21.01.2010

Trigger

Trigger, Flashbacks und ähnliches Übel II

Die Verwobenheit von Träumen, Schlüsselreizen und Nachhallerinnerungen sind ebenso perfide wie faszinierend. Ähnlich wie die Frage von Huhn und Ei kann einen diese Konstellation schon arg beschäftigen. Und immer wieder überraschen oder ratlos dastehen lassen.
Viel stärker als visuelle Reize springen mir akustische ins Genick, ungeschlagen in der Liste aber kommt die olfaktorische Wahrnehmung daher.
Assoziationen und die darauf folgende Kettenreaktion sind so bemerkenswert obwohl ich sie nicht greifen kann, vielmehr gleicht sie einem Verkehrsunfall. Man kann einfach nicht weg sehen obwohl man abgestoßen ist. Diese Reize sind äußerst geschickt darin über einen herzufallen. Man erwartet nichts Böses und in nächster Sekunde steht man mitten in einem Buschfeuer.

Ein denkwürdiges Beispiel dieser Leistung, welches selbst mich in helles Erstaunen versetzt, ist die triviale Öffnung einer 0815-Cornflakes-Packung.

Meine harmlose Vorliebe für "Special K Red Fruit" brachte mir einige wunderliche Sinneseindrücke und anschließendes tagelanges Grübeln ein. Schuld daran, die ewige Schusselei. Der unbeabsichtigte Griff daneben. Nach dem Einkaufen das Ärgernis, hatte ich dummerweise eine Packung "Special K Vanilla Cranberry" angeschleppt. Aber warum nicht probieren? Das Öffnen der Tüte ist wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Der Geruch, der mir aus dem Ding entgegen springt, lässt mich mental und körperlich fast in die Knie gehen. Ich weiß nicht wie mir geschieht, oder vielmehr warum mir geschieht. Die Knie sind weich und schlottern, das Herz ist mir in die Hose gerutscht und baumelt irgendwo in den Kniekehlen. Tunnelblick und Zittern vervollständigen das idiotische Bild. Ein paar Sekunden lang herrscht der Ausnahmezustand und ich weiß nicht ob ich heulen oder kotzen soll.
Obwohl sich für Letzteres die immer noch in den Händen gehaltene Tüte anbietet, passiert nichts dergleichen. Der unruhige Geist zieht es vor sich in den Bus nach Nischni Nowgorod zu setzten, d. h. er lehnt sich zurück, lässt den Körper auf Autopilot schalten und filtert einige Sinneseindrücke so dass sie völlig fremd erscheinen. Dieser Zustand kann ganz angenehm sein, ist es doch gleichzeitig ein Ergeben in die Gelassenheit. Dieses Teilstück des Irrsinns sorgt für die Fähigkeit mit blöden, nervigen oder dummen unlogischen Leuten zu diskutieren ohne dabei auszurasten. Leider hält er nicht sooo lange an, macht sonderbare Familiennachmittage oder steigert sich bis zur Unkenntlichkeit, aus der nur körperliche Missempfindungen oder Schmerzen der Rückweg sind. Bevor dies geschieht, sitzt man aber noch eine Weile im Bus. Warum Nischni Nowgoroder Bus? Weil sich dieser Zustand am ehesten mit einer unangenehmen Tour zwischen vielen fremden Menschen, die eine fremde Sprache sprechen beschreiben lässt. Nicht zu vergessen dass alle Schilder in kyrillischer Schrift verfasst sind.

Nachts fliegen mir Fetzen ungreifbarer Bilder durch den Kopf. Ausschnitte, die in Bruchteilen von Sekunden wie Blitzlichter durch die Sinne rauschen. Sie sind hässlich, sie sind eklig, sie sind zu kurz um daraus einen Sinn zu erfassen. Sie machen Angst, Zweifel und lassen Hass aufsteigen, auf diesen Haufen Scheiße, der sich Leben nennt. Kein Vor, kein Zurück, nur unbequemes Verweilen. Notlösungen, die sich aneinander reihen, kein Ende und keinen Anfang bilden. Mit der Familie im Gepäck schleift man sich durch den Tag, mit der Aussicht dass er bloß einer von vielen ist.

Hab ich erwähnt dass ich Cornflakes hasse?^^ Der Effekt ist verpufft, aber die Verpackung stellt jetzt den Trigger des Triggers da.
Am nächsten Tag stell ich dann auch noch fest dass diese blöden Cranberries viel zu sauer sind. Es ist wie das Spiel mit dem Koffer packen. Die Kette erweitert sich. Auch wenn der Geruch jetzt nicht mehr den gleichen Effekt auslöst, die Verpackung erinnert mich an dieses sonderbares Erlebnis.

Eine existenzielle Frage aber bleibt im Raum: Warum riechen Cornflakes mit Vanillestücken nach Play-Doh-Knete??