahlung an sich. Die beiden Schläger waren überraschenderweise mit verschränkten Armen vor der Tür stehen geblieben und nahmen Mathias nun in die Mitte. So lotsten sie ihn zu einem alten wasserstoffbetrieben Wagen, der am Rande des Marktes stand. Der linke Schläger öffnete die hintere Tür und wies den Piloten mit einer herrischen Geste an einzusteigen. Kaum hatte er sich gesetzt, schlug er schon die Tür zu und versperrte sie. Danach nahmen die beiden vorne Platz und verspiegelten die Fensterscheiben. Eine kurze Eingabe und die Computersteuerung setzten den Wagen in Bewegung.

Ihr Ziel war eines der unzähligen Lagerhäuser in der Nähe des Weltraumbahnhofs. Allerdings war dieses hier nicht so heruntergekommen und stand unter Bewachung.

Sie nahmen den Wagen genau unter die Lupe bevor sie ihn passieren ließen. Drinnen stoppte das Fahrzeug dann zwischen bis zur Decke gestapelten Kisten und die beiden Schläger nahmen Mathias wieder in die Mitte. Dann führten sie ihn tiefer in die Lagerhalle in eine Art Aufenthaltsraum.

Dort sah ein mit grünem Blut überströmter Außerirdischer auf einem Sessel und musste gerade weitere Prügel von einem Bronzegolem aus Beta-Centauri einstecken. Am anderen Ende des Raums saß auf einem erhöhten Sessel, der im Verhältnis zur restlichen Einrichtung wie ein Thron wirkte, der Besitzer dieser Lagerhalle.

Als Mathias vorgeführt wurde stand er auf sodass der lange schwarze Ledermantel von seinen Schenkeln fiel und bis zum Boden reichte. „Zurück von den Toten wie ich sehe. Zeit deine Schulden zu begleichen.“

„Gut dass du das erwähnst. Ich wollte gerade Kontakt mit dir aufnehmen als mich diese beiden netten verschwiegenen Herren bereits zu Hause abholten.“

„Mir entgeht eben nichts. Also, sind wir glücklich miteinander oder muss ich dir eine Behandlung zukommen lassen wie dem armseligen Kyrik hier?“

Bei der Erwähnung seines Namens hob der gefesselte Außerirdische den Kopf, was zu Folge hatte das die Faust des Foltermeisters in sein Gesicht donnerte, den Knochen knacken und weiteres Blut spritzen ließ.

„Mathias, du hast bestimmt Zeit. Ich muss zuerst dieses Geschäft beenden. Außerdem wartet dann noch ein Roboterladenbesitzer, der sein Schutzgeld nicht bezahlen will.“

„Du hast wohl viel zu tun, Rosi…“

Da begann der Pate zu zittern, seine Mundwinkel flatterten und eine Ader erschien auf der Stirn. Schlotternd griff er in seine Manteltasche und holte eine kleine Metalldose heraus. Darin klapperten irgendwelche Tabletten. Doch als er die Dose öffnete erkannte Mathias dass es Kaugummis waren. Einer verschwand im Mund des Paten, der sich dann langsam wieder beruhigte. „Nenn mich nie wieder so“, zischte er zwischen den Zähnen hervor und begann zu kauen.

„Also, Kyrik, wo ist meine Ware? Goldie hat dich jetzt eine Stunde bearbeitet und ich kenne noch andere Methoden. Du willst dich doch nicht selber quälen, oder?“

„Ich weiß es wirklich nicht. Der Lieferant garantierte mir er würde zustellen. Er ist...:“

„Ein Kadaver mit sieben Laserverbrennungen in der Brust. Er sagte du hättest ihm die Waren nie übergeben. Die Spur führt zu dir, Kyrik.“

„Dann hat sie vielleicht Angel genommen.“

Der Pate begann wieder zu zucken und nahm dann einen zweiten Kaugummi. Mathias vermutete dass irgendein Enzym oder eine Droge beigemengt war. „Angel würde das niemals tun. Er arbeitet für mich! Goldie, hol den Flaschenöffner. Kyrik hat wohl Durst.“

Gierig leckte sich der Außerirdische die geschwollenen Lippen. „Ja, ich habe Durst. Danke vielmals.“

Der Golem brachte dem Paten einen alten Korkenzieher mit rotem Griff und ging dann genauso wie die beiden Schläger, die Mathias hergebracht hatten, mit verschränkten Armen an der Wand in Stellung.

„Nun, dann geben wir dir etwas zu trinken“, zischte der Pate und ergriff den Arm von Kyrik. Dann setzte er den Flaschenzieher an und blickte dem schlotternden Außerirdischen in die Augen. „Sag jetzt die Wahrheit, denn das könnte wirklich weh tun“, drohte er.

„Ich sagte immer die Wahrheit“, wimmerte Kyrik. Der Pate schüttelte den Kopf und begann dann langsam den Korkenzieher einzudrehen. Als der Griff die fettige Haut von Kyrik berührte fragte er erneut: „Willst du reden?“ Doch Kyrik schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf. Während der Folter hatte er keinen Laut von sich gegeben.

„Ich habe dich gewarnt!“ Mit diesen Worten riss der Pate den Flaschenöffner aus dem Fleisch. Blut spritzte und ein leiser Schrei kam über Kyriks Lippen. Dann warf der Pate den Flaschenöffner Goldie zu. „Du hast noch drei weitere Arme und vier Beine, Kyrik. Wenn du dann nicht sprichst wird Goldie das Ding in dein Herz drehen. Alles klar?“

Kyrik nickte schnell und eifrig und begann dann zu erzählen wie ein Wasserfall. Der Pate nickte immerzu langsam und seine Miene hellte sich langsam auf. Schließlich fiel ein Name. Der Pate drehte sich zu seinen Leuten um und gab ihnen ein Zeichen: „Holt ihn euch, Goldie wird auf mich aufpassen. Und jetzt zu diesem Roboter.“

Mathias räusperte sich. „Chef, ich will nicht anmaßend sein. Aber ich habe noch andere Dinge zu tun. Würde es zu viele Umstände machen? Bitte?“

Mathias zog bereits den Kopf ein in Erwartung dass gleich Fetzen fliegen würden. Doch der Pate blieb ruhig und gefasst. „Also es geht um 150.000 Kredits und die letzten fünf Raten für die Bianca. Alles in allem kommen wir auf etwa eine halbe Million. Was hast du also anzubieten um diesen Betrag zu decken?“

„Das hier“, antwortete Mathias und kramte das Musterstück der Duraniumkristalle aus der Tasche. Der Pate fing das Stück auf und musterte es. Dann reichte er es Goldie, der das Ding mit einer Lupe untersuchte. „Unverschnitten, Boss.“

„Sehr gut. Wie viel kannst du mir liefern?“ kam der Pate sofort zur Sache.

„Vorerst 400.000. Ich muss ja noch leben“, antwortete Mathias und stieß einen Lacher aus. Doch der Pate fletschte die Zähne. „Wie viel kannst du liefern?“

„450.000 sofort. Es fallen noch Reparaturen an. Außerdem habe ich sonst noch ein paar kleinere Schulden.“

„Ich habe gehört du hast meinen Freund Alquasar ins Gefängnis gebracht. Wenn ich die Kaution nicht bezahle wandert er noch heute in den Konverter. Viel Energie würde der alte Penner nicht ergeben, aber er war immer ein verlässlicher Eintreiber.“

„Und was hat das mit unserem Geschäft zu tun?“ fragte Mathias.

„Goldie. Erklär es ihm.“

„Du schuldest dem Boss Vierfufzig und allen anderen noch mal etwa fünfundsiebzig. Sagen wir achtzig damit es ein grader Betrag wird. Also kriegt der Boss fünfdreißig Riesen von dir. Jetzt. Sonst geht es dir wie dem hier.“ In diesem Moment drehte der Bronzegolem Kyrik den Korkenzieher in die Brust. Der Körper des Außerirdischen erschlaffte.

„Ich habe nur 500.000 bekommen“, antwortete Mathias schnell, „für den Rest muss ich noch einmal raus. Ich weiß aber nicht ob Dekan Durgal mich noch einmal nimmt. Normalerweise lässt er deine Versuchskaninchen nur einmal fliegen.“

„Dekan Durgal? Lass das meine Sorge sein. Und weil wir Freunde sind zahlst du jetzt sofort nur 490.000“, sagte der Pate und reichte Mathias die Hand. Vorsichtig ergriff der Pilot sie. „Dass das aber nicht zur Gewohnheit wird, ja?“

„Natürlich nicht, Rosi.“ Die Miene des Paten wurde wieder düster „Ähm, Chef natürlich.“

„Besser. Dann gehst du jetzt nach draußen und sprichst mit Angel. Er wird mit dir gehen und meine Ware abholen.“

„Klar. Dann bis später“, antwortete Mathias und verschwand pfeilschnell.

„Anlügen kann ich mich selber“, zischte der Pate und nahm eine automatische Laserkanone aus einer Kiste, die an der Wand lehnte. „Also, Goldie. Wo ist dieser Roboter, der es nicht für nötig erachtet mir Schutzgeld zu zahlen?“

Mathias war froh den Rest der Konversation nicht mit anhören zu müssen.

Beim Wagen stand bereits Angel, ein großer Schläger mit Hakennase und nacktem Oberkörper. Auf seiner Brust waren Tätowierung eines Panthers und eines Wolfs, auf dem Rücken trug er Engelsschwingen. Er machte sein böses Gesicht als er Mathias erblickte, eben das Gesicht, dass ihm den Spitznamen eingebracht hatte. „Na sieh einer an. Wen haben wir denn da?“ feixte er und öffnete die Tür. Im Wagen saß bereits der Waffenbruder von Angel, ein Hüne namens Miro-Drago, der seine abgesägte Laserflinte auf dem Schoß trug.

„Du bist also der Kurier?“ fragte Mathias unbeeindruckt und stieg ein.

„Eher dein Aufpasser.“


Hausdrachen

Die Tür der Wohnung war eindeutig aufgebrochen worden. Zumindest sagte das Angel und wies Miro-Drago danach an den Hinterhof zu überwachen. Danach zog er selber einen Teleskopschlagstock aus den Tiefen seines Gewandes und klappte das Teil auf. Die Spitze war zusätzlich mit einer Brecheinheit verstärkt, die bei jedem organischen Lebewesen schwere Magenkrämpfe hervorrufen wurden. Vorsichtig schob er mit dem Stock die Tür auf und schlich dann hinein.

Aus dem Wohnraum waren hitzige Stimmen zu hören. Die eine Stimme gehörte eindeutig zu Mathias’ Lebenspartnerin, einer exotischen Tänzerin aus einem billigen Schuppen. Die andere klang mechanisch, wahrscheinlich ein Eintreiber der Robotermafia. Mathias hatte auch mit diesen Schurken Geschäfte gemacht und sich verschuldet. Aber seit der Machtübernahme des neuen Paten war die Robotermafia auf dem Rückzug auf allen Gebieten sodass Mathias die Quittungen dieser Schulden bereits vernichtet hatten. Nur der Roboterpate, Fat Sony, schien sie nicht vergessen zu haben.

„Wo ist das Geld?“ schepperte der Roboter erneut.

„Ich weiß es nicht. Er ist aber nicht da gewesen“, kreischte die Frau.

„Er ist seit Stunden hier. Der Don hat ihn am Port gesehen.“

„Vielleicht ist er in die Schuppen gegangen. Oder einer von euch hat ihn geschnappt. Was weiß ich, ich habe den ganzen Tag gearbeitet und bin müde.“

Eine Kreissäge sprang kreischend an. „Du wirst reden, Frau. Das garantiere ich dir.“

„Ich weiß doch nichts“, weinte sie. In diesem Moment schritt Angel ein, sprang in den Raum und schepperte seinen Schlagstock über den Schädel des Roboters. In dem roten Sehschlitz erschien das Wort Error bevor das Ding zu Boden ging. Ohne Rücksicht auf die Einrichtung riss Angel das defekte Teil hoch und schleuderte es durch das geschlossene Fenster in den Innenhof. Unten knallte Miro-Dragos Waffe, was wohl das endgültige Ausscheiden der Einheit zur Folge haben sollte.

Dann trat Mathias vorsichtig in den Raum. „Ähm, hallo Schatz. Ich bin wieder da“, grinste er und kratzte sich verlegen am Kopf. Sie war schöner als er sie in Erinnerung hatte.

Fast zwei Meter groß mit lila Haut, die mit schwarzen Flecken am Hals und den Gliedmaßen durchzogen war. Zusätzlich verliefen über den Rücken grüne Schuppen, die sich in einem etwa fünfzig Zentimeter langen Schwanz endeten. Braune Haare umrahmten das schmale Gesicht mit einer kurzen, lila Nase und haselnussbraunen Augen. Der breite, rote Mund verbarg zwei Reihen kleiner, scharfer nach innen gebogener Reißzähne und eine gespaltene Zunge. Die drei braunen Brüste waren unter einem sehr eng geschnittenen Stoffstreifen verborgen, denn eine andere Bezeichnung hatte das Oberteil nicht verdient. Es war so eng dass die Brustwarzen wie Dornen hervortraten. Die Hose ließ auch mehr offen als sie verbarg, die schwarzen Schnallenstiefel reichten zu den beschuppten Knien.

„Wo warst du?“ geiferte die Frau und trat provokant auf Mathias zu, der einen Schritt zurückwich. Aus ihrer Nase schlugen blaue Flammen.

„Unterwegs. Ich hab etwas Geld verdient.“

Sie lächelte mütterlich während ihre Zunge aus dem Mund schnalzte. „Wirklich? Ich wusste ich kann mich auf dich verlassen, Schätzchen. Wie viel denn?“

Sie nahm Mathias in die Arme und drückte ihn an ihre drei Brüste. Mathias bekam einen Moment keine Luft, dann lockerte sie ihren Griff. „Das ist das Problem“, schnappte Mathias nach Luft, „dieser nette Mann hier ist gekommen es wieder zu holen. Nur ein Teil bleibt uns.“

„Du kleiner Wurm!“ fauchte sie und drückte ihn wieder an sich. Mathias begann sich zu wehren, doch ihr Griff war zu stark. „Warte doch“, presste er heraus, „zehntausend bleiben uns doch.“

Sie stieß ihn von sich weg und sank auf die Knie. Ihre Augen leuchteten wieder. „Zehn…tausend sagst du?“ Mathias war nun auch auf den Knien, jedoch weil er keine Luft bekam. Er atmete mehrfach tief durch bevor er antwortete. „Zehntausend.“

„Wo ist das Geld. Ich muss weiter!“ mischte sich Angel ein. Er warf den abgebrochenen Schlagstock in die Ecke und ging zum zerschlagenen Fenster. „Miro, starte den Wagen!“

„In der Tasche am Flur“, antwortete Mathias und führte den Eintreiber zu seinem Schatz. Angel nahm eine Handvoll der Kristalle heraus und warf sie Mathias vor die Füße. „Der Rest geht für die Dienste von Miro und mir drauf. Alles klar?“

„Wie viel?“

„Weil du da einen Hausdrachen hast, lassen wir dir achttausend. Viel Spaß. Und sollte noch einer von der Robotermafia hier auftauchen, sag ihnen folgendes. Dieser Planet gehört nicht mehr ihnen. Sie wissen an wen sie sich wenden sollen wenn ihnen danach ist eingeschmolzen zu werden. Schönen Tag noch.“


Gute Freundschaften

Mathias’ Frau räumte das Durcheinander das die Eintreiber hinterlassen hatten zusammen, während er auf dem Sofa saß und versuchte seine Finanzen zu ordnen. „Also Rosi“, er sah sich um in der Erwartung dass der Pate gleich durch die Wand brechen würde um ihm das Licht auszublasen, „hat gesagt er übernimmt alle Schulden. Somit wird außer ein paar Ausreißern niemand herkommen, und wenn doch verweisen wir sie an Rosi.“ Wieder sah er sich ängstlich um.

„Und wie viel Geld haben wir jetzt auf der hohen Kante?“ fragte die unbeeindruckt von seinen Schlussfolgerungen.

„Mal sehen. Ein paar Kleinigkeiten habe ich noch beim Anflug bestellt“, log Mathias um zu vertuschen dass Miro-Drago und Angel noch mehr Geld genommen hatten. „Dann bleiben in etwa noch 7500 übrig.“ Ein bisschen musste er als persönliche Reserve zurückhalten, denn seine Frau würde, ob es 10 Kredits oder eine Million wären, innerhalb einer Woche alles auf den Kopf hauen. „Zusätzlich brauche ich noch 4900 für Reparaturen an der Bianca. Das macht dann 1500 für uns bis ich wieder raus muss. Aber Rosi“, ein ängstlicher Blick folgte, „wird dafür sorgen dass der Dekan mich noch einmal anwirbt.“

„Ich hoffe nur es taucht nicht noch ein Bittsteller hier auf. Sonst feg ich ihn raus wie ich diesen Roboter rausgefegt hätte wenn dieser Angel ihn nicht demontiert hätte!“

„Natürlich, Schatz“, sagte Mathias beiläufig und fing sich einen giftigen Blick ein.

„1500 Kredits. Was machen wir heute?“

„Wir sind die reichsten Leute hier im Block. Gehen wir doch in den Club.“

„Ich will heute nicht noch mehr arbeiten. Die Arbeiter aus dem Asteroidengürtel sind auf Landeurlaub und die sind so grob“, jammerte sie.

„Nana, nicht zum Arbeiten, meine Liebe. Zum Amüsieren. Mal sehen was das Rehlein so treibt.“

„Na wenn das da kein Geist ist“, begrüßte der Türsteher des 24-Stunden-Clubs die beiden Gäste und reichte Mathias die Hand. „Analbert, wie geht’s?“

„Mal so, mal so. Komm rein. Tut mir leid, Madam, nur Menschen heute.“

„Albert. Sie ist meine Frau“, flüsterte Mathias und grinste.

„Ähm, gut. Dann rein mit euch, bevor das jemand sieht. Du warst schon immer seltsam.“

Danach führte er sie zu einem kleinen Tisch in hinteren Bereich des Clubs mit gutem Blick auf die Bühne. Dort führte ein Alleinunterhalter von Omicron Perseji seine Witze auf, doch da der Humor von Omicron dem eines überfahrenen Wiesels entspricht, waren die Gäste dementsprechend wenig an seinen Einlagen interessiert.

Nachdem der erste Drink gebracht und hinuntergestürzt war, erschien der Oberboss persönlich und baute sich vor den beiden Gästen auf. „Zurück von den Toten, Mathias?“

„Wieso sagen das alle? Aber es stimmt, ich bin wieder da. Zumindest bis mir wieder das Geld ausgeht. Rosi hat mich ja schon ganz schön ausgesaugt.“

„Sag das nicht zu laut. Er ist auch da, am anderen Ende des Clubs mit einem ganzen Haufen leichter Mädels und seinen Schränken.“ Der Besitzer machte eine ungefähre Deutung in die Richtung und beugte sich dann zu Mathias runter. „Wie viel hast du denn im Moment?“

„Sagen wir einen Großen“, antwortete Mathias vorsichtig.

„Dann bezahl mal deinen Zettel vom letzten Besuch und verschwinde wieder!“

„Das ist doch nicht wahr, Mathias, oder?“ tobte seine Frau los.

„Mal sehen was da noch offen ist“, setzte der Besitzer unbeeindruckt fort, „ein ganzer Haufen Drinks, die Rechnung für elf meiner Mädchen. Reife Leistung übrigens. Dann zwei Tische, acht Stühle, ein Fenster und der Kiefer meines Barkeepers.“

„Mathias, was hast du da getrieben? Elf Mädchen?“

Mathias begann zu schwitzen. Aus den dunklen Regionen seiner Erinnerungen kam langsam ein Schatten hervor. Die Erinnerung an die große Party, die er vor seiner Abreise gegeben und danach in Alkohol weggeschwemmt hatte. Wobei zu erwähnen ist dass er die Party mit leerem Geldbeutel gestartet hatte.

„Hör zu, Christopher, ich will hier einen schönen Abend machen. Ich gebe dir die 1000, dafür bekommen wir heute Abend eine gute Show geliefert. Deal?“

„Mathias, ich dachte es sind 1500?“ fragte da seine Frau. Mathias verzog den Mund. Was für ein Ausrutscher seiner Geliebten.

„Du hast eineinhalb? Dann haben wir einen Deal. Rück die Kohle aber sofort raus.“

Unwillig wechselte das ganze Geld den Besitzer und wenigstens einer verließ grinsend den Tisch.

„Danke, Schatzi, jetzt wird es ein kurzer Abend. Von meiner nächsten Reise bringe ich einen Knebel mit“, flüsterte Mathias und stürzte den nächsten Drink. Doch seine Frau schien ihn nicht zu hören. Sie starrte einfach auf die Bühne und murmelte ab und an: „Elf Mädchen. Er treibt sich mit elf Mädchen rum und kommt dann zu mir. Was für ein Mann…“


Schwarze Post und eine sehr lange Nacht

Der Abend wurde doch länger als erwartet weil der Barbesitzer doch ein weiches Herz zeigte und doch den einen oder anderen Drink aufs Haus schreiben lies.

So kehrten die beiden Turteltauben gegen drei Uhr in der Früh nach Hause zurück. Die Tür hing noch immer schief in den Angeln und in der Wohnung selbst herrschte noch immer dasselbe Chaos. Durch das Fenster waren Abgase eingedrungen, die sich über dem Boden zu einem dichten Nebel angesammelt hatten, den die Lüftung einfach nicht absaugen konnte.

Doch beiden war das ehrlich egal und nachdem sie sich von ihren Schuhen getrennt hatten führte ihr Weg direkt ins Schlafzimmer.

Doch in der Schlafzimmertür blieb Mathias wie angewurzelt stehen bis seine Frau ihm einen Stoß in den Rücken gab der ihn aufs Bett taumeln ließ. Regungslos blieb er dort liegen.

„Was denn los, Honey?“ säuselte sie bis Mathias das Objekt des Schreckens hochhob. Eine schwarze Pfingstrose mit einem Knoten über dem dritten Stachel.

„Was hat das zu bedeuten?“

„DAS ist ein Zeichen. Ein Zeichen dass ich mit meinem Leben abschließen soll. Denn ich drei Tagen wird mir da jemand nachhelfen. Irgendjemand hat einen Attentäter auf mich angesetzt!“

„Das ist ja furchtbar.“

„Furchtbar? Furchtbar! Ich soll getötet werden und du findest da Furchtbar? Ich nenne das eine Katastrophe. Ich muss Rosi anrufen. Oder den Dekan. Irgendjemanden der mich beschützen und hier wegbringen kann. In drei Tagen. Sonst…“

„Sonst was?“

„Werde ich einen sehr qualvollen Tod sterben. Schlimmer als tausend Tode.“

„Was weiß ich. Ich bin doch nur eine kleine unwissende Stripperin aus einem verlassenen Winkel der Galaxie.“

„Was soll das wieder bedeuten?“ schnauzte Mathias.

„Nichts, Honey. Mach dir wegen mir keine Sorgen.“

Mathias raufte sich die Haare. „Ich mach mir aber wegen mir Sorgen. Ich werde jetzt Rosi anrufen.“

„Interessiert mich einen feuchten M…. Wenn ich mein Geld kriege bin ich zufrieden. Ich werde auch mein Geld kriegen. Der Dekan erwartet dich morgen gegen zehn an der Startrampe. Er braucht wohl ein Äffchen“, beendete der Pate das Gespräch und hängte einfach auf bevor Mathias eine Antwort geben konnte.

„Was erfahren?“ fragte seine Frau und brachte ihm eine dampfende Tasse Kakao. Er nahm einen Schluck und verzog angewidert das Gesicht. „Ich hasse die Marsbohnen. Schmecken wie Mist.“

„Wir haben nichts anderes, Honey, ich hatte ja kein Geld zum Einkaufen.“

„Und dank deiner großen Klappe wirst du auch in nächster Zeit keins haben, außer du schaffst welches an. Der Dekan hat dieses Mal im Voraus bezahlt. Allerdings hat Rosi alles eingesackt, wir werden keinen lumpigen Cent davon sehen.“

Mathias stürzte das Getränk und unterdrückte den Brechreiz, dann streckte er sich auf dem Sofa aus. „Ich muss jetzt schlafen. Die Bianca hebt morgen mit mir ab, nur wenn ich nicht mit an Bord bin wird mein Kopf bald rollen.“

Seine Frau nickte und streifte ihr Kleid ab. „Und was wird aus mir?“

„Heute nicht, ich muss schlafen“, jammerte Mathias und drehte sich demonstrativ mit dem Rücken zu ihr. Sie packte ihn jedoch einfach bei den Schultern und drehte ihn um. „Es ist nicht so als ob du eine Wahl hättest.“


Mietschulden und Brechfest

Mathias Plan sich am Morgen unauffällig zur Startrampe zu schleichen, sich dort mit dem Dekan zu treffen und den Job hinter sich zu bringen bevor jemand Lunte riechen konnte schlug von vorn bis hinten fehl.

Bereits um sechs Uhr morgens wurde er durch ein penetrantes Hämmern an der Tür aus seinen von seiner Frau dominierten Träumen gerissen. Darin versuchte er ihr zu entkommen, doch wie immer entkam er nicht und endete schließlich auf dem Rücken.

Auch diesen Morgen schmerzte sein Körper von ihrer sehr unnachsichtigen nächtlichen Behandlung, vor allem der zerkratzte Rücken und der Mund, in dem sich wieder einmal Haare von ihr befanden, die Mathias einer Katze ähnlich in Form eines Haarballs ausspuckte. Dann schlurfte er jammernd zur Tür und sah sich seinem Vermieter gegenüber. Ein kleiner Marsianer (die gab es wirklich und sie waren nicht erfreut durch die Menscheninvasion, die ihren Planeten zu einer Streunerkolonie machten. Aber sie waren zu wenige und zu schmächtig um sich gegen die Menschen zu wehren), flankiert von einem speziell gezüchteten Gorilla scharrte bereits. „Du zahlen Miete nach, sonst Bobo dich quetschen zu Brei“, geiferte der Marsianer, was von einem Gurren des Affen begleitet wurde, der seine gelben Zähne fletschte und dann die Fäuste vor die Brust schlug.

„Hör mal zu Gyr. Ich sage es ganz langsam dass dein Erbengehirn es vor dem Gorilla hier versteht. Ich…habe…kein…Geld. Wenn…du…welches…willst…geh…zum…Paten. Er…hilft…dir…bestimmt…gerne…weiter.“

„Du machen Geschäfte mir Rosi?“ fragte Gyr vorsichtig. Der Gorilla war bei der Erwähnung des Paten ebenfalls zurückgewichen und ergriff als Mathias die Stimme erhob schnatternd die Flucht.

„Ich würde ihn nicht so nennen, an deiner Stelle. Aber ja, wir sind sozusagen Partner.“

„Dann alles gut. Bobo, warte!“ rief Gyr und spurtete seinem Affen hinterher. Wahrscheinlich würden sie den ganzen Tag nicht mehr aus ihrer Wohnung kommen, so groß war ihre Angst vor dem Paten.

Mathias wollte sich inzwischen wieder schlafen legen als gegen sieben Uhr ein Fahrzeug mit verspiegelten Scheiben und zwei Schränken auf den Vordersitzen vorfuhr. Bald darauf stiegen sie aus und holten Mathias samt Frau aus der Wohnung. Obwohl sich seine Frau mit Händen und Füßen wehrte wurden sie in den Wagen verladen und landeten gegenüber dem Paten. Er trug einen edlen Anzug mit sehr unpassenden Springerstiefeln. Die Krawatte war schief und schlecht gebunden, was aber möglicherweise das Werk der Begleitung des Paten war.

„Ich hoffe du bist fit, Champ. Heute ich dein großer Tag“, zischte der Pate und reichte Mathias ein Glas mit Erdenwhiskey. „Trink das, macht dich wach!“

Wortlos stürzte Mathias das Getränk und sah den Paten an. „Was willst du? Und warum muss sie mit?“

„Nennen wir es Sicherung der Ware. Ich weiß dass Gyr, dein Vermieter, bei dir war. Und bevor er mich anrief um zu fragen wer deine Mietschulden deckt, hat er eine ganze Latte von anderen Leuten angerufen die wohl bald deine Bude stürmen werden. Ist aber nicht in meinem Interesse, also bist du hier. Und sie ist sozusagen deine Begleitung, das Pfand und sollte dir etwas zustoßen meine Entschädigung. Erfahrung im horizontalen Gewerbe hat sie wohl genug.“

Mathias Frau knurrte böse und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Leute wie du ekeln mich an, Mister.“

„Leute wie ich leisten uns Mädchen wie dieses Geschöpf hier. Zu allem allzeit bereit und auf Knopfdruck im Stand-By. Die Krönung der Robotik, im Moment.“

„Faszinierend“, antwortete Mathias knapp und sah aus dem Fenster. „Wo fahren wir hin?“

„Durch das mysteriöse Verscheiden eines gewissen Geschäftsmanns bin ich jetzt Besitzer einer Imbisskette. Mal sehen wie sie sich macht, sonst reiß ich alles ab und lass was Profit bringenderes bauen. Ein Bordell vielleicht mit exotischer Besetzung?“ Aus dem Augenwinkel musterte er Mathias Frau. „Aber nicht zu exotisch.“

Sie hielten vor einer heruntergekommenen Spelunke in der Nähe des Ports. Die beiden Schränke stiegen aus und sahen sich um bevor sie die Tür öffneten und alle der Reihe nach ausstiegen. Der Pate, nun mit einer Sonnenbrille, lugte über den Rand. „Was für ein Loch. Da lohnt sich nicht mal ein Bordell.“

Sie traten ein und wurden in dem Verdacht bestätigt. Fleckige Wände, beschädigte Innenausstattung und ein Haufen pickliger Teenager aller Rassen hinter dem Tresen. Nun, da der Big Boss erschienen war, herrschte natürlich Panik unter ihnen.

„Einmal Frühstück für den Champ hier und eine Morgenlatte.“

„Das macht 5,99.“

„Ich bin dein Boss, Würstchen. Außerdem hab ich ne Morgenlatte umsonst. Du bist gefeuert. Und du erledigst den Job!“ befahl der Pate und deutete auf den nächsten Mitarbeiter der sich sofort nervös an die Arbeit machte und am Kaffee verbrühte.

„Dante, ruf Angel an und sag ihm er soll den Space-Port sichern. Alle, die mir nicht passen werden, sollen verschwunden sein wenn wir hier fertig sind.“

Der Schrank nickte und verschwand nach draußen. Währenddessen nahm der Pate den Laden genauer unter die Lupe, Mathias und seine Frau wurden von dem anderen Schläger an einen Tisch gesetzt.

Schließlich wurde alles bestellte serviert und Mathias begann langsam und vorsichtig die Eier mit Speck zu löffeln. Die Eier hatten einen leicht grünen Schimmer, der Orangensaft war auch zu hell. In seinem Verdacht bestätigt spuckte schließlich der Pate seinen Kaffee aus, an dem er kurz geschlürft hatte. „Alle gefeuert. Die Bude wird noch heute abgerissen! Frühstück fällt aus, außer du willst den Dreck fressen.“

Mathias schüttelte den Kopf und stand auf. Dann folgte er in sicherem Abstand dem Paten nach draußen. Nur die Roboterfrau blieb sitzen und stopfte schließlich alles mitsamt Teller, Besteck und Tablett in den Mund. „Köstlich.“

Danach verließ sie mit dem Hintern wackelnt und klapperten Schuhen das Lokal, in dessen Fenster bereits das Geschlossen-Schild hing. Ein Bautrupp stellte Schutzblenden auf und als der Wagen des Paten losfuhr, wurde schon die erste Wand eingeschlagen.


Testreihe Zwo

Draußen brüllte der Pate bereits in ein Sprechgerät. „Mir ist egal ob das der letzte McDonalds ist. Das Ding wir abgerissen. Klar?“ Er knallte das Gerät auf den Boden dass es zerbrach. „Dante, ich brauch einen neuen.“

„Kein Problem, Boss“, kaute der Hüne und nahm hinter dem Steuer Platz. „Schon Viertel nach Acht, Boss.“

„Dann kommen wir mal in die Runden.“

Die Fahrt dauerte nicht lange, denn sie blieben im Frühverkehr stecken. Hier war es von Nachteil kein Hooverauto genommen zu haben. Schließlich ließ der Pate alle aussteigen, außer Dante, und so liefen sie zusammen zum Raumbahnhof. Dort herrschte bereits wieder reges Treiben, hauptsächlich verursacht durch die Söldnertruppe, die unter Befehl von Angel versuchte den Raumhafen zu räumen.

Zwischen verärgerten Reisenden und Händlern scharten sich auch einige alte Bekannte von Mathias, die mit Schuldscheinen wedelten. Anscheinend war seine Abreise Gesprächsstoff Nummer Eins.

„Gibt es eigentlich jemanden aus diesem Planeten, dem du kein Geld schuldest?“ stöhnte der Pate und bahnte sich einen Weg zu seinen Männern. Dann gab er kurze Befehle, die die Situation bald schon beruhigten.

Inzwischen war auch der Dekan erschienen und wechselte zuerst einige Worte mit dem Paten, danach tauschten sie Dokumente und Geld aus. Schließlich winkte der Pate Mathias zu sich. „Hier. Damit bist du nach deiner Rückkehr absolut schuldenfrei, dafür sorge ich. Dafür gehört deine Frau jetzt mir, nach deiner Rückkehr die Bianca und in einem Monat deine Wohnung. Alles klar?“

„Und wo soll ich hin?“

„Wir finden einen Job für dich“, zwinkerte der Pate und reichte Mathias die Hand. „Schlag ein, ich hab nicht ewig Zeit.“

„Was wird aus ihr?“ fragte Mathias und deutete mit dem Kopf zu seiner Frau.

„Sie wird ihren Job im Club machen, neue Leute kennen lernen und dich bald vergessen haben. Ist besser für euch beide.“

„Mein Rücken wird es dir danken“, antwortete Mathias und schlug ein. Im selben Moment hatte er ein Sklavenarmband der Raumgilde am Handgelenk. „Ach ja, und du gehörst vorerst dem Dekan. Das war der Deal. Viel Glück noch.“

Der Pate drehte sich um und ging zu seinen Leuten. Mathias sah gerade noch wie seiner Frau ebenfalls ein Sklavenarmband angelegt wurde. Dann führten ihn zwei Chamäleoniten bereits zum Schiff des Dekans, an dessen Bauch die Bianca befestigt war.

„Wohin geht die Reise?“

Aber Mathias erhielt keine Antwort von seinen Wächtern und fand sich bald auf der dunklen Brücke der Bianca wieder. Dröhnend startete das Schiff des Dekans und verließ den Mars.

Der Zentaur auf dem Deck kaute auf einer Speckseite herum während er sich mit dem anderen Vorderhuf an den Hörnern kratzte. „Wakka?“

„Ich spreche eure Sprache nicht“; antwortete Mathias und sah den Piloten fragend an. Dieser hielt ihm die Speckseite hin. Daraufhin schüttelte Mathias den Kopf. „Danke, verzichte.“

„Undankbarer Mensch“, knurrte der Pilot und fuhr mit seinem Sessel ans andere Ende der Konsole. Da betrat der Dekan die Brücke und klopfte in die Hufe. „Normalerweise nehme ich jeden Menschen nur ein Mal. Aber bei solchen tatkräftigen Argumenten…“ Er lachte verhalten und nahm auf dem Kommandosessel platz.

„Worum geht es, Dekan?“

„Wir wiederholen das Experiment vom letzten Mal, falls du dich mit deinem beschränkten Gehirn, das du zu nicht einmal einem Zehntel benützt, erinnerst. Allerdings wird die Beschleunigung verdoppelt, mindestens verdoppelt. Hoffe ich zumindest. Falls dein Schiff zerbrechen sollte, na ja. Auf jeden Fall sind wir gleich bei unserem Zielplaneten. Du könntest an Bord gehen.“

„Wir sind noch immer im Marsorbit.“

„Ja und? Dein Freund meinte wohl er macht ein gutes Geschäft. Dabei hätte er doch wissen sollen dass diese Streunerkolonie hier nicht mehr tragbar ist. Da kommt ein solches Experiment wie meines dem Rat gerade recht um das Problem nicht kostspielig lösen zu müssen.“

„Da unten leben tausende Menschen und sonstige Wesen“, protestierte Mathias.

„Die Bürger der wichtigen Welten sind informiert worden und haben den Planeten verlassen. Das da unten ist für uns nur noch Müll, kann man das so sagen?“ Der Dekan wartete die Antwort erst gar nicht ab. „Ja, Müll. Dann machen wir ihn weg. Hopp, hopp. An Bord. Start der Sequenz in dreißig Erdenminuten. Solange diese Zeitrechnung noch was gilt.“

Mathias schnappte nach Luft, doch da packte ihn ein Wachmann und schleppte ihn unsanft zu seiner Bianca. Zwei ähnlich dem Gorilla von Gyr trainierte Schimpansen befestigten fröhlich schnatternd die Gurte an dem Piloten und stellten die Instrumente ein. Dann hangelten sie sich nach draußen und schlossen die Schleuse.

Ich muss sie warnen, dachte Mathias und aktivierte die Kommunikationseinheit. „Hallo, hört mich jemand auf dem Mars. Dieses Schiff, von dem ich sende, wir den Planeten bald zerstören Hallo?“

„Raus aus dem Funknetz, du Freak“, kam die Antwort der Flugleitstelle des Raumhafens. Darum wählte Mathias die Adresse des Paten direkt an. „Rosi, du hast ein Problem. Traue keinem Zentaur, vor allem nicht wenn er deinen Planeten rösten will.“

„Nenn mich nicht Rosi!“ schnaubte der Pate und erschien auf dem Bildschirm, „und was laberst du?“

„Der Dekan will den Mars ausradieren“; antwortete Mathias kurz.

„Du nimmst mich auf den Arm. Wenn dir langweilig ist, nerv die Flugüberwachung. Ich hab zu tun. Ende und aus!“

„Mutterschiff an Bianca. Start in fünf Sekunden.“

Mathias sah nach unten. Das Flimmern, das über die Atmosphäre ging, die Energieballung, die sich über dem Nordpol bildete. Dann das Glühen, das die Kontinente erfasste, alles Wasser verdampfte und dann den Fels zerbrechen lies. Hinter der Bianca entwickelte sich eine Beschleunigungswelle. Wie von einer gigantischen Faust getroffen flog das kleine Schiff los. Die Heckflossen rissen durch die Belastung wie dürre Zweige ab und Mathias wurde so tief in den Sitz gepresst das er das Gefühl gleich zerquetscht zu werden.

Auf dem neuen Sensorenschirm sah er die Markierungspunkte, die der Dekan entlang seiner Flugbahn gesetzt hatte, vorbeiziehen. Meist waren es Sonden, ab und an kleinere Schiffe. Eines der Schiffe wurde gerade von Piraten geentert und die Crew verließ unfreiwillig ihr Schiff durch die Schleuse.

Plötzlich ging ein Ruck durch das Schiff, bei dem Mathias meinte es würde gleich zerbrechen. Doch der Ereignishorizont überdehnte sich noch einmal und plötzlich stand das Schiff still. Rund um es herum war nichts, nur tiefe Schwärze und Stille. Innerhalb der Reichweite aller Instrumente war nichts, überhaupt nichts.

„Computer. Frage: Lage?“

„Negatives Ergebnis. Frage kompensieren.“

„Wo sind wir?“

„Negative Antwort. Keine verwertbaren Parameter verfügbar.“

„Na toll. Gefangen Irgendwo im Nirgendwo. Die Heimat verbrannt von einem irren Wissenschaftler. Kann es noch schlimmer kommen.“

Da leuchtete der Bildschirm auf und ein Hologramm des Dekans erschien: „Wenn meine Berechnungen stimmen, Äffchen, befindest du dich jetzt im Nullraum. Dort ist entweder alles oder nichts, und es ist deine Aufgabe herauszufinden was da ist. Es wird wohl keinen Weg geben dich zurückzuholen, aber das ist eben der Preis. Wir werden dein Signal irgendwann empfangen. Aber du wirst dann schon lange zu Staub zerfallen sein. Auf Wiedersehen, mein Äffchen. Traue niemals einem Zentauren. Hahaha!“

„Toll, wirklich toll“, murrte Mathias und sah sich um. Da waren nur seine Sachen sonst nichts. Und natürlich die Leere des Nullraums.

Was der Attentäter wohl denken wird wenn er mich nicht findet? Oder war er auf dem Mars als er ausgelöscht wurde? Viele Fragen huschten durch Mathias Geist sodass er das grelle Licht am Ende der Schwärze nicht entdeckte.


Gott ist ein Huhn?

Plötzlich war etwas anderes an Bord der Bianca.

Mathias spürte es sofort und schreckte aus dem Schlaf hoch. Seit er alle Uhren zerstört hatte wusste er gar nichts mehr. Waren nur Stunden vergangen? Oder Tage, Wochen?

Zeit war hier irrelevant, Ort war hier irrelevant. Alles für die Katz wenn man der letzte Mensch auf Erden ist. Stimmt denn das? Es gibt keine Erde mehr, keinen Mars, wahrscheinlich keine Menschen mehr. Außer in ein paar Zoos, zur Belustigung einiger Kinder.

Der Mensch macht Männchen. Gib ihm ein Happa.

Da war jetzt aber etwas. Hinter ihm. Langsam drehte Mathias sich um und sah eine seltsame Lichterscheinung im Raum schweben. Als er sie genauer betrachten wollte nahm sie eine Form an. Die Form eines riesigen Huhns, das mit der linken Kralle am Boden scharrte und dann nervös zu gackern begann.

„Ich glaube ich bin wahnsinnig geworden. Da steht ein Huhn im Raum“, murmelte Mathias und rieb sich die Augen. Da legte das Huhn doch glatt ein Ei auf seine Brücke.

„Hey, ein Frühstück!“ rief Mathias und stand auf.

„Finger weg. Das ist der neue Messias!“ gackerte da das Huhn. Erschrocken sprang Mathias in seinen Sessel zurück und riss die Arme hoch. „Tu mir nichts.“

„Natürlich werde ich den ersten Menschen seit ich euch erschaffen habe, der es bis zu mir schafft töten. Was für ein Gott wäre ich?“

„Ein schlechter Gott?“ fragte Mathias und überlegte parallel. Ein Gott?. Gott ist ein Huhn?

„Das könnte hinkommen. Also was willst du?“

„Was ich will?“

„Du wirst ja wohl auf der Suche nach mir gewesen sein wenn du schon hier landest“, antwortete das Huhn und scharrte weiter.

„Ich weiß nicht. Vielleicht nach Hause. Da fällt mir aber ein dass mein Zuhause weg ist. Zwei Mal von irgendwelchen Außerirdischen zerstört.“

„Argh, das meine Schöpfungen sich immer gegenseitig zerstören müssen“, ärgerte sich das Huhn und sah das Ei an. „Und mein Sohn tut ja auch selten was dagegen. Das letzte Mal als ich ihn raus gelassen habe, ließ er sich an ein Kreuz nageln.“

„Und jetzt? Was wirst du tun?“

„Alles wieder herstellen. Schließlich bin ich Gott. Alles zurück zum Ursprung, der Messias auf die Welt und mal sehen wie sich dieses Mal die Dinge entwickeln. Oder hast du eine bessere Idee?“

„Das nächste Mal vielleicht nicht als Huhn auftauchen? Und mich mit einer Alienfrau bestrafen?“

„Mal sehen wonach mir ist. Aber das mit dem Huhn werde ich beherzigen.“ Da gackerte das Huhn.


Alles beim Alten – nur Gott ist jetzt ein Hahn

Die Bianca schwebte im Orbit über der Erde. Welch Perle in diesem Sonnensystem. Daneben der graue Mars, gerade besiedelt und am Siedepunkt des Terraformingsprogramms. Mathias verfolgte den Datenstrom und stellte fest dass die Ladung komplett war. „Alles zum Starten vorbereiten!“

„Antrieb bereit“, antwortete der Zentaur am Steuer und sah über die Schulter. „Nicht schlagen, bitte.“

„Warum sollte ich Sie schlagen, Durgal. Sie machen Ihre Sache doch gut.“

„Danke, Herr“, schleimte der Pilot und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.

„Waffen bereit. Aber keine Piratenaktivität“, meldete Dag Durnik von hinten. Auch er zog den Kopf in Erwartung von Prügeln ein.

„Keine Sorge, Dag“, beruhige Mathias ihn, „es gibt keinen Grund Angst zu haben. Außer vor meiner Frau.“ Er lachte, doch in diesem Moment öffnete sich zischend das Schott zur Brücke.

„Mathias!“

Der Kapitän der Bianca sank in seinem Sessel zusammen und zog den Kopf ein. „Ja, Schatzi?“ Vorsichtig drehte er sich um und sah seine wunderschöne Frau an, die im Moment leicht rot vor Wut war.

„Warum ist deine Koje nicht aufgeräumt?“

„Macht ich sofort, Schatz“, sagte Mathias und sprang auf. Während das Schiff sich langsam in Bewegung setzte schlich er zu seinem Quartier, unter den wachsamen Augen von Bianca. Die beiden anderen Crewmen grinsten sich an, wohl wissend dass nicht nur sie einstecken mussten.

Als Mathias seine Koje zusammenräumte erschien in einem Nebelgebilde der Kopf eines Hahns. „Besser so?“

„Sie sind noch immer ein Huhn? Wie soll ich Sie eigentlich nennen?“

„Irgendwie gefällt es mir als Huhn. Und nenn mich Doug.“

„Also Doug. Alles schön und gut. Nur mussten Sie mich mit diesem Drachen bestrafen?“

„Den hast du dir doch selber ausgesucht“, lachte Doug und verblasste langsam. „Grüß den Paten von mir“, rief er bevor das Gebilde ganz verschwand.

„Den Paten?“ murmelte Mathias. Da aktivierte sich auch schon ein Kommunikationskanal und ein bekanntes Gesicht erschien. „Alles senkrecht, Champ?“

„Kann nicht klagen, Rosi.“

Der Pate verzog sein Gesicht. „Nenn mich nicht so. Gute Nachrichten. Die Schulden sind nun beglichen und ich glaube dass…“

Mathias hörte nicht mehr hin. Dieses Sternentagebuch würde viel besser laufen als sein Altes. Sein altes Sternentagebuch, das versteckt unter seinem Kopfkissen lag und die Ereignisse zusammenfasste bevor er Gott – Doug – traf.

Unbewusst hob er das Kopfkissen an und erschrak. Es war weg. Da betrat Bianca die Koje und musterte sie abschätzig. Sie hielt das Buch in Händen. „Statt solch seltsame Geschichten zu schreiben solltest du öfter aufräumen. Aber für den Moment reicht es. Machen wir lieber etwas Schmutz. Oder etwas schmutziges?“

Das ist eine Realität die mir gefällt.

Nicolai Rosemann

16.06.2008

Begegnung bei Nacht

Eisige Nacht herrschte, als sie durch die verlassenen Straßen der Stadt lief.
Die Arme fest um den Körper geschlungen und den Kopf gesenkt irrte sie ziellos umher.
Sie zog den Kragen ihres Parkers soweit es ging über die Ohren und vergrub ihr Kinn darin. Die
Kapuze des dünnen Pullovers schlug jedes Mal vom heftigen Wind erfasst wieder zurück und sie
versuchte, sie tiefer ins Gesicht zu ziehen. Ein verzweifelter Versuch, sich vor der beißenden Kälte zu schützen.
Der Wind heulte gespenstisch und raschelte stürmisch in den Baumwipfeln, die bedrohlich
schwankten und unheimliche Schatten warfen.

Sie hauchte abermals in ihre Hände, doch der heiße Atem genügte kaum, das taube Gefühl in ihren Fingern zu vertreiben. Der eisige Wind schien bis in ihren Kopf einzudringen und sie versuchte den Nebel, der sich um ihre Gedanken legte, zu vertreiben, gegen die lähmende Umarmung der Kälte anzukämpfen.
Fest rieb sie die Hände aneinander, so fest, dass es hätte wehtun müssen, doch Schmerz spürte sie schon lange nicht mehr, nicht mehr körperlich. Nur tief in ihr nagte er an ihrer Seele, ihrem Geist.

Als sie an einer Kirche vorbeikam, sah sie eine gebeugte Gestalt, die auf den Stufen saß. Sie
blinzelte in die Dunkelheit und erkannte einen Mann mit grau meliertem Haar und zerschlissenem Mantel, er war älter als sie, doch wie alt vermochte sie nicht zu schätzen.

Dann sah er auf und obwohl sie sein Gesicht nun deutlich sehen konnte, konnte sie seine Augen
nicht erkennen. Es war, als lägen immer alle Schatten auf ihnen, egal wohin er blickte. Für einen
winzigen Moment glaube sie, dass seine Augen alles Licht in sich aufsaugen würden, vergaß diesen Gedanken aber sofort wieder. Zurück blieb ein Gefühl, das sie irgendwo ganz tief drinnen bis aufs Mark berührte.

"Komm her", sagte er plötzlich mit alter Stimme, "es wird gleich regnen."
Überrascht blickte sie in den Himmel. Jeden Stern hätte man sehen können, kein Wölkchen
bedeckte den Mond.

"Ich denke nicht, dass..." noch ehe sie ihren Satz beenden konnte, fiel ein erster Tropfen mitten auf ihre Nase und ließ sie verstummen.
Verblüfft sah sie wieder zu dem Mann. Sein Gesicht war von Hunger und Elend gezeichnet, dunkle Ringe lagen unter den noch immer nicht erkennbaren Augen, er hatte einen typischen Drei-Tage- Bart und lächelte müde. Und doch lag eine Schönheit in ihm, die sie nicht beschreiben konnte. Seine Züge wirkten auf eine unbeschreibliche Weise edel und weise, sie war sich sicher, dass er nicht immer auf der Straße gelebt hatte.

Der mittlerweile heftiger werdende Regen prasselte beharrlich auf sie nieder, während sie noch
immer ihren Gedanken nachhing.
"Na los, komm schon", die Stimme riss sie aus ihrer Trance, "ich tu' dir nichts!"
Sie schüttelte eilig den Kopf, atmete einmal tief durch und sah einen Moment lang zögernd auf
ihren kondensierten Atem. Dann lief sie schnell zu den Stufen und nahm neben dem Mann Platz.
Und plötzlich schämte sie sich. Sie, die es ihr eigentlich an nichts zum Leben mangelte, saß hier,
neben einem Obdachlosen. Sie hatte kein Recht dazu, fand sie, ihr ging es nicht halb so schlecht wie ihm. Und doch...

"Mach' dir keine Sorgen“, er lächelte gütig, "jeder braucht ein bisschen Schutz an solchen Tagen."
Hatte er ihre Gedanken gelesen? Sie wusste es nicht, nickte nur.
An solchen Tagen, hatte er gesagt. Ja... gestern noch war alles anders gewesen.
Sie dachte daran, wie sie müde nach der Beerdigung ins Bett gegangen war. Etwas weiches, warmes hatte sich an sie ihre Beine gedrückt und sich dann neben sie gelegt. Ihr Kater, Flash Gordon, benannt nach einem alten Comic-Helden, funkelte sie aus smaragdgrünen Augen an, bevor er sie in den Schlaf schnurrte.
Als sie am nächsten Morgen erwachte, war ihr schwarz-weiß getigerter Freund bereits fort.
Sie ging in die Küche und als ihr Blick auf die Fliesen fiel, schlug sie die Hand vor den Mund und
taumelte schockiert gegen den Türrahmen. Ihr wurde schlecht.
Mit klopfendem Herzen starrte sie auf Flash Gordon, der inmitten der Küche lag, sein Körper
merkwürdig verdreht. Die Pfoten lagen verrenkt halb unter seinem Körper, das Genick war
gebrochen und unnatürlich weit nach hinten gebogen. Der Kater stierte ihr aus aufgerissenen Augen entgegen. Er war tot, vermutlich unglücklich vom Schrank oder dem Tisch gefallen.

Der Anblick der toten Katze ließ sie würgen, Tränen schossen ihr in die Augen. Nicht auch noch er, dabei war er doch ihr einziger Trost. Das war zu viel, viel zu viel. Sie presste die Hand fester auf den Mund und rannte aus dem Haus.
Sie hatte nicht bemerkt, wie viel Zeit seither vergangen war, dass sie einen ganzen Tag über einfach so durch die Gegend lief.

Als sie sich nun umsah, stellte sie fest, dass sie gar nicht richtig wusste, wo genau sie sich befand.
Neben irgendeinem Fremden, und wer weiß, er konnte sogar gefährlich sein. Aber würde sich
jemand mit bösen Absichten ausgerechnet Schutz bei einer Kirche suchen?

"Wunderschön..."
Sie sah zur Seite und blickte ihn fragend an. Er deutete mit dem Kinn in Richtung eines
Rosenstrauchs. Sie folgte seinem Blick und entdeckte lauter Knospen und Blüten von Pfingstrosen,
auf die der Regen trommelte.
"Aber was soll schön daran sein, der Regen wird sie zerstören...", warf sie ein.
Doch der Mann schüttelte den Kopf. „Manchmal scheinen die Dinge nur auf den ersten Blick
zerstört.“
"Ich verstehe nicht..." "Schau genau hin!" Sie tat wie ihr geheißen und betrachtete die Rosen
genauer. Da! Jetzt sah sie es, der Regen zerstörte nicht die Blüten, vielmehr brachte er sie dazu, sich zu schließen. "Manchmal muss man das Leben verstecken, um es zu schützen."
"Aber manchmal kann man es nicht schützen..." meinte sie leise, "und dann kann man sich auch
nicht mehr beschützen lassen."

Sie schwiegen eine Weile, dann vernahm sie das Rascheln seines Mantels, als er sich vorbeugte, um eine Blüte abzupflücken. Dabei fiel etwas aus seiner Manteltasche, was er augenscheinlich nicht bemerkte. Es war ein zerfetztes und abgenutztes kleinen Notizbuch.
Nachdenklich ließ er sich zurücksinken und drehte die Blüte zwischen seinen behandschuhten
Fingern.

Sie zögerte kurz, rutsche dann ein winziges Stück vor und hob das Buch auf. Sie warf einen Blick
zur Seite, doch es machte ihm offensichtlich nichts aus. Die Seiten waren vergilbt und teilweise
zerfetzt. Doch was sie am meisten verwunderte, war die Tatsache, dass es vollkommen leer war.
Zeitungsausschnitte lagen lose zwischen den Seiten. Sie nahm einen davon und versuchte zu
entziffern, was die Zeit hatte verblassen lassen. Als sie das Foto sah, weitete sie verblüfft die
Augen.
"Frecce Tricolori !" stieß sie überrascht aus. Die Kunstfliegerstaffel war auf dem Bild abgedruckt, in bunten Farben flogen die Piloten ihre Runden. Es war der Tag, an dem das Unglück passierte, der Tag, der so viele Leben forderte...

"Wieso trägst du das bei dir?" fragte sie unvermittelt. "Ich war dort", antwortete er knapp.
Sie öffnete überrascht den Mund. "An dem Tag? Ich meine, als das hier..." sie deutete auf den
Zeitungsausschnitt und blickte ihn dann an. Seine Miene war unverändert.
"Warst du unter den Zuschauern?" Er schwieg weiter.

"Tut mir leid, ich wollte nicht..." "Es ist in Ordnung." Er räusperte sich.
"Ja, an dem Tag war ich dort. Ich war dabei." "Oh mein Gott...", sie schluckte schwer, "das muss
schrecklich gewesen sein."
Er zuckte mit den Schultern. "Nun, eigentlich war es sehr alltäglich."
"Was?!" Sie wich instinktiv zurück und sah den Mann entsetzt an.
"Der Tod ist allgegenwärtig", fuhr der alte Mann fort, "daran ist nichts Schreckliches."
"Wie kannst du so etwas sagen!" Entrüstet warf sie ihm das kleine Buch in die Arme. "Du hast nicht das Recht, das zu sagen! Der Tod ist grausam, er ist unmenschlich, einfach nur unfair und
zerstörerisch."
Sie spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde und ihre Augen brannten. "Er hat mir so viel genommen, wie kann das nicht schrecklich sein?"
"Du hast jemanden verloren", antwortete er ruhig, "es ist nicht lange her. Aus deinen Worten spricht tiefe Trauer und Zorn, das ist normal."
"Gar nichts ist normal!", schrie sie ihn an, verzweifelt gegen die Tränen ankämpfend, "Was weißt
du schon! Ja, ich bin traurig, und ja, wütend bin ich auch. Sehr wütend. Ich habe meinen Bruder
verloren, und dann auch noch den einzigen Freund, der mir Trost spenden konnte."

Ihre Stimme brach, sie konnte nicht mehr reden. Wehmütig dachte sie an den Morgen zurück. Nie wieder würde sie ihr Gesicht in dem weichen Fell der Katze verbergen, nie wieder das Lachen ihres Bruders hören.
Sie schluchzte.

"Tod ist nicht das Gegenteil von Leben", meinte der Mann plötzlich. Sie verstummte und sah ihn
aus tränenüberströmtem Gesicht an.
Dann fuhr er fort: "Das Gegenteil von Tod ist Geburt. Das Leben ist nur der Schritt dazwischen, der
Weg, dessen Abbiegung der Tod ist."
"Du meinst, der Tod ist sein Ende", warf sie bitter ein.
"Nein."
Die Ruhe, mit der er sprach, machte sie schier wahnsinnig.
Armer, alter Mann... wie lange mochte er wohl schon hier leben? Er war verwirrt, das musste es
sein.

"Das Leben endet nicht mit dem Tod, es ist nur ein weiterer Schritt auf der Reise." Als er daraufhin nur eine stumme Frage erntete, setzte er sich aufrecht hin und sah gerade aus.
"Der Tod ist wie das Universum", begann er, "es ist unendlich groß, unerforscht und fremd. Und
weil es so fremd ist, wirkt es auf die meisten bedrohlich.
Nehmen wir einmal die schwarzen Löcher. Die Menschen wissen, dass es im Universum
massenhaft dieser Phänomene gibt. Doch nur, weil sie gefährlich sind, muss das nicht heißen, dass es nicht auch andere Dinge gibt.
Wie viel weißt du über schwarze Löcher?"

Die Frage kam so unvorbereitet, dass sie einen Moment brauchte, um eine Antwort zu formulieren.
"Nun, nicht viel." Sie trippelte mit ihrem Fuß auf der Treppe auf und ab. "Sie verschlingen Licht."
"Ja, das tun sie. So, wie der Tod Leben verschlingt, nicht wahr?"
Sie wandte den Kopf und er fuhr fort: "Doch hast du mal darüber nachgedacht, wo das Licht landet?
Es ist nicht plötzlich weg. Niemand kann sagen, wieweit der Ereignishorizont eines schwarzen
Loches reicht, wohin er greift. Denn niemand kann es ausprobieren und anschließend davon
berichten.
Und nicht anders ist es mit dem Tod."

Sie dachte über diese Worte nach und plötzlich waren ihre Gedanken auf merkwürdige Weise klar,
gestochen scharf konnte sie die Wahrheit erkennen, die einzig richtige, das große Ganze. Es war nur ein winziger Augenblick, weniger als ein Herzschlag lang, da war es zum Greifen nahe. Doch je mehr sie sich bemühte, den Gedanken festzuhalten, um so mehr entglitt er ihr. Zurück blieb nur tiefe Leere.
Als sie den Mann erneut ansah, hatte sich etwas verändert. Sie wusste nicht genau, was es war, doch es war nicht der selbe, alte, gebrechliche Mann wie noch Augenblicke zuvor.
Er wirkte plötzlich jünger, kraftvoller. Die Stimme, mit der er eben gesprochen hatte, wirkte nicht mehr brüchig, rau und dünn. Viel eher dunkler, tiefer und auf eine gewisse Weise auch irgendwie geheimnisvoll.
Sie erschauderte, Gänsehaut kroch ihr über den Rücken. War es eben schon so kalt gewesen?

"Deine Worte klingen so... wahr." Sie war selbst überrascht über das, was sie sagte.
"Ich möchte dir gern glauben, dass es irgendwie weiter geht. Doch es tut so weh..."
"Ja, das weiß ich. Und es wird immer weh tun.
Doch es wird sein wie eine Wunde. Zunächst wird es schmerzhaft sein, mit der Zeit wird sie
verheilen und schließlich bleibt eine Narbe. Sie schmerzt noch, wenn man sie berührt, aber man
kann damit umgehen.
Es wird leichter, ich verspreche es dir."
Sie lächelte traurig. "Du kennst dich wohl aus, was?"
"Ich habe lange Erfahrung", antwortete er nur. Dann bedachte er sie mit einem merkwürdigen Blick.
"Du sollst es leichter haben, mir zu glauben."

Sie zog die Knie an und zupfte nervös am Saum ihres Parkers.
"Achja, und wie?" wollte sie wissen.
"Ich mache dir ein Geschenk. Es ist die absolute Ausnahme, doch du sollst wissen, dass der Tod
nicht der Böse ist. Eigentlich bist du gar nicht auf ihn wütend, sondern auf dich selbst. Auf alles und auf nichts."
Sie wusste, dass er Recht hatte.
"Du sprichst von dem Tod wie von einer Person, einem alten Freund..."
Der Mann lächelte geheimnisvoll und zum ersten Mal konnte sie seine Augen sehen. Sie waren
unendlich wie das Universum, tief schwarze Dunkelheit war in ihnen und doch waren sie so bunt
und schillernd als spiegele sich das Polarlicht selbst darin wider.

Die Kälte, die sie empfand, schien von dem Mann auszugehen, und obwohl sie fröstelte, verschaffte
es ihr angenehme Klarheit.
Jedenfalls wenn man von den Streichen absah, die ihre Augen ihr spielten. Wie lange hatte sie nicht mehr geschlafen?
Der Mann wirkte blasser, fast, als wäre er gar nicht richtig hier. Sie musste wirklich sehr erschöpft sein.
Sie schloss müde die Augen und ließ den Wind über ihr Gesicht streichen. Als sie die Augen wieder öffnete, war der Mann verschwunden.

Tief durchatmend stand sie auf.
Als sich etwas Warmes, Weiches an ihre Beine drückte, lächelte sie zufrieden. Sie sah hinab und
blickte in die funkelnden smaragdgrünen Augen ihres getigerten Freundes.
Sie nahm den Kater auf den Arm und drückte ihr Gesicht in sein Fell. Ein kostbares Geschenk, das er ihr gemacht hatte, und sie dankte ihm dafür.

Was für eine seltsame Nacht, dachte sie, während sie mit ihrem Freund nach Hause ging.
Es bestand kein Zweifel, und zu ihrer größten Verwunderung schien es sie gar nicht zu beunruhigen, welch mysteriöse Begegnung sie hinter sich hatte.
Sie hatte sich gerade mit dem Tod unterhalten...

Avelina Rimada Ruiz

Mit fremden Augen

Was da oben vorging war uns eigentlich immer egal, wir sahen nur gelegentlich die Ergebnisse und versuchten ihnen aus dem Weg zu gehen. Bei der Größe des Ozeans kein schwieriges Unterfangen, vor allem seit die ganzen Jäger sich mit uns geeignet hatten nur das nötigste zu tun um selber zu überleben. Zumindest solange da oben die Geschehnisse tobten. Alles zog sich in Summe über knapp 20 Jahre, und danach wurde es so ruhig dass wir danach an Land gingen um nach dem Rechten zu sehen. Wir blieben dann gleich dort, denn es war niemand mehr da um uns das Gebiet streitig zu machen. Die ganzen ach so intelligenten Säuger auf zwei Beinen, die Maschinen benutzten und die Welt nach ihrem Willen umformten, waren verschwunden. Nur mehr ihre zerstörten Behausungen waren ein Zeugnis ihres Seins.

Als Delphin lebt es sich einfach. Den meisten Meeresbewohnern ist man an Intellekt überlegen, was aber keinesfalls ein Ersatz für Größe oder ein paar Reihen scharfer Zähne sind. Und natürlich sind nicht alle vor Zähnen starrende Monster dumm. Haie, zum Beispiel, können ganz gewieft sein wenn sie wollen. Aber meistens beschränken sie sich auf zwei Dinge: schwimmen und fressen.
Da sind die Wale schon besser. Ihre Gesänge reichen weit und dienen zum Informationsaustausch. Wie Tratschweiber, deren Tisch der Ozean ist. Ihre Lieder sind vergleichbar mit dem, was die Menschen klassische Musik nannten. Klassisch im Sinne dass es nie aus der Mode kam.
Je tiefer man kommt, desto verschiedener sind die Lebewesen, die man antrifft. Sie werden immer weicher und oft kleiner. Erst ganz unten, wo es wieder warm wird, gibt es Monster, die noch größer sind als die Wale oder Haie. Es sind Haie, aus grauer Vorzeit, gefangen zwischen der Wärme des Erdbodens und der Kälte der Ozeane. Doch würden sie nach oben kommen, bei meinen Flossen, wir wären nur ein Buffet für sie.

Ich will aber nicht mehr über meine Nachbarn lästern.
Eigentlich will ich über die Menschen berichten, die alles hier oben als total selbstverständlich ansahen. Sie ebneten Berge ein oder schufen neue, je nachdem. Wir sind nicht dazu fähig, und haben es auch nicht nötig, will ich mal betonen. Die Meere geben uns alles was wir brauchen, also wozu was ändern.
An Land ist es, zumindest seit wir hier sind, auch nicht anders. Wir mussten nicht Berge erschaffen, unsere Bedürfnisse sind jedoch anders. Zum Fressen gehen wir noch immer zurück in die Heimat, das Wasser. Aber an Land ist es sicherer, keine Jäger, die aus Spaß töten. Keine Rabauken, die dich nur aus Spaß jagen und töten, wie die Orcas, die jetzt wieder zahlreich die Meere unsicher machen. Wie die Wölfe, die sich an Land nur langsam und vorsichtig an uns heranwagten und nach einem kurzen Gespräch wieder respektvollen Abstand einhielten.

Die Menschen waren, wie wir von den Wölfen erfahren haben, anders. Sie waren nie zufrieden, und beneideten sich gegenseitig.
Wir verfolgten ihr Handeln so gut es ging aus sicherer Entfernung, manchmal wagten wir uns auch näher ran und warnten sie. Doch die Menschen, in ihrer Arroganz, sahen unsere Gesten als Versuch mit ihnen zu spielen.
So kam es wie es kommen musste. Irgendwann sahen wir viele Schiffe auslaufen und Maschinen durch die Luft fliegen. Andere rollten in Küstennähe vorbei ins Landesinnere.
Da schrillten bei uns schon alle Alarmglocken und wir begannen die anderen zu warnen. Die Wale nahmen unsere Warnungen sofort ernst und verbreiteten sie mit ihren Gesängen. Die Haie brauchten länger, und haben sogar ein paar unserer Boten gefressen.
Wir Delphine waren sozusagen das Streichholz, das das Feuer entzündet hat.
Dann begann das Sinken. Immer mehr der Schiffe kamen als riesige Geschosse nach unten, total verfetzt und zerschossen. Einige von uns im Wasser konnten den Trümmern nicht ausweichen und wurden verletzt, viele sogar erschlagen.
Andere Schiffe, die wie wir unter Wasser dahin zogen, waren die schlimmsten. Sie schossen lange Dinge ab, die manchmal auch uns trafen. Und diese Geräte, die sie benutzten um sich zu finden, sie schmerzen in unseren Ohren und trieben uns beinahe zum Wahnsinn.
Wir zogen uns so tief zurück wie wir konnten, doch Wale und Delphine mussten ja immer wieder hinauf zum Atmen.
Da kamen uns zum Glück die Riesenkraken zu Hilfe und schlugen riesige Höhlen in die Felsen, in die sie Luftblasen setzten. Einige von uns konnten so gerettet werden, andere blieben wie ich unbelehrbar und stiegen immer wieder auf. Wieder andere erstickten einfach.
Ich, zu meinem Teil, ging eigentlich nur wieder hinauf um zu sehen was da vorging. Die Flugmaschinen wurden immer weniger, die Schiffe auch. An Land traute ich mich bald nicht mehr, weil es dort noch schlimmer war wie auf See.
Dazu kam die dauernde Hitze. Die Wasser brodelten oft und waren manchmal so heiß dass nur die Tiefe der Meere Linderung schenken konnten.
Schließlich endete alles, von einem Tag auf den anderen. Alles war weg. Alle Schiffe, als Flugmaschinen, alle Landmaschinen. Riesige Landstriche waren abgebrochen und ins Meer gestürzt.
Wir, die Gelehrten der Meere, konnten mit den Puzzlestücken, die dadurch ins Meer gespült wurden, bald etwas anfangen. Wir benutzten Landkarten, Schriften und schließlich sogar einige Geräte um alle aufzuklären.
Die Menschen hatten sich kurz gesagt selber verschlungen. Um Gebiete war es gegangen, Ressourcen und natürlich die Macht. Die Menschen waren Barbaren, die mächtige Waffen haben. Mehr als Zähne, Flossen und Fangarme. Mit diesen Waffen stürzten sie sich in den Untergang.
Sie verdammen die Übeltäter wohl selber. Obwohl, eher nicht. Es ist ja niemand mehr übrig, der verdammt werden kann. Und noch weniger jemand, der verdammen könnte. Kein Mensch ist übrig, alle sind dahin gegangen. Verbrannt, ertrunken, erschossen, verstrahlt.

Genau das ist das Problem.
Die Welt, ein Grün und freundlich, ist nur noch ein Land aus Glut, Flammen mit Aschenregen. Kein Land, in dem man gerne verweilt. Aber die Wasser sind vergiftet und verstrahlt. Alles stirbt, in allen Tiefen, an allen Orten.
Die Erde ist ein wüstes Feuerland, bald ohne Leben. Bald werden nur noch die Lavaströme und das Gift seine Kreise ziehen.
Ob an Land oder im Wasser, überleben werden wir nicht lange. Viele sind schon gestorben, noch viel mehr haben sich selber das Leben genommen.
Schrecklich ist was geblieben ist. Die Flossen voller Schwielen, die Augen eitrig. Der Kopf schmerzt und der Atem brennt schlimmer wie der heiße Boden.

Meine Zeit ist knapp, wie gesagt schmerzt alles.
Ich werde den einfachsten Weg wählen. Den Weg, den auch die meisten verbliebenen Landbewohner wählen. Die Ratten bringen aus den Ruinen der Städte Pulver, in riesigen Menschen. Sie nennen es Rattengift, und sagen dass es verwendet wurde um sie zu töten.
Es soll ein einfacher Tod sein, im Verhältnis zu dem, was denen widerfährt, die gar nichts tun. Die in Krämpfen durch das Meer treiben, mit den Flossen schlagen und schrill kreischen bevor ihre Stimme versagt und sie schwer zum Grund sinken, zu den unzähligen anderen, die vor ihnen starben.

So, leb wohl, du einst schöne Welt. Du warst eine wunderbare Perle in der Größe des Ganzen.
Nun bist du ein schwarzer Schandfleck im Nichts, entstanden durch die Arroganz der sogenannten Zivilisation.
Ich spüre wie das Gift langsam wirkt. Es schmerzt, jedoch nicht so sehr wie es sein muss in den Krämpfen zu gehen.
Ich habe die Welt gesehen, mit meinen und mit fremden Augen. Ich hoffe irgendwann kann das wieder jemand tun. Wenn sich dieser Ort erholt hat und wieder Leben einkehrt. Irgendwann...

Nicolai Rosemann

15.06.2008

21 Tipps, wie man ein richtiger Mann wird

  1. Sag nie „nein“ zu Sex! Quantität ist gleich Qualität.
  2. Vergiss alles, was die Ärzte sagen. Impotenz ist ein Tabu!
  3. Ruf nie als Erster an!
  4. Gib deinem Penis einen Namen!
  5. Sei von Zeit zu Zeit etwas schwierig!
  6. Denk daran, dass Männer mit vielen Freundinnen nicht unattraktiv sind.
  7. Frag nie um Rat, wenn dein Auto kaputt ist. Das ist ein Zeichen der Schwäche. Geh lieber gleich in die Werkstatt!
  8. Ignorieren ist manchmal eine gute Einleitung für einen Flirt.
  9. Denk daran, dass Männer auf die Straße spucken.
  10. Zieh nie etwas an, was zum Outfit deiner Freundin passt.
  11. So beendet man als richtiger Mann eine Beziehung: „Es liegt nicht an dir, es liegt an mir.“
  12. Übertreib immer ein wenig, wenn du über Sex sprichst.
  13. Das Leben ist ein Wettbewerb, es geht darum, überall der Beste zu sein.
  14. Denk daran, dass alles, was gesagt wird, sexuell ausgelegt werden kann.
  15. Denk daran, dass wirklich viele Gegenstände an etwas Sexuelles erinnern.
  16. Sag nie „nein“ zu Freibier!
  17. Das Wort „Liebe“ gibt es nicht in deinem Wortschatz.
  18. Sage es dir immer wieder: Du bist ein guter Liebhaber, weil du immer zum Orgasmus kommst.
  19. Spiel mit dem Essen!
  20. Mach viel Fitness und Bodybuilding – tu aber so, als würdest du von Natur aus so aussehen.
  21. Denk an Bier, denk an Fußball!

14.06.2008

2377

Ein penetrantes Wecksignal reißt mich aus dem dumpfen Schweben zwischen Wachsein und Schlafen. Surrend öffnet sich die Stasiskapsel während die Nährlösung noch gurgelnd abläuft. Ein kurzer, eisig kalter Luftsog bläst die letzte dünne Schleimschicht von meinem Körper und trocknet dabei auch meine Unterwäsche.
Gähnend richte ich mich auf und erblicke das Ziel meiner Reise als großer, grauer Klotz, der bereits fast den gesamten Bildschirm der Fähre ausfüllt.
Auf dem Computerdisplay erscheint die geschätzte Ankunftszeit. 23:12:09. Also noch knapp eine Viertel Stunde bis zu den manuellen Andockmanövern. Nicht genug Zeit für ein Frühstück, aber noch schnell unter die Dusche. Die Nährlösung stinkt bereits wie vergammelter Fisch.
Neben mir wachen nun die anderen auf. Kopilot, Navigator und Techniker. Wir müssen alle wach sein zur Übergabe.
Wobei wir nicht wissen was da unten eigentlich in diesen Containern ist. Vor sechs Monaten haben wir das Zeug gebunkert und uns dann auf die lange, schwierige und gefährliche Reise gemacht. Die Reise zum Mars, einst der rote Planet. Jetzt grau vor schwerem Nebel und Regenwolken, hoffentlich bald grün vor Vegetation.
"Statusbericht?"
"Raumpiraten haben versucht sich anzuhängen. Bruder hat sie abgeschossen bevor sie nah genug waren. Keine Überlebenden", antwortet der Navigator.
"Der Ankauf der alten Laser hat sich also gelohnt", gab der Techniker seinen Senf dazu. Ein kleiner, korpulenter Typ der immer überlegen musste welchen Schraubenzieher er jetzt verwenden musste. Aber gutes Personal ist teuer, und an Geld mangelt es fast allen. So gebe ich mich mit der zweiten Wahl zufrieden und hoffe, dass bald die Kasse klingelt.

Manuelles Andocken an der Pathfinder-Station. Jedes Andocken ist eine Gratwanderung, die die absolute Aufmerksamkeit der Besatzung und ein gut koordiniertes Team benötigt. Der kleinste Fehler kann ein Inferno auslösen, der das Schiff verschlingt. Technologie wie zu Opas Zeit.
Wir sind jetzt im Stande Planeten zu terraformen, sodass sie erdähnlich werden. Doch hier haben wir wohl versagt, oder kein Geld übrig gehabt.
Doch wir überleben das Andocken und gehen nun in den Laderaum um das Umladen vorzubereiten. Dafür müssen wir die Container öffnen und sehen zum ersten Mal was so wichtig ist, dass unsere nicht gerade billige Firma angeheuert wurde.
Ich staune nicht schlecht als ich es sehe. Tannenbäume. Mehr als einhundertfünfzig einfache Tannenbäume wie es sie auf der Erde zu Tausenden gibt.
Die Crew gibt ihre Kommentare, doch bevor eine Diskussion beginnen kann erscheint der Chefverlader der Pathfinder-Station und macht uns Dampf. Er erinnert mich an unseren Techniker und scheint denselben IQ zu haben. Ob die beiden verwandt sind?

Außer den Kolonisten und der Operationsleitung ist es niemandem gestattet Fuß auf den Mars zu setzen. Noch nicht, um das noch schwache ökologische Gleichgewicht nicht zu stören.
Ist mir ehrlich egal, mein Konto ist wieder voll, die Passage samt Zinsen reicht bis zu meiner Rückkehr auf die Erde aus um dann ein paar dringend benötigte Ersatzteile zu kaufen. Vorausgesetzt meine Frau stellt nicht sofort alles auf den Kopf.
Meine Frau. Wieder ein Jahr gealtert bis ich zurückkomme. Ein negativer Effekt der langen Reise ist der Zeitunterschied. Wir sollten beide mittlerweile um die vierzig sein. Sie ist es auch, ich bin knapp 26. Den Rest verbrachte ich in Stasis auf Reisen zum Mars, zur Venus oder nach Europa. Europa, das erste erfolgreiche Terraformingprojekt. Bis es abgebrannt ist. Eine lustige Geschichte, und da wir Zeit haben will ich sie erzählen. Zeit zum Abdocken: 01:30:23.
Europa war nicht der erste Versuch einen Planeten bewohnbar zu machen. Projekte von Resort&Life sowie FutureLands liefen bereits als die bis dato unbekannte kleine Firma NewTerra eines religiösen Fundamentalisten den Auftrag bekam Europa urbar zu machen. Seltsamerweise war er erfolgreicher als die anderen Firmen, was wohl auf die bereits vorherrschenden Bedingungen zurückzuführen war. Schon im späten 20. Jahrhundert vermuteten Wissenschaftler, dass Europa sehr erdähnlich sein könnte.
Immerhin brauchte NewTerra knapp fünf Monate um den Planeten mit Flora und Fauna sowie einer Atembahren Atmosphäre auszustatten. Als die Terraformprozesse beendet waren, sollten Kolonisten in das neue Paradies weit, weit weg entsandt werden. So brachen sie auch auf, doch 24 Monate später fanden sie eine rote Hölle vor. NewTerra hatte wohl an Material gespart und so hatte ein Atmosphärenumwandler eben diese Atmosphäre entzündet und alles verbrannt. Die Kolonisten kehrten schlecht gelaunt an einem 24. Dezember zurück und ließen sich im Asteroidengürtel nieder. Seitdem treiben sie als Raumpiraten ihr Unwesen. Besser bekannt als Nicolaus und seine Erzengel. Das hat man davon wenn man Fanatiker wegschickt.
00:49:13.
Noch immer viel Zeit. Was kann ich sonst erzählen?
Mein erstes Weihnachten im Weltall erlebte ich mit 13. Meine Eltern konnten es sich endlich leisten auf den Mond umzusiedeln und die damalige Müllkippe Erde zu verlassen. Rückblickend wohl eine schlechte Entscheidung. Ein Jahr später erließ der Senat ein Reinheitsgesetz. Als Ergebnis sattelten alle großen Unternehmen um und zogen auf den Mond. Die Erde kam innerhalb weniger Jahre wieder auf einen wahrlich grünen Zweig und wurde wieder zur Perle im Sonnensystem. Blaue Ozeane, grüne Wiesen, Dschungel und Berge. Ein Urlaubsort für jedermann.
Der Mond wieder wurde trotz des Fehlens natürlicher Rohstoffe zu einer Müllkippe bis ein japanisches Konsortium auf die Idee kam ihn auszuhöhlen und den Fels zu verkaufen. Der Mond kollabierte. Die größte Katastrophe des Jahrhunderts.
Aber als ich auf den Mond kam war es noch schön. Grüne Baumplantagen unter gigantischen Glaskuppeln, dazwischen kleine, saubere Wohnanlagen aus Mondgestein. Geschäfte, Schulen, Bibliotheken, Museen und Denkmäler. Meine Eltern sprachen von der netten kleinen Siedlung im Vorort.
Ich konnte damit nichts anfangen. Ich war in Westtown, der Großstadt auf dem Kontinent Europa aufgewachsen. Ich kannte nur die Gassen rund um den Stadtteil Schweiz, die Expressbahnen nach Deutschland und Frankreich, wo ich zur Schule gegangen war, und die Expressbahn in den Stadtteil Finnland weil dort der Badesee und die Erholungsanlagen waren. Von all dem anderen habe ich nicht viel gesehen, wobei es von wunderschön bis abstoßend schrecklich ja alles geben soll. Keine Ahnung, aus dem Weltall wirkt Westtown wie ein kleiner Fleck im Nichts im Verhältnis zu Easttown, das sich über Asien und Nordafrika bis zu der Grenze der Wüste erstreckt. Am eindruckvollsten von oben ist aber Centraltown. Der gesamte amerikanische Kontinent ist davon eingenommen, die Anlagen reichen aber weit in den Pazifik hinunter und die Expresslinien nach East- und Westtown verlaufen wie schmale Adern über den Ozean.
So war diese kleine urbare Gegend auf dem Mond die sich schlicht und einfach Mondbasis 1 nannte für mich eine ganz neue Erfahrung. Ein Weihnachten, das nicht durch die Geschenke in meiner Erinnerung blieb, sondern vielmehr durch das ganze Drumherum.
In der Hauptmensa von Mondbasis 1 war ein Plastikbaum aufgestellt, der bis unter die Glaskuppel reichte weil es einfach sinnlose Verschwendung gewesen wäre ein Objekt auf der Baumfarm zu entfernen. Im Schatten dieses Baumes standen Tische und Bänke für alle Bewohner der Anlage, was in Summe keine 300 Leute umfasste.
00:20:00.
Startvorbereitungen einleiten. Einen Moment bitte.
"Alle Mann auf ihre Stationen. Startvorbereitungen beginnen ab jetzt. Start des Triebwerksvorlaufs, Lösen der Halteklemmen vorbereiten. Externe Sauerstoffversorgung kappen und auf Umluftverwertung umschalten. Checkliste beginnen."
Wo waren wir? Das erste Weihnachten fern der damaligen Müllhalde Erde.
Zum Essen gab es Rinderbraten in süßsauerer Soße, gefüllten Truthahn und Tofu. Dazu Unmengen von Beilagen, Salaten und süßen Dingen. Beinahe verschwenderisch viel, aber wie sich am Ende zeigte genau abgewogen, sodass jeder satt werden konnte und alle Teller bis auf wenige Krümel leer wurden.
Da ich erst vor einigen Tagen auf den Mond gekommen war, war dieses Fest auch die erste Gelegenheit ein paar Freundschaften zu schließen. Die nächsten Tage erkundete ich dann die Anlage, lernte die besten Verstecke und geheimen Zugänge kennen und wurde schnell als Tunnelratte bekannt, die in jeden Schlumpfwinkel kam.
So verging die Zeit bis Februar. Dann wurde ich in die Eliteklasse versetzt. Die rosigen Zeiten mit Spiel, Spaß und Freude war vorbei und wurden abgelöst von der Zeit der Gelehrsamkeit, der Ruhe und des Lernens.
00:10:00.
"Checklisten komplett. Alle Systeme auf grün. Erster Trupp Schlafkapseln beziehen." Der Reihe nach verlöschen die Bildschirme der Konsolen und außer mit und dem Navigator verschwinden alle in der Stasis. Jetzt haben wir noch zwei Passagiere aufgenommen. Begutachter der planetaren Regierung, die Kofferweise Datenkristalle mit ihren Ergebnissen mitführten. Tannenbäume gegen zwei Anzugträger mit mehr Informationen als mein Schiffscomputer verarbeiten könnte.
Seltsame Zeiten sind das, Weihnachten 2377. Ob ich meiner Frau einen Gruß senden soll? Wäre wohl sinnlos, die Nachricht käme gegen Mitte Januar erst an. Vorausgesetzt irgendein Satellit leitet sie nicht falsch um, verstückelt sie oder lässt sie gar ganz verschwinden.
00:05:31.
Es ist wohl Zeit diesen Eintrag zu beenden und mich selber vorzubereiten. Die Abdockprozedur ist bereits eingegeben und muss nur noch begonnen werden. Sauerstoff- und Treibstofftanks sind voll, Notfallsysteme an meinen Kapseln angeschlossen. Wenn was sein sollte werde ich innerhalb einer Minute wach und einsatzbereit sein, gepusht durch eine Ladung Adrenalin.
00:03:10.
Ich nehme Platz in meiner Kapsel. Der Rest ist bereits wieder in der Schwebe zwischen Wachsein und Schlafen. Mahlend bewegt sich der Kiefer von unserem Dicken. Er träumt wohl wieder vom Essen.
Gähnend lege ich mich hin und schließe die Kapsel. Prozess beginnen, Aufzeichnung ende.
Ob die Sicherheitssysteme aktiviert worden sind? Vielleicht begegnen wir beim Zurück den Piraten. Ich muss noch schnell ... das kann warten.
Dunkelheit. Schwebe zwischen Wachsein und Schlaf. Bis in sechs Monaten.

Nicolai Rosemann

11.06.2008

Die andere Seite

Mit geschlossenen Augen streckte Larissa ihr Gesicht der kühlen Nachtluft entgegen und genoss einen kurzen Augenblick den Fahrtwind, der den Duft von reifenden Ähren und Sonnenerwärmten Feldern mit sich trug. Hinter ihr quietschten und kicherten Katrin und Andrea als ob sie bereits den ganzen Alkoholvorrat geplündert hätten den sie mitgenommen hatten. Sandra saß am Steuer und lamentierte mit Hingabe über die Abi-Zeugnisausgabe, die ebenso spießig gewesen war wie deren Teilnehmer samt ihren Eltern. Bevor morgen die große Feier stattfinden sollte, hatten die Freundinnen beschlossen ein lang gehegtes Vorhaben durchzuführen bevor sie nicht mehr die Gelegenheit dazu haben würden. Nur Christina starrte unruhig in die aufkommende Dunkelheit, unbeirrt von der Albernheit die den Rücksitz beherrschte. „Ich hätte mich rechtzeitig abseilen sollen anstatt mich auf solche Kindereien einzulassen“ dachte sie erbost und ärgerte sich über den Anflug von Abenteuerlust, die sie dazu verleitet hatte doch mit ins Auto zu steigen. Widerwillig brachte sie ein schiefes Grinsen zustande und fuhr sich mit den Fingern durch ihre vom Fahrtwind zerzauste Kurzhaarfrisur.
Vom Champagner und der Aussicht nie wieder in die Schule zu müssen beschwingt, waren alle begeistert gewesen als Katrin die Idee kam einfach in die Nacht hinaus zu fahren und den Ort zu besuchen der durch seine seltsamen Vorkommnisse und mysteriösen Legenden in den letzten Jahren einen regelrechten Hype ausgelöst hatte. Christinas kurzes Zögern wurde nicht akzeptiert und so fand sie sich kurzerhand in Sandras protzigem Cabrio wieder, welches ein Teil des Lohns für eine erfolgreiche Schulzeit gewesen war.
Nachdem sie eine halbe Stunde lang erfolglos alle beliebten Treffpunkte abgeklappert hatten, erschien die Gabelung an der sie schon früher so oft gezögert hatten und sich nach gegenseitigem Anfeuern gespannt schaudernd und voller Erwartung entgegen aller Vernunft aufmachten um auf dem Grundstück des alten Herrenhauses ihr Unwesen zu treiben und sich am nächsten Tag in der Schule damit zu brüsten wie weit sie ins Haus und dessen Wäldchen vorgedrungen waren. Als sie in die Allee einbogen schien es allen als ob sie eine längst vergangene Zeit betreten würden, die knorrigen alten Bäume, welche die Straße säumten, hoben sich im scheidenden Zwielicht tiefschwarz von ihrer Umgebung ab. Ein letzter Streifen der untergegangen Sonne tauchte die Szenerie in ein gespenstiges Licht. „Erinnert ihr euch an die Sauerei während der Krötenwanderungen die hier die Straße unpassierbar gemacht haben?“ gluckste Katrin und durchriss damit dass Schweigen das sich auf sie gelegt hatte als sie den Weg einschlugen der zum Anwesen führte. Dankbar für die Unterbrechung der seltsamen Stimmung fielen alle prustend mit ein und jede steuerte eine Anekdote zum Thema bei. Sandra strich sich eine Strähne ihres dichten roten Haares aus dem Gesicht und drehte das Radio lauter als ein alter Song gespielt wurde, der sich perfekt einfügte in die Wehmut die alle befallen hatte. Eine nach der anderen stimmte mit ein und bald hatte auch Christina eine Sehnsucht ergriffen die die unbeschwerte Vergangenheit zurückwünschte.
Sie warf einen Blick auf die Wiesen und Felder die hinter den Alleebäumen durch das letzte Fünkchen Sonnenlicht in zartes Grau gehüllt waren und zuckte zusammen als sich auf einem schmalen Feldweg zwischen den Wiesen die Silhouette eines junges Mädchens abzeichnete. Es sah ihr direkt ins Gesicht und schüttelte bestürzt, ja fast flehend den blonden Kopf, die Kleidung wirkte merkwürdig, so als ob sie wirklich aus den 70ern stammte und nicht bloß einem der immer wiederkehrenden Revival-Trends angehörte. „Halt an!“ rief Larissa vom Beifahrersitz, die es ebenfalls bemerkt hatte und der Ansicht war dass dieses Mädchen, ganz allein, nichts auf diesem Feldweg verloren hatte. Sandra bremste quietschend und stellte das Radio ab. „Fahr zurück, da stimmt etwas nicht“ meinte nun auch Andrea. Sandra legte den Rückwärtsgang ein fuhr zurück an die Einmündung des Weges, wo jedoch niemand mehr zu sehen war. „Komisch“ sagte Andrea „Wohin ist die denn jetzt so schnell verschwunden?“ „Was hatte sie überhaupt hier zu suchen? Und warum vor allem habe ich das Gefühl dass irgendetwas passiert ist?“ wunderte sich Larissa. Sandra und Katrin die nichts gesehen hatten versuchten logische Erklärungen zu finden, doch auch die nahe liegende Möglichkeit, dass es sich um die üblichen Halbstarken handeln müsse, die sich hier herumtreiben wie sie es selbst auch vor Jahren getan hatten, konnte die Drei nicht so recht überzeugen. „Es kam mir vor als ob sie uns vor etwas warnen wollte und ihr Blick hat mich wirklich erschreckt, wie in einer dieser Legenden, die man sich immer erzählt hat“ jammerte Christina deren Bedenken sich in voller Entfaltung zurückmeldeten. „So ein Unsinn“ schimpfte Sandra, „Das ist die Umgebung die euch Mimosen mal wieder paranoid werden lässt, genau wie früher, vor allem als wir zum ersten Mal hier waren“ Katrin wollte sich schier ausschütten vor Lachen als sie in die verstörten Gesichter ihrer verängstigten Freundinnen blickte. Langsam löste sich die Spannung und ein Kichern durchfuhr auch die letzte Zweiflerin.
In der Tat waren Katrin und Sandra immer diejenigen gewesen, die unerschrocken und sensationslüstern in jedes Kellerfenster gestiegen waren und darin nach Beweisen für die Gerüchte gesucht hatten die sich um das Haus Wolfskuhlen rankten. Von eingemauerten Kindern und verschwundenen Personen war ebenso die Rede wie von Satanisten die im Keller des Hauses schwarze Messen abhielten und dabei allerlei skurrile Sachen anstellten.
Wie früher schon parkten sie das Auto einige Meter vor der Einfahrt, um die letzten Meter zu Fuß zurückzulegen und den Anblick des Hauses zu betrachten. Als die beiden verwitterten hohen Mauerpfeiler in Sicht kamen, die vor langer Zeit das Tor gehalten hatten, zeichneten sich, weit auf dem Grundstück gelegen, schemenhaft die in Dunkelheit gehüllten Umrisse des Hauses ab. Der Mond war hinter einer Wolke verschwunden wodurch die Sicht aufs Anwesen etwas eingeschränkt war. Nebelschwaden senkten sich auf die Baumkronen die das Grundstück umsäumten und deren Stämme dicht mit Kletterpflanzen umrankt waren. Christina fühlte einen kurzen Moment Unbehagen bevor sie wie früher vom Anblick des einst stattlichen dreistöckigen Herrenhauses gefangen war, über dessen Haupteingang, zu dem eine breite Freitreppe führte, das alte Familienwappen prangte. Der Zustand hatte sich scheinbar in den letzten Jahren erheblich verschlechtert, was der Aura jedoch keineswegs zum Nachteil gelangte. Nach wie vor war es in der Lage den Anwesenden kalte Schauer über den Rücken zu jagen. „Habt ihr gehört dass hier vor ein paar Jahren zwei Mädchen spurlos verschwunden sind?“ fragte Christina. „Man hat nie herausgefunden was mit Ihnen passiert und ob sie nicht hier gestorben sind.“ „Hör auf, das ist ja gruselig“ schimpfte Andrea, schulterte ihren Rucksack und marschierte mit entschlossenem Gesichtsausdruck auf das Haus zu. Die anderen folgten, sich gegenseitig schubsend und erschreckend bis sie fast an der Stelle angelangt waren von der aus man den besten Blick auf das Haus hat, als aus der Dunkelheit plötzlich leises Knacken zu vernehmen war. Der Schreck ließ sie verstummen und während sie angestrengt in die ungefähre Richtung lauschten aus der sie das Geräusch vermuteten sah Larissa zum Haus auf, aus dessen Schornstein Rauch aufzusteigen schien. „Seht euch das an“ flüsterte sie und schaute sich suchend nach den anderen um. Als sie erneut zum Haus zurücksah war von der Rauchsäule nichts mehr zu erkennen. „Verdammt, jetzt fang ich schon an mir Sachen einzubilden“ dachte sie verärgert und beschloss für sich zu behalten was sie meinte gesehen zu haben. „Für die anderen wäre das mal wieder ein gefunden Fressen sich über mich lustig zu machen“ ging ihr durch den Kopf. Die anderen standen immer noch wie erstarrt und versuchten die Quelle auszumachen, von der das Knacken auszugehen schien. „Ist bestimmt nur eine Katze, die auf ihrer nächtlichen Jagd ist um sich ihr Betthupferl zu holen“ vermutete Sandra, zog eine Taschenlampe aus ihrer Umhängetasche und leuchtete damit ins nahe gelegene Gestrüpp in dem sich Unrat befand den jemand zum Unmut aller einfach hier abgeladen hatte. „Ich wette wenn du den Müllsack da aufmachst kommen dir Hände oder Füße entgegen“ kicherte Katrin und erfreute sich daran wie Andrea schaudernd das Gesicht verzog. „Blöde Kuh, nicht für eine Millionen würde ich da rein sehen“ grinste sie und drehte sich zu Sandra um, deren Gesicht vom Lichtkegel der Taschenlampe erhellt war, die sie sich unters Kinn hielt und dazu panisch wimmerte. „Ihr seid nicht ganz dicht“ kicherte Christina und setzte sich in Bewegung. Als das Haus endlich in ganzer Breite zu erkennen war, hatte sich auch der Mond endlich dazu entschlossen wieder hinter der Wolke hervorzukommen und mit seinem silbrigen Schein die Nacht zu erhellen und dem alten Gutshaus zu einem atemberaubenden Charme zu verleihen. „Wahnsinn“ flüsterte Christina ehrfürchtig „Man kann sich direkt ausmalen wie herrlich es hier früher ausgesehen haben muss“. Sie kramte in der Seitentasche ihrer Cargohose, die wie maßgeschneidert auf ihren schmalen Hüften saß und holte eine kleine Digitalkamera hervor um damit den Anblick festzuhalten, der sich ihnen bot. Als sie überprüfte ob das Bild in Ordnung war bekam sie eine Gänsehaut und wischte aufgeregt auf dem Display herum. „Was ist los? Hast du ein Gespenst fotografiert?“ fragte Sandra und nahm ihr die Kamera aus der Hand. „Was ist das denn??“ Mit großen Augen wanderte ihr Blick zwischen dem kleinen Display und dem Haus hin und her. Auf dem Bild war der Umriss einer Gestalt zu erkennen, die an einem der hohen Fenster stand, aus dem Kamin stieg leichter Rauch in den Himmel auf, die Haustür war deutlich zu erkennen und nicht mehr mit Brettern vernagelt. „Mir reicht’s“ rief Andrea, „Ich werde augenblicklich hier verschwinden und wenn ich den ganzen Weg laufen muss!“ „Das musst du nicht“ antwortete Sandra die nun auch genug hatte und damit nicht alleine war. Erleichtert nicht in das Haus zu müssen und von hier wegzukommen setzte sich Larissa als erste in Bewegung um der mittlerweile deutlich bedrohlichen Atmosphäre zu entfliehen.
Als die Fünf beinahe die Torpfosten erreicht hatten, schauten sie noch einmal zurück und das was sie sahen ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren. Das Haus sah genauso aus wie eben noch auf dem Foto. An den Fenstern hingen Gardinen, die kunstvolle Haustür wirkte wie frisch poliert und glänzte im Mondlicht. Noch bevor sie loslaufen konnten ertönte ein markerschütterndes Quietschen und als sie sich umdrehten mussten sie fassungslos mit ansehen wie laut polternd mit einem Schnappen das bis eben nicht mehr vorhandene Tor ins Schloss fiel. Christina war außer sich und schrie die anderen an dass sie es ja von Anfang an gesagt hätte, während Andreas Gesichtsfarbe von weiß auf grün wechselte. Larissa rüttelte verzweifelt am Tor, das so hoch war dass es unmöglich erschien darüber zu klettern. Die Straße war nicht mehr zu erkennen denn das ganze Grundstück war plötzlich in dichtem Nebel gehüllt. Katrin fluchte laut, Sandra wühlte panisch in ihrer Tasche und blickte entsetzt auf ihr Handy als sie erkannte dass sie keinerlei Empfang hatte. „Das kann nicht sein, ich habe auch kein Netz!“ Christina war kurz davor den Verstand zu verlieren und wie es schien war Andrea schon einen Schritt weiter. „Wir müssen die Nerven behalten!!“ rief Katrin und schüttelte die wachsbleiche Andrea, die starr vor Schreck vor dem Tor stand und kein Wort mehr herausbrachte. „Jetzt nicht durchdrehen“ Sandra zwang sich zur Ruhe und langsam begann ihr sonst so nüchterner Verstand wieder zu arbeiten. „Wir müssen nachsehen ob wir irgendwo durch den Zaun kommen, der ist doch überall kaputt“ „Ach du meinst genau wie das Tor, was es gar nicht gibt“ meinte Christina zynisch und war sich genauso sicher wie alle anderen dass es nirgendwo eine Lücke gab aus der sie entkommen konnten. „Wir müssen da rein“ stellte Katrin fest und deutete aufs Haus, das sie höhnisch anzusehen schien. „Oh mein Gott, seht nur! Da ist Licht in den Fenstern!“ Larissa liefen die Tränen über das Gesicht. „Was passiert hier?“ „Es bleibt nur eine Möglichkeit das heraus zu finden, wir müssen da rein“ wiederholte Katrin entschlossen und sah trotzig das Haus an. „Nur über meine Leiche“ Larissa zitterte am ganzen Körper und klammerte sich an die immer noch erstarrte Andrea. „Wer weiß, vielleicht kommt das ja noch“ Sandra runzelte die Stirn „So leid es mir tut, aber Katrin hat recht, wir können nur mehr erfahren wenn wir das Haus näher untersuchen, vielleicht gibt es dort Anhaltspunkte was hier vor sich geht.“ „Bleib du bei Andrea, wir drei gehen rein.“ Larissa war bestürzt, die Vorstellung allein mit der dem Wahnsinn nahen Andrea hier vor dem Tor zu bleiben jagte ihr Schauer über den Rücken, doch zog sie diese Möglichkeit einem Besuch in dem verrückten Haus vor. „Okay, dann geht. Wir warten hier“. Katrin, Sandra und Christina machten sich auf den Weg zum Haus und ließen die beiden am Tor zurück. An der Stelle an der Christina das Bild gemacht hatte, blieb sie stehen. „Was hast du vor?“ fragte Sandra als sie sah dass Christina die Kamera rausholte und noch ein Foto machte. „Ich weiß auch nicht, aber es interessiert mich halt was und das Foto jetzt zeigt“ Christina sah aufs Display und war nicht überrascht das Haus in seinem vorherigen Zustand zu sehen. „Als ob wir uns auf einer anderen Seite befänden“ „Von was?“ fragte Katrin die kaum glauben konnte was sie sah. „Keine Ahnung, aber hast du eine Erklärung für das was hier passiert? Katrin zuckte mit den Schultern „Nein“ gab sie zu. „Lasst uns weiter gehen“ schlug Sandra vor, die ins Haus wollte bevor sie ihr Mut verließ. „Wie stellt ihr euch das eigentlich vor? Wollt ihr da anklopfen und „Hallo“ sagen?“ An der Tür angekommen beantwortete Katrin die Frage in dem sie die Tür einfach öffnete. „Dann los“. Die Drei schlüpften durch die Tür und fanden sich in einer schwach beleuchteten Halle wieder, in der ein Kaminfeuer brannte. Die Wände waren mit Gobelins behängt, die noch älter zu sein schienen als das Haus selbst. In der Mitte der Halle stand ein Refektoriumstisch aus massiver Eiche, auf ihm lagen Gegenstände mit denen keine etwas anfangen konnte. Nachdem sie etwa eine Stunde ergebnislos sämtliche Räume und Flure durchsucht hatten, betraten sie durch eine der Türen abermals die Halle. „Ich werde das Gefühl nicht los dass wir in die Gründerzeit des Hauses gerutscht sind“ flüsterte Sandra, „Allerdings weiß ich nicht wie das möglich sein soll.“ „Ich halte hier mittlerweile alles für möglich“ Christina rollte die Augen und näherte sich der Treppe zum ersten Stock in dem sich eine Galerie befand, in der Ölgemälde hingen, welche die Familienchronik des Hauses darstellte. Soweit sie sich erinnern konnte war dieses Haus um 1800 auf einer ehemaligen Burganlage erbaut worden. Angeblich waren schon immer seltsame Dinge vorgegangen, die daher rühren sollten dass der Erbauer einen Pakt mit dem Bösen geschlossen haben sollte. Neugierig betrachteten sie die Ahnenreihen als Christina stutzend vor dem Bild eines Mädchens stehen blieb. „Das gibt’s nicht“ murmelte sie „Sie sieht aus wie das Mädchen dass vorhin auf dem Feldweg gestanden hat! Nur dass das Kleid wesentlich schmeichelhafter wirkt als die olle Trainingsjacke.“ Interessiert folgten sie den Bildern bis zum Ende der Galerie. Katrin betrachtete das letzte Bild genauer und rief aufgeregt nach den anderen. „Seht euch das an, die Rechte auf dem Bild hat ein Piercing in der Augenbraue!“ „Unmöglich, wie soll das gehen?“ fragte Sandra und begann zu frösteln, „Ist euch auch so kalt?“ Fast unbemerkt durch das fieberhafte Interesse an den Bildern war die Temperatur deutlich gefallen. Eine Eiseskälte, die die Atemluft in kleinen Wölkchen sichtbar machte, hatte sie alle erfasst. „Vielleicht sollten wir mal nach den anderen sehen“ sprach Sandra, die sich von Sekunde zu Sekunde unbehaglicher fühlte. In der Ferne begann es grollend zu donnern, Blitze durchzuckten die Schwärze der Nacht. Es fiel kein Regen, aber draußen an den Fenstern drückte sich wabernder Nebel gegen die Scheiben. Geheimnisvolle Schatten tanzten an den Wänden und gerade als sie kehrtmachen und zur Tür gehen wollten, erhellte ein Blitz den Raum um ihn anschließend in Grabesschwärze zu tauchen. In dem Moment spürte Christina einen stechenden Schmerz an der Stirn. „Mist, wo bin ich denn jetzt gegen gerannt?“ fluchte sie und tastete mit den Händen in der Dunkelheit herum. Hinter ihr versuchte Katrin in die andere Richtung weiter zu kommen, was ihr jedoch nicht gelang. Sandra stolperte über ihr Kleid und wunderte sich wieso sie es überhaupt trug, ihre Hände ertasteten fremde Kleidung die sie niemals angezogen hatte! Als der nächste Blitz die Galerie erhellte wunderte sich Katrin wie es kam dass sie an der Wand angelehnt, wie aus einem Fenster auf den Flur blickte. Links neben ihr saß Christina auf einem altmodischen Stuhl und wirkte fremdartig in dem seidenen Empirekleid mit hoch angesetzter Taille. Bevor sie begriff was passiert war schrie Sandra zu ihrer Rechten laut auf „Wir sind in der Galerie, auf einem Gemälde!!“ Panisch hörte sie Christina schluchzen „Meine Beine, ich kann meine Beine nicht mehr spüren“. Langsam breitete sich eine lähmende Kälte in ihnen aus, die hoch in alle Glieder kroch und sie bewegungsunfähig zurückließ. Katrin sah plötzlich klar die Bedeutung vor sich, nun wusste sie was „Die andere Seite“ bedeutete. Sandras Gedanken galten der Hoffnung dass Larissa und Andrea eine Möglichkeit finden würden sie hier wieder rauszuholen. Ob sie das jemals schaffen könnten??