16.12.2011

Nihilismus

Ohne Ende, ohne Anfang mäandert der krude Gedankenstrom mal wieder durch den berstenden Kopf. Schnappt sich hier und da ein paar verstaubte Dinge um sie dann in die nächste Ecke zu schmeißen, so bald etwas vermeintlich Interessantes auf dem Förderband des kognitiven Abfalls auftaucht. Eben der altbekannte Trott.

Doch manches Kleinod der von mir erzeugten Bestleistungen, scheint sich im Kreis immer wieder zurück zum Verfasser zu bewegen. Taucht immer wieder auf, selbstinduziert, von außen aufgezwungen oder einfach immer in einer Hirnstube seine Späße treibend. Wie die Wasserleiche, die irgendwann, ihrer Gasfäulnis erlegen, an der Oberfläche erscheint und ihren entzückten Entdeckern einen heiteren Tag beschert. Ich habe die Ehre so einige aufgetriebene Leichen mein Eigen nennen zu dürfen. Da sie sich so keck und vorwitzig immer wieder in den Mittelpunkt drängen, sollen einen Platz bekommen, im Kabinett der gelebten Peinlichkeiten.

Ich kann die Schlagzeilen der dämonischen Boulevardpresse nahezu vor mir sehen:
"Spaziergängerin macht grausigen Fund - Kopflose Trauer in Garten gefunden"
Essen.
Einer Spaziergängerin bot sich am Abend im Garten ihrer Nachbarin ein grausiges Bild. Die junge Frau befand sich in Begleitung ihres Pudels auf dem Verbindungsweg zwischen den Straßen "Elsterweg" und "Im kleinen Winkel", als sie auf drei völlig verstörte Kinder traf.
Wenige Meter weiter, an der benachbarten Giebelseite des Elternhauses der zuvor genannten Kinder, machte die Frau eine unfassbare Entdeckung: Neben dem Haus, angrenzend an die Terrasse und halb durch ein Gebüsch verdeckt, lagen die zerteilten Überreste eines grausam entstellten Trauergefühls.
Das Opfer wurde offensichtlich mit einer scharfen Waffe in der Körpermitte und ebenso am Hals durchtrennt. Wie es zu dem Vorfall kommen konnte, ist zurzeit noch völlig unklar. Eine Beteiligung des allseits bekannten und ortsansässigen Irrsinns wird bereits schon jetzt angenommen. Über den Verbleib des Kopfes und der übrigen Gefühle der Besitzerin ist noch nichts bekannt.
Die junge Passantin erlitt einen Schock und wurde seelsorgerisch betreut.
Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.


Ja, wo sind se hin? Die Gefühle, die jeder selbsternannte Moralapostel und Durchschnittsbürger empfindet, bevor er seinen Mitmenschen gnadenlos für sein Handeln und Nichtfühlen verurteilt.
Irgendwo auf dem Weg sind die Dinger uns wohl abhanden gekommen, oder an Orte gelangt, an denen sie keinen Sinn ergeben.
Unser Nichts, in dem Erinnerungen ohne Wertung verschlossen sind. Nicht weiter getragen werden dürfen weil sie pietätlos und/oder verboten sind, nicht zum Erlebten und Empfinden der anderen passen und ihre Gefühle verletzen.
In unzählige Teile gekloppt und abgespalten in Ecken in denen sie keiner finden kann und soll. Wegkonditioniert von Subjekten, die selbst keine besitzen. Die Mitleid nicht einmal im Lexikon suchen würden. Mitleid und Trauer für uns selbst, zwei Worte, die für alle anderen zu regelnden Emotionen ein Anfang sein könnten...

(2010)