Sammelstelle für Erleuchtungen, mentalem Abfall und cerebraler Stoffwechselendprodukte des Tages...
29.11.2008
Die Entwicklung der Menschheit
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
bis zur dreißigsten Etage.
Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.
Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.
Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.
Was ihre Verdauung übrigläßt,
das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
daß Cäsar Plattfüße hatte.
So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.
Erich Kästner
Sachliche Romanze
(und man darf sagen sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.
Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse, als ob nichts sei,
und sahen sich an und wussten nicht weiter.
Da weinte sie schliesslich. Und er stand dabei.
Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.
Er sagt, es wäre schon Viertel nach vier
und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken.
Nebenan übte ein Mensch Klavier.
Sie gingen ins kleinste Café am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend sassen sie immer noch dort.
Sie sassen allein, und sie sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.
Erich Kästner
Humorlos
werfen
zum Spass
mit Steinen
nach Fröschen
Die Frösche
sterben
im Ernst
Erich Fried
28.11.2008
Marie von Ebner-Eschenbach
Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.
Man muss schon etwas wissen, um verbergen zu können, dass man nichts weiß.
Eltern verzeihen ihren Kindern die Fehler am schwersten, die sie ihnen selbst anerzogen haben.
Was nennen die Menschen am liebsten dumm? Das Gescheite, das sie nicht verstehen.
Über das Kommen mancher Leute tröstet uns nichts als die Hoffnung auf ihr Gehen.
Wir unterschätzen das, was wir haben und überschätzen das, was wir sind.
Wer an die Freiheit des menschlichen Willens glaubt, hat nie geliebt und nie gehaßt.
So mancher meint ein gutes Herz zu haben und hat nur schwache Nerven.
Ausnahmen sind nicht immer Bestätigung der alten Regel. Sie können auch Vorboten einer neuen Regel sein.
Was andere uns zutrauen, ist meist bezeichnender für sie als für uns.
Wer sich seiner eigenen Kindheit nicht mehr deutlich erinnert, ist ein schlechter Erzieher.
Der Gedanke an die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge ist ein Quell unendlichen Leids - und ein Quell unendlichen Trostes.
Lieber von einer Hand, die wir nicht drücken möchten, geschlagen, als von ihr gestreichelt werden.
Jabberwocky
Did gyre and gimble in the wabe:
All mimsy were the borogoves,
And the mome raths outgrabe.
"Beware the Jabberwock, my son!
The jaws that bite, the claws that catch!
Beware the Jubjub bird, and shun
The frumious Bandersnatch!"
He took his vorpal sword in hand:
Long time the manxome foe he sought --
So rested he by the Tumtum tree,
And stood awhile in thought.
And, as in uffish thought he stood,
The Jabberwock, with eyes of flame,
Came whiffling through the tulgey wood,
And burbled as it came!
One, two! One, two! And through and through
The vorpal blade went snicker-snack!
He left it dead, and with its head
He went galumphing back.
"And, has thou slain the Jabberwock?
Come to my arms, my beamish boy!
O frabjous day! Callooh! Callay!'
He chortled in his joy.
`Twas brillig, and the slithy toves
Did gyre and gimble in the wabe;
All mimsy were the borogoves,
And the mome raths outgrabe.
(Lewis Caroll - Through the Looking-Glass and What Alice Found There, 1872)
Lewis Carroll
Tapfere Männer sind wie Wirbeltiere: Außen weich, aber innen mit einem harten Kern.
Beginne am Anfang" sagte der König ernst, "und fahre fort, bis du ans Ende kommst: dann höre auf."
"Den Schreck dieses Augenblicks werde ich nie vergessen", fuhr der König fort. "Du wirst ihn vergessen", sagte die Königin, "es sei denn, du errichtest ihm ein Denkmal."
Matthias Claudius
Die Welt ist ein Schauplatz. Du kommst, siehst und gehst vorüber.
Beurteile einen Menschen lieber nach seinen Handlungen als nach seinen Worten; denn viele handeln schlecht und sprechen vortrefflich.
Die Freiheit besteht darin, dass man alles tun kann, was einem anderen nicht schadet.
Otto von Bismarck
Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.
Verfallen wir nicht in den Fehler, bei jedem Andersmeinenden entweder an seinem Verstand oder an seinem guten Willen zu zweifeln.
Wenn irgendwo zwischen zwei Mächten ein noch so harmlos aussehender Pakt geschlossen wird, muß man sich sofort fragen, wer hier umgebracht werden soll.
Gegen die Regierung mit allen Mitteln zu kämpfen ist ja ein Grundrecht und Sport eines jeden Deutschen.
Albert Einstein
Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.
Falls Gott die Welt geschaffen hat, war seine Hauptsorge sicher nicht, sie so zu machen, dass wir sie verstehen können.
Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.
Es ist schwieriger, eine vorgefaßte Meinung zu zertrümmern als ein Atom.
Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muß man vor allem ein Schaf sein.
Manche Männer bemühen sich lebenslang, das Wesen einer Frau zu verstehen. Andere befassen sich mit weniger schwierigen Dingen z.B. der Relativitätstheorie.
Wenn die meisten sich schon armseliger Kleider und Möbel schämen, wieviel mehr sollten wir uns da erst armseliger Ideen und Weltanschauungen schämen.
Das Duell
ich sah die Gesten, ich fand die Briefe, sah den Kuß;
ich sah euch tanzen - ihren Blick, wenn sie dich sieht,
ich spür ihr Zaudern und sie des Nachts sich mir entzieht.
Ich werd's nicht lassen, nie will ich sie vermissen, nie sie dein,
nun wirst Du kämpfen müssen.
Wähle einen Ort, wähl eine Zeit und auch die Waffen,
lauf nicht fort, ich werd nicht kommen dich zu schonen,
wirst dein Leben lassen.
Als der neue Tag erwacht, die Klingen kreuzen,
Kontrahenten schlagen sich, mit Worten sie sich reizen,
Schaulust zieht die Leute an, durch die Menge geht ein Beben,
Stoß, Parade, Gegenstoß, und es erlischt ein Leben.
Deinen Sohn getötet hast du, wie geblendet kann man sein,
glaubst Du Tor, dass du linderst deine Pein?
Ich nicht dein Eigen, denn noch immer bin ich frei,
du bringst Verderben für eine kleine Liebelei.
Glaubst du nun wirklich für solchen Frevel ich dein Lohn?
Du mich verloren und auf immer gar den Sohn.
Wähle einen Ort, wähl eine Zeit
und auch die Waffen, lauf nicht fort,
ich werd nicht kommen dich zu schonen,
wirst dein Leben lassen.
Als der neue Tag erwacht, die Klingen kreuzen,
Kontrahenten schlagen sich, mit Worten sie sich reizen,
Schaulust zieht die Leute an, durch die Menge geht ein Beben,
Stoß, Parade, Gegenstoß, und es erlischt ein Leben.
Schandmaul
Übers Jahr
frostklare Winde im Mondenschein
endlose Stunden voll gläsernem Schweigen
wachst du beharrlich in tiefer Nacht
Bricht dann die Stille
zerfließt ein verschlafenes, karges Verlangen
leise verweht sich der Nebel
endlich voller Licht die Welt
Tiefgrüne Wiesen, schattenkühle Wälder
blühen in der Gunst des Sonnenspiels
reifende Ähren in wiegendem Tanze
flüstern ihre Weisen dem Winde zu
Bricht dann die Stille
neuerlich hernieder, mit diesigem Hauche...
leise erhebt sich der Nebel
schließlich tritt die Nacht in die Welt
Wieder sind da Spuren
im Schnee bei den Bäumen
der Mond steht alleine
in kalter Nacht
Es ist eine Stille
ganz tiefe Ruhe
allmächtiges Schlafen
leise verliert sich das Leben
wartet auf den neuen Tag
Wolfsheim
Winternacht
Es kracht der Schnee von meinen Tritten,
Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;
Nur fort, nur immer fortgeschritten!
Der Mond bescheint die alten Fichten,
Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt,
Den Zweig zurück zur Erde richten.
Tief in das heißbewegte, wilde!
Dass einmal Ruh mag drinnen sein,
Wie hier im nächtlichen Gefilde!
Schweigen
Der Mond, der uns träumen macht,
Die Weide am dunklen Teich
Weint lautlos in die Nacht.
Die Nebel fluten und steigen -
Schweigen, Schweigen!
Mondnacht
Es war, als hätt der Himmel
die Erde still geküsst,
dass sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müsst.
Die Luft ging durch die Felder,
die Ähren wogten sacht,
es rauschten leis die Wälder,
so sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.
Die Kinder im Schnee
Drei Kinder wandern durch den Wald.
Sie gingen schon oft den Weg allein -
Heut flimmert der Mond mit irrem Schein.
Der Pfad, der sonst so kurz nach Haus, -
heut mündet er nimmer zum Wald hinaus.
Die kleinen Beinchen schreiten voran.
Da ragt empor der finstre Tann.
Sie laufen zurück und hin und her -
Sie finden im Schnee den Weg nicht mehr.
Es weinen die Kleinsten, wohl irrten sie weit.
Kalt ist die Nacht und Schlafenszeit!
Sieh dort, unter Wurzeln ein trocknes Hohl,
Da bettet das Schwesterchen beide wohl.
Trägt Moos und Laub zu ihrer Ruh
Und deckt mit dem eignen Tüchlein sie zu.
Die Nacht ist kalt, vom Mond erhellt, -
Es funkeln die Sterne am Himmelszelt.
Man hat sie gesucht mit Rufen und Schrein,
Man hat sie gefunden beim Morgenschein.
Die beiden Kleinen, sie schlafen fest,
Aneinandergeschmiegt im warmen Nest.
Den Arm gerafft voll Laub und Moos,
So fand man die andre bewegungslos.
So lag sie im Schnee - die Wangen rot,
Die hatte geküsst der eisige Tod.
Die junge Mutter
Zu höchster Lust in tiefstem Leid,
Und ist nun ganz verloren
In seine stumme Lieblichkeit.
So dass sie's eben küssen mag,
Und ohne Laut und klage
Neigt es sein Haupt am dritten Tag.
So trägt sie still den heil'gen Schmerz,
Und eh' sie's ganz noch fasste,
Dass es dahin ist, bricht ihr Herz.
Sonst tritt aus einem finstern Tor,
Er ging, der Todesengel,
aus ihrem eignen Schoß hervor.
Das Kind
Zum letztenmal geschmückt;
Da spielt das kleine Kind herein,
Das staunend sie erblickt.
Gefällt ihm gar zu sehr,
Die Busenblumen, bunt und klar,
Zum Strauß gereiht, noch mehr.
"Du liebe Mutter, gib
Mir eine Blum' aus deinem Strauß,
Ich hab' dich auch so lieb!"
Da denkt das Kind für sich:
“Sie schläft, doch wenn sie ausgeruht,
So tut sie's sicherlich.“
Und schließt die Türe sacht
Und lauscht von Zeit zu Zeit daran,
Ob Mutter noch nicht erwacht.
Das sterbende Kind
Ruhet das Kind!
Weiß nicht, wie Mutterschmerzen
So herbe sind.
Auf Stirn und Lippen und Wangen
Ist schon vergangen
Das süße Rot;
Und dennoch heimlicherweise
Lächelt es leise -
Leise
Küsset der Tod.
Emanuel Geibel
Was will ich mehr!
Des Lebens schöne Schale fest,
Noch trink und kann nicht enden ich
Und denk nicht an den letzten Rest.
Die letzte Neige schlürftest du.«
So trank ich doch, was will ich mehr,
Dem Tod ein volles Leben zu.
Abendempfindung
Und der Mond strahlt Silberglanz;
So entfliehn des Lebens schönste Stunden,
Fliehn vorüber wie im Tanz.
Bald entflieht des Lebens bunte Szene,
Und der Vorhang rollt herab;
Aus ist unser Spiel, des Freundes Träne
Fließet schon auf unser Grab.
Bald vielleicht (mir weht, wie Westwind leise,
Eine stille Ahnung zu),
Schließ ich dieses Lebens Pilgerreise,
Fliege in das Land der Ruh.
Werdet ihr dann an meinem Grabe weinen,
Trauernd meine Asche sehn,
Dann, o Freunde, will ich euch erscheinen
Und will himmelauf euch wehn.
Schenk auch du ein Tränchen mir
Und pflücke mir ein Veilchen auf mein Grab,
Und mit deinem seelenvollen Blicke
Sieh dann sanft auf mich herab.
Weih mir eine Träne, und ach! schäme
dich nur nicht, sie mir zu weihn;
Oh, sie wird in meinem Diademe
Dann die schönste Perle sein!
Joachim Heinrich Campe
Auf den Tod eines Kindes
Ein flüchtiger Gast im Erdenland,
Woher? Wohin? Wir wissen nur:
Aus Gottes Hand in Gottes Hand.
Ludwig Uhland
Jean Paul
Um zur Wahrheit zu gelangen, sollte jeder die Meinung seines Gegners zu verteidigen suchen.
Nichts macht die Menschen vertrauter und gegeneinander gutgesinnter als gemeinschaftliche Verleumdung eines dritten.
Die Leute hassen am wenigsten, die ihren Haß in Spott und Laune auslassen.
Denken lernt man nicht an Regeln zum Denken, sondern am Stoff zum Denken.
Ich habe nie eine einzige Bemerkung allein gemacht, sondern es fiel mir allezeit noch eine zweite ein.
Ich bedaure nichts, was ich auf der Erde verloren, keine Jugend und keine Freude - außer dem Verlust der hohen Vorstellung, die ich von allen diesen gehabt.
Man verdirbt unter Leuten, die einen nicht übertreffen.
Jeder hat in seiner Jugend etwas von einem poetischen Genie, seine Narrheit und seine Entzückung; - das poetische Genie selbst aber lebt in einer ewigen Jugend.
Die Sucht, seinen Charakter zu zeigen, sieht oft ebenso falsch aus als die, ihn zu verbergen
Oscar Wilde
Ich bin der einzige Mensch auf der Welt, den ich gerne gründlich kennen lernen würde, aber ich sehe gerade jetzt keine Möglichkeit dazu.
Auf seine eigene Art zu denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht auf seine eigene Art denkt, denkt überhaupt nicht.
Es kommt darauf an, den Körper mit der Seele und die Seele durch den Körper zu heilen.
Arthur Schopenhauer
So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab.
Ganz er selbst sein darf jeder nur, solange er allein ist. Wer also nicht die Einsamkeit liebt, der liebt auch nicht die Freiheit; denn nur wenn man allein ist, ist man frei!
Bei gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Welt.
Die eigene Erfahrung hat den Vorteil vollkommener Gewissheit.
All unser Übel kommt daher, dass wir nicht allein sein können.
Alle Formen nimmt die Geistlosigkeit an, um sich dahinter zu verstecken: sie verhüllt sich in Schwulst, in Bombast, in den Ton der Überlegenheit und Vornehmigkeit und in hundert anderen Formen.
Aller Eigensinn beruht darauf, daß der Wille sich an die Stelle der Erkenntnis gedrängt hat.
In Deutschland ist die höchste Form der Anerkennung der Neid.
Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand.
Der einzige Mann, der wirklich nicht ohne Frauen leben kann, ist der Frauenarzt
Die Freunde nennen sich aufrichtig, die Feinde sind es.
Viele verlieren den Verstand deshalb nicht, weil sie keinen haben.
Jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz seyn könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu seyn.
(Parerga und Paralipomena)
In unserem monogamischen Weltteile heißt heiraten seine Rechte halbieren und seine Pflichten verdoppeln.“
(Parerga und Paralipomena II, 28, 370)
Bescheidenheit bei mittelmäßigen Fähigkeiten ist bloße Ehrlichkeit; bei großen Talenten ist sie Heuchelei.
Das Leben kann als ein Traum angesehen werden und der Tod als Erwachen.
Die Menschen sind wesentlich böse, wesentlich unglücklich, wesentlich dumm.
Die Perfektion der Mittel und die Verwirrung der Ziele - das scheint unsere Zeit zu charakterisieren.
Die vermeintliche Rechtlosigkeit der Tiere, der Wahn, dass unser Handeln gegen sie ohne moralische Bedenken sei, ist eine geradezu empörende Barbarei des Abendlandes. Die Tiere sind kein Fabrikat zu unserem Gebrauch. Nicht Erbarmen, sondern Gerechtigkeit ist man den Tieren schuldig.
Die Wilden fressen einander - die Zahmen betrügen einander.
Düsterer Pessimismus? Das Gegenteil anzunehmen wäre ruchloser Optimismus.
Allein
Strassen und Wege viel,
Aber alle haben
Dasselbe Ziel
Du kannst reiten und fahren
Zu zwein und zu drein,
Den letzten Schritt
Mußt du gehen allein.
Drum ist kein Wissen
Noch Können so gut,
Als daß man alles Schwere
Alleine tut.
Hermann Hesse
08.11.2008
Ebadi, Shirin - Mein Iran
Aus der Amazon.de-Redaktion
Mit Mein Iran hat die iranische Rechtsanwältin und Hochschullehrerin Shirin Ebadi mehr als "nur" eine Autobiografie vorgelegt. Indem die Regimekritikerin ihren Lebensweg nachzeichnet, gewährt sie zugleich tiefe Einblicke in das politische und gesellschaftliche System des schiitischen "Gottesstaates".
Die Mehrzahl der iranischen Akademiker ist weiblich. In staatlichen Ämtern indes wird man vergebens nach einer Frau Ausschau halten. 1979 hatten die im Zuge der islamischen Revolution an die Macht Gekommenen nichts Eiligeres zu tun, als die wenigen Frauen daraus schleunigst zu entfernen. So auch Shirin Ebadi, die 1975 als erste weibliche Richterin an das Teheraner Gericht berufen worden und schnell zu dessen Vorsitzenden aufgestiegen war. Sich entschieden für das Recht auch gegen die herrschenden Mullahs und deren Gesetz einzusetzen, hat man der Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 2003 indes nicht austreiben können.
Ebadis Bemühen um eine Reform der iranischen Gesellschaft hat sie zwischenzeitlich nicht nur auf die Liste eines Tötungskommandos der Revolutionsregierung, sondern auch ins Gefängnis gebracht. Trotzdem hat sie den Iran nicht verlassen. Dazu liebt sie ihr Land zu sehr. Und diese Liebe ist es auch, aus der sie die Kraft bezieht, gegen alle Widerstände weiter für ihre Überzeugung zu kämpfen. Frauen wie sie machen Hoffnung, dass der Iran jenseits des nationalistischen Islamismus, der nach den Jahren vorsichtiger Reformen seit der Wahl von Präsident Ahmadinedschad wieder die Oberhand gewonnen zu haben scheint, eine Zukunft hat. Ein leises, kluges, unbedingt lesenswertes Buch. -- Andreas Vierecke
Kurzbeschreibung
Mit nicht einmal 30 Jahre wurde Shirin Ebadi als erste Frau im Iran zur Richterin ernannt und übernahm schließlich den Vorsitz des Teheraner Gerichts. 1979 wurde sie im Zuge der islamischen Revolution ihres Amtes enthoben und zur Sekretärin degradiert.Sie entschloss sich, Anwältin zu werden. Im Jahr 2000 wurde sie aufgrund ihrer Tätigkeit als Verteidigerin vor Gericht angeklagt. Doch weder Einzelhaft noch Berufsverbot konnten Shirin Ebadi von ihrem Kampf für Freiheit und Menschenrechte abhalten. Ihr besonderes Engagement gilt dabei den Rechten von Frauen und Kindern. Ein dramatisches Leben zwischen Verfolgung, Demütigung und Verhaftung und das beeindruckende Zeugnis politischen Muts und Engagements: Das Buch der ersten Richterin des Iran und der ersten muslimischen Friedensnobelpreisträgerin.