14.01.2010

Zu Besuch

Nach Tagen des Brütens erliege ich mitten in der Nacht einem akuten Drang von Mitteilungsbedürfnis. Endlich will der mentale Abfall der meine Hirnwindungen verstopft hinaus.

Doch dann, ich finde den Kulli nicht und bekomme eine Sauwut. Wusch, der Moment der über alles erhabenen Erkenntnisse ist vorbei. Und lässt mich mit dieser Wut einfach sitzen. Ja, diese Wut. Manchmal frage ich was zuerst da war, die Wut oder ich. Diese fiese, einen von innen auffressende Wut. Die so überwältigend ist dass man glaubt jeden Augenblick platzen zu müssen. Die einen blind macht gegen alle Logik und jeden rationellen Gedanken einfach killt, diese Wut ist ein fanatischer Terrorist. Die man körperlich fühlt und doch nicht erfassen kann. Sie bringt dich zum Rasen und das so schnell dass jeder Formel 1 Fahrer vor Neid erblasst und staunt was wahre Geschwindigkeit ist. Sie will raus, jetzt und gleich. Zerstören was gerade am nächsten liegt und mag es noch so lieb und teuer sein.

Wenn für einen Augenblick der Verstand durch den Nebel blitzt und verhindert dass man zum 5. Mal das sauteure Handy an die Wand donnert, hilft nur ein Ventil, die Wut gegen sich selbst. Das Ventil das am wirkungsvollsten ist und noch dazu die Fantasie anregt. Die Fantasie wie man das Resultat am besten verstecken oder erklären kann. Die Wut, der Symbiont, hat stets die Gleichgültigkeit im Schlepptau. Die Gleichgültigkeit, meine liebe Freundin, die eine gähnende Leere ist. Solange bis das Loch dass sie erwirkt, gefüllt werden muss. Irgendwann geht dir auf, dass die so geschätzte Toleranz lediglich bodenlose Gleichgültigkeit ist. Sie kann so beruhigend und doch eine perfide Nervensäge sein. Man kann nicht umhin sie auch als kaltherzige Ignoranz zu bezeichnen. Aber das ist mir so was von egal.^^ So lange bis die älteste Gefährtin hereinschneit, sich kriechend ausbreitet und ihre Krallen in alle Glieder rammt. Die Trauer, die einen selten ohne ihren Zwilling, der Verzweiflung, besucht. Zwei zerreißende Attentäter, die einen so herzlich umklammern. Widerstand zwecklos. Und haben sie einen dann erst einmal so richtig nieder gestreckt, schicken sie die Sehnsucht zu dir. Die einen ausfüllt, bis in die letzte Zelle. Sie ringt mit dir um deinen Verstand und will dich mitziehen, wie ein argloses Kind. Diese Sehnsucht, wenn sie gewinnt, ist der Spuk endlich vorbei.

Neben der Wut, der Trauer und der Gleichgültigkeit hat sich auch noch die Euphorie an meine Fersen geheftet. Nichts kann sie erschüttern, die Welt gehört mir. Sie ist verheiratet mit dem maßlosen Überschwang. Sie sind ein wahrlich schönes Paar. Nimm meine treuen, so unerschütterlichen Begleiter, die Wut, die Trauer, die Gleichgültigkeit und Euphorie, sperr sie in eine Schachtel. Schüttele so fest du kannst, dann lass sie im Zehntelsekundentakt alle wie den Clown an der Feder aus der Schachtel hüpfen. Willkommen in meiner Welt!

Es gibt Tage, an denen sie alle gleichzeitig an deinen Nerven zerren. Diese Freunde sind wie nervende pubertierende Geschwister, die dich immer dann mit tosendem Gebrüll zum Spielen auffordern wenn du dich in Sicherheit wägst. Ob sie streiten wie die Kesselflicker oder einträchtig zusammen auf ihrer speckigen Couch liegen, man kann sie nicht durchschauen. Manchmal lassen sich einige Mitglieder dieser Familie tagelang nicht blicken, dafür quälen die Anwesenden umso mehr. Die Familie Dämon hat mich voll im Griff. Ich bin schon selbst ein Mitglied von ihr.

Noch eher bin ich der hilflose Babysitter, der mit seinen Schützlingen hoffnungslos überfordert ist. Sie hopsen und springen auf einem herum, mit der Energie einer Kernwaffe. Der Alltag kann ermüdend sein mit dieser hibbeligen Bagage im Kielwasser. Aber dann gibt es Tage an denen sie sich benehmen wie vorbildlich erzogene Musterkinder. Jeder für sich erscheint auf sein Stichwort und dann bist du fast stolz auf sie. Du verdankst ihnen trotz allem so viel, möchte man sie auch am nächsten Tag gerne in den Arsch treten.

Wer jetzt glaubt dass diese ungewaschenen, strubbeligen Gören, die da so großmäulig auf dem Sofa rumhopsen, ein plagender, böser Haufen ist, der hat noch nicht den Rest der Familie kennen gelernt. Gerade wenn der Besucher meint sich alle Gesichter eingeprägt und alle Namen gemerkt zu haben, springt die Tür auf und die Halbgeschwister stolzieren herein. Gefolgt von sämtlichen Cousinen und Cousins, Onkeln und Tanten mit Nichten und Neffen. Und die sind oft zu Besuch. Da ist die Angst mit dem Zweifel an der Hand. Dicht gefolgt vom Narzissmus, er flirtet gerade mit der Hysterie. Das Leid schleift lustlos die Rastlosigkeit hinter sich her. Der Schmerz schubst dreist die Erinnerung an, die sich im letzten Moment an der Sucht festhalten kann. Der Ekel macht ein ganz langes Gesicht. Sie winken dir zu und warten auf dich.

Lieber Gast, verzweifle doch nicht, das ist das Leben wie es halt ist. Komm trink noch ein Tässchen mit meinen treuesten Gefährten, vielleicht sind sie dir bekannt: Die Ironie, der Zynismus und der Verstand. Und wenn du ganz leise bist, hörst du sogar was die Hoffnung da spricht.