08.02.2012

Stolpersteine - Kortumstraße 10, 44787 Bochum

Singularitäten, Schwarze Löcher und Ereignishorizonte

Die Wirkung, die meine Singularität auf ihre unmittelbare Umgebung hat, ist so enorm, dass sämtliche uns bekannte Naturgesetze nicht mehr gelten und ihre Existenz völlig vergessen sind. Ist sie einmal aktiviert, ist es schwer ihr zu entkommen. Der Moment an dem ich den Ereignishorizont passiere ist in den meisten Fällen zwar absehbar, doch ist die Fluchtgeschwindigkeit so hoch dass nichts mehr den Schwarzschildradius verlassen kann. Hineingezogen in das rotierende schwarze Loch meines Ichs, dessen Eigendrehimpuls so manchen Astrophysiker in Entzückung versetzen würde, gibt es scheinbar kein Entrinnen. Seine Gravitation erwirkt nicht nur Raumzeitkrümmung, nein, es reißt Raum und Zeit mit in sich hinein. 

Die Angst dass unsere dämlichen Dämonen während unserer Verweilung in dem kläglichen Rest unserer Supernova, ihren Schabernack treiben, ist immer noch präsent. Der Kampf zwischen Kontrolle und Loslassen ist nervenaufreibend und zermürbt. Kann man doch meist nur hoffen es geht schnell vorbei. Wenn die Borgqueen draußen übernimmt, ist die Peinlichkeit zwar begrenzt, die Folgen jedoch oft ein Paradebeispiel an Schadenbegrenzungsstress. Und ich sitz im Nichts und schreie ungehört gegen sie an.
Sie scheint es zu genießen ihre Begleiter zu ignorieren. Unkooperativ wie sie ist, macht sie einfach was sie will. Dumme Kuh. Die Momente in denen sie sich mit dem Verstand und der Logik verbündet, sind dagegen ein erstrebenswertes Ziel. Meine mir selbst imponierende Wunschperson, würde sie den anderen doch etwas Gehör schenken.
Die Zeit in der die anderen ihre ganz eigenen Interessen und Wünsche verfolgen war lange geprägt von abgrundtiefer Angst, ihr verdanke ich nicht nur den Verlust von 65 cm Zopf, nein auch ihre soziale Interaktionen lässt oft übelst zu wünschen übrig.

Doch eins ist sicher, leg dich nicht mit uns an, wir sind eindeutig in der Überzahl ;)


To be continued...

19.12.2011

Schuld?

 

Flashbacks, Träume und ähnliches Übel III - Erinnern Part II

Verzweifelt und angewidert sitze ich mit der Verwunderung, dem Selbsthass und der Bestürzung auf der Couch. Auf dem Tisch ausgebreitet liegt eine Kiste Erinnerungen in der die drei munter herum wühlen. Immer wenn einer von ihnen, quietschend vor Freude über einen Fund, aufgeregt auf dem Sofa rumhüpft, kriege ich das kalte Grauen.

Die letzten Tage und Nächte sind ein Ausnahmezustand und irgendwie quälend an mir vorüber gezogen. Das Herumstochern in dunklen Winkeln meiner verschlossenen Hirnschubladen erweist sich als nervige Tortur. In der Theorie war mir bekannt dass die bewusste Erinnerung an einzelne Erlebnisse inkomplett, gefühlsmäßig gar nicht vorhanden und voller Barrieren ist. Viele Versuche der Durchleuchtung sind über mehr als ein Jahrzehnt immer wieder kläglich gescheitert und durch neue reaktiv gestaltete Dummheiten erweitert worden.
Langsam fangen modrige Fundamente an zu bröckeln und legen immer neue Bruchstücke unzugänglicher Empfindungen und Erinnerungen frei. Das Erinnern ist als würde man eine Zwiebel schälen, Schicht für Schicht arbeitet man sich weiter ins Innere vor und die Augen brennen fürchterlich dabei.

Nach langem Leugnen, unbewusster Ignoranz und auch Ungläubigkeit hat der Verstand jetzt endlich erfasst dass er der Vergangenheit nicht entrinnen kann. Immer wieder Löcher zu stopfen, die sich an anderer Stelle doch wieder neu bilden, ist doch nur Flickwerk das nicht lebenswert ist. Ungläubig sitze ich dabei wie meine drei Kistenkramer Zugänge öffnen, die mir unbekannt waren.
Die Fassungslosigkeit begleitet mich ebenso wie der Selbsthass, der sich von der Couch auf meinen Schoß geschwungen hat. Selig kuschelt er sich an mich während auf der anderen Seite die Scham unaufhörlich in meine Rippen boxt. Die Erkenntnis sitzt auf dem Tisch und grinst, das Wort Gnade ist ihr unbekannt.
Wohin ist die Gleichgültigkeit, die eingehakt bei der Leere die Türen zur Empathie bewachte? Wer hat die Grenzen verwischt zwischen den Teilen meiner Selbst, die keinen Zugang zueinander hatten? Und wo war diese gottverdammte Moral als sie Vieles hätte verhindern sollen? Warum kommt sie jetzt und nimmt mir die Luft die ich atmen muss.

Immer wieder versetzt mir die Selbsterkenntnis einen Keulenschlag. Ich fürchte auseinander zu springen, die Last ich selbst zu sein drückt stetig und ausdauernd auf mir. Ich bin verachtenswert. Die Reue tanzt mit der splitternackten Scham auf meinen Nerven herum. Der Selbstrespekt wurde von ihnen in irgendein dunkles Verlies gesperrt. Ich bin selbst dieses wertlose Leben nicht wert. Wie konnte ich mir selbst und anderen solche Dinge antun. Und antun lassen. Ich suche und suche und finde keine Antwort darauf. Wie dumm war ich nur? Ich will diese tollen Erkenntnisse nicht. Wem nützen sie jetzt noch?
Aber hey, ich war ein Kind...

(1990/2009)

16.12.2011

Nihilismus

Ohne Ende, ohne Anfang mäandert der krude Gedankenstrom mal wieder durch den berstenden Kopf. Schnappt sich hier und da ein paar verstaubte Dinge um sie dann in die nächste Ecke zu schmeißen, so bald etwas vermeintlich Interessantes auf dem Förderband des kognitiven Abfalls auftaucht. Eben der altbekannte Trott.

Doch manches Kleinod der von mir erzeugten Bestleistungen, scheint sich im Kreis immer wieder zurück zum Verfasser zu bewegen. Taucht immer wieder auf, selbstinduziert, von außen aufgezwungen oder einfach immer in einer Hirnstube seine Späße treibend. Wie die Wasserleiche, die irgendwann, ihrer Gasfäulnis erlegen, an der Oberfläche erscheint und ihren entzückten Entdeckern einen heiteren Tag beschert. Ich habe die Ehre so einige aufgetriebene Leichen mein Eigen nennen zu dürfen. Da sie sich so keck und vorwitzig immer wieder in den Mittelpunkt drängen, sollen einen Platz bekommen, im Kabinett der gelebten Peinlichkeiten.

Ich kann die Schlagzeilen der dämonischen Boulevardpresse nahezu vor mir sehen:
"Spaziergängerin macht grausigen Fund - Kopflose Trauer in Garten gefunden"
Essen.
Einer Spaziergängerin bot sich am Abend im Garten ihrer Nachbarin ein grausiges Bild. Die junge Frau befand sich in Begleitung ihres Pudels auf dem Verbindungsweg zwischen den Straßen "Elsterweg" und "Im kleinen Winkel", als sie auf drei völlig verstörte Kinder traf.
Wenige Meter weiter, an der benachbarten Giebelseite des Elternhauses der zuvor genannten Kinder, machte die Frau eine unfassbare Entdeckung: Neben dem Haus, angrenzend an die Terrasse und halb durch ein Gebüsch verdeckt, lagen die zerteilten Überreste eines grausam entstellten Trauergefühls.
Das Opfer wurde offensichtlich mit einer scharfen Waffe in der Körpermitte und ebenso am Hals durchtrennt. Wie es zu dem Vorfall kommen konnte, ist zurzeit noch völlig unklar. Eine Beteiligung des allseits bekannten und ortsansässigen Irrsinns wird bereits schon jetzt angenommen. Über den Verbleib des Kopfes und der übrigen Gefühle der Besitzerin ist noch nichts bekannt.
Die junge Passantin erlitt einen Schock und wurde seelsorgerisch betreut.
Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.


Ja, wo sind se hin? Die Gefühle, die jeder selbsternannte Moralapostel und Durchschnittsbürger empfindet, bevor er seinen Mitmenschen gnadenlos für sein Handeln und Nichtfühlen verurteilt.
Irgendwo auf dem Weg sind die Dinger uns wohl abhanden gekommen, oder an Orte gelangt, an denen sie keinen Sinn ergeben.
Unser Nichts, in dem Erinnerungen ohne Wertung verschlossen sind. Nicht weiter getragen werden dürfen weil sie pietätlos und/oder verboten sind, nicht zum Erlebten und Empfinden der anderen passen und ihre Gefühle verletzen.
In unzählige Teile gekloppt und abgespalten in Ecken in denen sie keiner finden kann und soll. Wegkonditioniert von Subjekten, die selbst keine besitzen. Die Mitleid nicht einmal im Lexikon suchen würden. Mitleid und Trauer für uns selbst, zwei Worte, die für alle anderen zu regelnden Emotionen ein Anfang sein könnten...

(2010)