14.01.2010

E = J · w2 / 2 - Rotationsenergie

Tack - Tack - Tack - Das Wasser aus der Garagendachrinne tropft klatschend in die Regentonne. Monoton begleitet mich das Rinnsal gleichmäßig wie ein Metronom.
Wie fast jede Nacht hänge ich bäuchlings auf dem Bett und versuche den Mechanismus auszuschalten, der die Gedanken wie einen Squashball durch die Oberstube jagt.
Die Logik ist schon vor einer halben Stunde japsend aus dem Bett gefallen und liegt wie ein Käfer strampelnd auf dem Rücken. Der Verstand krallt sich mit letzter Kraft am Bettlaken fest und unternimmt verzweifelte Versuche Gedanken festzuhalten oder sie in eine Richtung zu bringen.

Immer wieder versucht er die Zeit oder den Ort auszumachen wo ich in den falschen Zug gestiegen bin. Mir gelingt es einfach nicht dieses uralte Gedankenkarussell anzuhalten. Höchstens hin und wieder ein Fragment davon festzuhalten. Dabei muss ich gerade an Nancy denken, die den Hut vom guten alten Freddie Krueger aus ihrem Traum mitgebracht hat. Außer dass ich ein Kind der VHS-Generation bin vermag mir da aber nichts Tiefsinniges einzufallen.
So oft frage ich mich warum mich dieses Gedankenknäuel in seine Tiefen zieht. Es ist als würde dieser wirre Kopf Sekunde für Sekunde unkontrollierbare Gedanken produzieren. Von belanglos bis quälend ist alles dabei.

Obwohl ich mich meistens hilflos treiben lassen muss, hat mir diese Schleuder sogar schon Erkenntnisse und Einsichten serviert.
Es existieren in diesem Kopf Mechanismen, die gnadenlos unspektakulären Kram wiederkäuen. Manchmal bedaure ich dass ich nicht zurückspulen und die Highlights der trivialen Nichtigkeiten noch mal abspielen kann. Ich wette es gibt so gut wie nichts über das ich nicht schon einmal nachgedacht hätte, außer ein paar unzugänglichen wichtigen Sachen vielleicht. Das Unbarmherzige an der Nacht ist, dass sie vieles was am Tag nur unausgegoren vor sich hin brodelt, glasklar und unverdrängbar auf den Kopfbildschirm klatscht. Es ist sogar schon vorgekommen dass mich meine unaufhörlichen Gedanken unaufhörlich gelangweilt haben. Enervierend kommt hinzu, dass kein Buch oder Film der Welt es schafft diesen Gedankenstrom auch nur ansatzweise zu unterbrechen.
Es gibt folgende Möglichkeiten: Kreuzworträtsel, Schreiben oder Ausharren. Letzteres kann schmerzhaft sein. Die Endlosschleife, die einem ohne Milde neben der Erinnerung an abartige Dinge auch das ewige Versagen, sämtliche Fehler und die eigene Unfähigkeit vor Augen hält.
Dinge, die gestern noch als verwischte Erinnerung in einer staubigen Hirnkammer vor sich hingegammelt haben, sind heute quälend und morgen vielleicht schon wieder vergessen. Ärgernisse, die in der Schublade "Nebensächlichkeiten" lagen werden hervor gezerrt und lassen blinde Wut in Hass umschlagen.

Nachts lebe ich in einer Abstellkammer, die den Unrat und den Abschaum des Lebens in sich birgt. Darin befinden sich Empfindungen, die einen Glauben lassen dass man den Verstand verliert. Ebensolche Erinnerungen und das Gefühl dass man zerspringt. Und mitten drin die ewige Frage ob das immer so weiter gehen wird. Wo ist der Schalter, der dem Chaos die Energie entzieht? Ich finde ihn einfach nicht.
Rückblickend kann ich nicht mal mehr ahnen wie viele vergeudete Stunden zwischen Wut, Trauer, Schmerz und Panik diese Nächte gefüllt haben. Während ich starr in der Dunkelheit liege, haben sie sich unter der Decke breit gemacht. An mich gekuschelt liegen ihre kleinen hässlichen Köpfe an meine Schulter geschmiegt. Die lähmende Leere, vom Bewusstsein umklammert nicht wirklich zu sein, sitzt genauso zwischen den Ritzen der Matratzen wie das hinterhältige Gefühl die Realität sei verdreht.

Manches ist aber auch klar und ergibt unerwartet einen Sinn, möchte ich es nutzen, weiß ich nicht wie. Viele Puzzleteile fügen sich zusammen, doch habe ich Depp immer vergessen sie auf eine Unterlage zu kleben und so lösen sie sich mit dem Morgennebel wieder auf.
Tagsüber scheint die Realität die mich umgibt sowieso eine andere zu sein als die, die ich mit meinen Sinnen erfassen kann.
Aber was solls. Das was wir als freien Willen betrachten, sind doch bloß mechanische Prozesse im Gehirn, die wie alles Übrige gemäß physikalischen Gesetzen ablaufen. Das ist doch tröstlich, oder?