05.12.2011

Perfektion und Chaos Part I

Perfektion - meine unsensible Nervensäge, ist ein unmögliches Luder, das mich oftmals nahezu in den Wahnsinn treiben kann. Dieses Luder hat ganz ureigene Gesetze, die mitnichten glasklar vor Augen liegen und sich noch dazu nicht gerade mit der Logik verbündet haben. Das Streben nach persönlicher Perfektion, Ansprüchen und Vorstellungen ist ein sonderbar Ding, welches mitunter schon arg seltsame Blüten treibt. Die Anstrengung dahinter ist nicht nur der Aufwand, sondern viel eher noch das Wissen es doch nie gut genug gemacht zu haben. Orientierung an Maßstäben, die kaum jemand erreichen kann. Die Angst vor dem Mittelmaß immer im Gepäck. Und doch auch die Sehnsucht selbiges zu akzeptieren, nein anzustreben und anzunehmen. Schaff es einfach nicht.

Bliebe zu erwähnen dass Vieles ganz einfach vor lauter Perfektionsstreberei auf der Strecke bleibt. Lieber völliges Chaos als zweifelhafte Ordnung. Eine nach meinen Vorstellungen aufgeräumte Wohnung dürfte man nicht mehr betreten. Jeder Brotkrümmel fällt mit der Wucht einer Gerölllawine auf den frisch geputzten Tisch. Jede normale Nutzung des gereinigten Wohnzimmers empfinde ich als ausgemachten Boykott. Kann nicht ertragen, den gerade gespülten Topf wieder auf den Herd zu stellen. In meinem frisch gesaugten Auto darf keiner sitzen, zu schmerzhaft jedes neue alles zerstörendes Haar. Der Teil in mir, der sich totlacht über die pingelige Schrulle in ihrem Monk'schen Wahn, auch ihn verstehe ich nicht. Eine Jacke mit ausgefransten Bündchen zu tragen fällt in sein Resort, während die unteren Etagen unter der Knute der nörgeligen Prinzessin ihr makelloses Dasein fristen müssen.
Die Vorstellung mit unrasierten Beinen und Genickbruch, frisch verunfallt, auf einer Bahre zu liegen, treiben ihr den blanken Angstschweiß auf die Stirn. Ein wildwachsendes Haar der ungezupften Augenbraue, vermag sie nicht in Erwägung zu ziehen ohne anschließenden Myokardinfarkt (selbstredend erst nachdem Fingernägel akkurat gekürzt und die Socken auf Löcher überprüft wurden).

Auch an Arbeit und Hobbies ist nicht zu denken ohne ganz vorne mit dabei zu sein. Eine schiefe Naht am selbst erstellten Pullover ist möglich, aber nur für den ganz privaten Gebrauch. Etwas herzustellen für andere geht selten gut. Kein Ergebnis ist auch nur annähernd ausreichend um es ernsthaft zu präsentieren. Fehler sehen andere meist nur durch meinen bescheidenen Hinweis dass das Endprodukt eigentlich für die Tonne war. Schiefe Linien, ungleiche Striche oder Abstände haben so manches Mal dafür gesorgt dass ich beinahe den Verstand verlor. Die Gewissheit das Bauamt könnte den Bauantrag ablehnen weil der Baum im Grundriss zwei Millimeter zu weit links, im Vergleich zur Vorderansicht gezeichnet ist, geht mir so lange nicht aus dem Kopf bis mindestens das Richtfest stattgefunden hat. Und anschließend werte ich den sich damit zufrieden gestellten erst einmal ab.
Rechtschreibfehler sind Nägel an meinem Sarg. So kann es durchaus vorkommen dass ich zufällig gefundene Vertipper in einem Internetforum auch dann noch korrigiere wenn kein Mensch den Beitrag mehr liest weil er nach zwei Jahren bereits in den Tiefen des Datennirvanas verschwunden ist (ich schwöre, ich schick den Text hier gleich ohne Korrekturlesen ab!!).

Der andere Part in mir tippt sich wild gestikulierend an die ungewaschene Stirn. Ihn kümmert das alles nicht. Denn wie ist es zum Beispiel zu erklären dass ich niemals nach dem Aufwachen unter Hinterlassung eines ungemachten Bettes den Raum verlassen kann, während sich auf der Fensterbank Zeitungen stapeln und die Wollmäuse unter dem Bett schon nicht mehr lebendig, sondern wieder zu Fossilien geworden sind?
Doch wehe irgendwer kommt zu Besuch. Zwei Wochen Hardcoreputzen sind mindestens dabei. Kein fremdes Wesen darf die Wohnung betreten bevor nicht meine innerliche kritische Abnahme stattgefunden hat. Selbst Suizidabsichten wurden schon durch noch vorhandenes Leergut und ungeputzte Badezimmerfliesen vereitelt!

Der Widerspruch ist selten weit. Ein winziger Mitesser ist kaum auszuhalten während der Saum der Hose beharrlich sein Schweigegelübde demonstriert, ob der Tatsache die guten Tage weit hinter sich gelassen zu haben.
Schiefe Bilder? Nicht mit mir! Obwohl ich mir beim Geraderücken die Finger versaue, am wochenalten Staub. Die Spinner schlagen dramatische Schlachten in mir! Kopf und Bauch liegen sich immer im Klinch. Damit muss ich wohl leben, Hauptsache beide sehen gut aus dabei!

Leider machen diverse Spleens auch nicht vor anderen halt:
Ich stehe an einer Ampel, vor mir eine Frau, deren Kapuze mich keck mit ihrer rausgestülpten linken Seite anstarrt. Von einem Bein auf das andere wippend, werde ich langsam aber sicher nervös. Dieses Teil scheint mir dreist seine Zunge heraus zu strecken, als die Ampel auf Grün umschaltet. Wegen dem Menschenpulk um mich herum ist es mir nicht möglich mich an der Frau vorbeizuschieben, was eine Pein zu werden droht, da ich den Blick nicht mehr von diesem verdammten Kleidungsstück wenden kann. Ungünstigerweise läuft dieses Kleidungsstück noch eine ganze Weile vor mir her. Den Impuls unterdrückend diese blöde Kapuze auf rechts zu drehen, laufe ich frustriert weiter hinter ihr her. Unkorrekte Kapuzen gehen einfach nicht. Ein Punkt an dem sich die Leutchen im Kopf mal absolut einig sind...