21.01.2010

Trigger

Trigger, Flashbacks und ähnliches Übel II

Die Verwobenheit von Träumen, Schlüsselreizen und Nachhallerinnerungen sind ebenso perfide wie faszinierend. Ähnlich wie die Frage von Huhn und Ei kann einen diese Konstellation schon arg beschäftigen. Und immer wieder überraschen oder ratlos dastehen lassen.
Viel stärker als visuelle Reize springen mir akustische ins Genick, ungeschlagen in der Liste aber kommt die olfaktorische Wahrnehmung daher.
Assoziationen und die darauf folgende Kettenreaktion sind so bemerkenswert obwohl ich sie nicht greifen kann, vielmehr gleicht sie einem Verkehrsunfall. Man kann einfach nicht weg sehen obwohl man abgestoßen ist. Diese Reize sind äußerst geschickt darin über einen herzufallen. Man erwartet nichts Böses und in nächster Sekunde steht man mitten in einem Buschfeuer.

Ein denkwürdiges Beispiel dieser Leistung, welches selbst mich in helles Erstaunen versetzt, ist die triviale Öffnung einer 0815-Cornflakes-Packung.

Meine harmlose Vorliebe für "Special K Red Fruit" brachte mir einige wunderliche Sinneseindrücke und anschließendes tagelanges Grübeln ein. Schuld daran, die ewige Schusselei. Der unbeabsichtigte Griff daneben. Nach dem Einkaufen das Ärgernis, hatte ich dummerweise eine Packung "Special K Vanilla Cranberry" angeschleppt. Aber warum nicht probieren? Das Öffnen der Tüte ist wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Der Geruch, der mir aus dem Ding entgegen springt, lässt mich mental und körperlich fast in die Knie gehen. Ich weiß nicht wie mir geschieht, oder vielmehr warum mir geschieht. Die Knie sind weich und schlottern, das Herz ist mir in die Hose gerutscht und baumelt irgendwo in den Kniekehlen. Tunnelblick und Zittern vervollständigen das idiotische Bild. Ein paar Sekunden lang herrscht der Ausnahmezustand und ich weiß nicht ob ich heulen oder kotzen soll.
Obwohl sich für Letzteres die immer noch in den Händen gehaltene Tüte anbietet, passiert nichts dergleichen. Der unruhige Geist zieht es vor sich in den Bus nach Nischni Nowgorod zu setzten, d. h. er lehnt sich zurück, lässt den Körper auf Autopilot schalten und filtert einige Sinneseindrücke so dass sie völlig fremd erscheinen. Dieser Zustand kann ganz angenehm sein, ist es doch gleichzeitig ein Ergeben in die Gelassenheit. Dieses Teilstück des Irrsinns sorgt für die Fähigkeit mit blöden, nervigen oder dummen unlogischen Leuten zu diskutieren ohne dabei auszurasten. Leider hält er nicht sooo lange an, macht sonderbare Familiennachmittage oder steigert sich bis zur Unkenntlichkeit, aus der nur körperliche Missempfindungen oder Schmerzen der Rückweg sind. Bevor dies geschieht, sitzt man aber noch eine Weile im Bus. Warum Nischni Nowgoroder Bus? Weil sich dieser Zustand am ehesten mit einer unangenehmen Tour zwischen vielen fremden Menschen, die eine fremde Sprache sprechen beschreiben lässt. Nicht zu vergessen dass alle Schilder in kyrillischer Schrift verfasst sind.

Nachts fliegen mir Fetzen ungreifbarer Bilder durch den Kopf. Ausschnitte, die in Bruchteilen von Sekunden wie Blitzlichter durch die Sinne rauschen. Sie sind hässlich, sie sind eklig, sie sind zu kurz um daraus einen Sinn zu erfassen. Sie machen Angst, Zweifel und lassen Hass aufsteigen, auf diesen Haufen Scheiße, der sich Leben nennt. Kein Vor, kein Zurück, nur unbequemes Verweilen. Notlösungen, die sich aneinander reihen, kein Ende und keinen Anfang bilden. Mit der Familie im Gepäck schleift man sich durch den Tag, mit der Aussicht dass er bloß einer von vielen ist.

Hab ich erwähnt dass ich Cornflakes hasse?^^ Der Effekt ist verpufft, aber die Verpackung stellt jetzt den Trigger des Triggers da.
Am nächsten Tag stell ich dann auch noch fest dass diese blöden Cranberries viel zu sauer sind. Es ist wie das Spiel mit dem Koffer packen. Die Kette erweitert sich. Auch wenn der Geruch jetzt nicht mehr den gleichen Effekt auslöst, die Verpackung erinnert mich an dieses sonderbares Erlebnis.

Eine existenzielle Frage aber bleibt im Raum: Warum riechen Cornflakes mit Vanillestücken nach Play-Doh-Knete??

20.01.2010

Flashback

 

Flashbacks, Träume und ähnliches Übel

Die Vorstellung dass man Träume bei Youtube hochladen könnte, hätte sicherlich einen ganz besonderen Reiz. Amüsant wär dies allemal und das Herz eines Psychoklempners würde diese Möglichkeit bestimmt auch höher schlagen lassen. Ein Vorteil dabei wäre auch dass man diesen Mist der einen manchmal heimsucht nicht in Worte fassen müsste. Mir ist es jedenfalls noch nicht gelungen manches auch nur annähernd auf die Tastatur, geschweigedenn über die Lippen zu bekommen. Letztere leiden immer noch unter einer dieser Heimsuchungen. Einige dieser nächtlichen Bilder haben mir, außer dem Wunsch nach dem Aufwachen direkt aus dem Fenster zu springen, auch noch wunderprächtige Lippenbläßchen da gelassen.
So manches Mal keimt in mir die Versuchung auf ein paar dieser widerlichen Sachen in den diversen Foren-Threads (nennen wir einen davon "Traumwelt" ;)) niederzuschreiben. Aber erstens könnte ich mich dann dort nicht mehr blicken lassen und zweitens würde das gegen sämtliche Forenregeln verstoßen.

Aussprüche wie "Bin hingegen zur Zeit sehr verwundert, dass meine Träume mal keine Alpträume sind." (Baby, ich hoffe du weißt was ein Alptraum ist) oder "Na ja, also in letzter Zeit hatte Ich eher wieder ganz schlimme Alpträume und obwohl die Träume immer wieder harmlos anfingen, kam Ich am Schluß ums Leben." (Ich wünschte ich würde danach auch mal ums Leben kommen; und dir wünsche einen fähigen Deutschlehrer) "Meisten`s wachte Ich total fertig auf und war schon froh das es nur ein Traum war." (Ja, auch das wär toll^^) lassen mich schon manchmal diese Blockade verfluchen. Andererseits können diese ahnungslosen Schreiberlinge aber auch nichts dafür dass mich Bilder nerven, die in Deutschland auf dem Index stehen.

Dem (mit der deutschen Rechtschreibung nicht ganz konform gehenden) Ausspruch "mich nerven auch immer diese blöden Alpträume und meisten wache Ich von diesen Träume auf." würde ich gerne mal ein "Manchmal wache ich davon auf dass nette kinderliebe Onkels mich nach Strich und Faden durchgevögelt haben. Mich nervt dass ich bei manchen Details davon nicht weiß ob sich das bloß ähnlich oder ganz genauso abgespielt hat" entgegnen. Aber irgendwie hab ich das Gefühl dass man mich nicht so ganz verstehen würde^^

Ja, ich bin unfair und ich gönne ihnen ihre Alpträume, aber mir gefallen die Dampferfahrten auf der Emscher, die Bücherhallen mit den benachbarten Psychiater-Praxen, die Hafenbesuche und die Kneipentouren mit ihren bewohnten Wandschränken einfach viel besser. ;)

To be continued?

19.01.2010

09/99 Andreas 09/08

 9.9.99 - Das Datum das sämtliche Verrückte in die Standesämter treibt, zieht an mir vorbei wie durch Watte. Surreal und unbeachtet. Die Tage wie ein Film, den man nicht umschalten kann, ein Zug der nicht anhält. Die Welt draußen ist unerreichbar, wie das Auftauchen aus einem spannenden Buch, ungeordnet, unbedeutend, wie durch Nebel. Sie dreht sich einfach als wäre alles normal.

Ich sitz mit meinen Dämonen auf deiner Couch und lass die Umgebung auf mich wirken. Meine Eigenproduktions-XXL-Geburtstagskarte steht noch auf dem Regal, die CD die ich dir dazu geschenkt hab ist noch im CD-Player, diese gruselige Musik, die ich nicht wirklich mit dir geteilt habe. Jetzt, neun Jahre später, flenn ich plötzlich los wenn sie irgendwo läuft.

Das Schluchzen deiner Mutter neben mir werde ich nie vergessen, dein Vater ist weiß wie eine Wand und dein Bruder ist ab heute ein Stück Treibholz das kein Ufer mehr findet. - Den Kontakt habe ich mittlerweile ganz abgebrochen, er ist ohne dich und deine Führung unerträglich geworden. - Diese haltlosen Tage haben mich dem Irrsinn wieder ein ganzes Stück näher gebracht. Während du verkabelt vor dich hin vegetierst und die Hirnströme jedem Realisten sagen dass es sowieso vorbei ist, spielen sich Sachen ab von denen ich froh bin dass du sie nicht sehen musst. Meine Verachtung für die Menschen, einige im Speziellen, hat hier viel Nahrung gefunden.

Froh irgendeine Ablenkung zu finden, mache ich mich mit deinem Bruder daran die Fahrzeugpapiere und Schlüssel deiner Kunden zu ordnen, die Aussicht auf die Anrufe deswegen dreht mir den Magen um. Dein Vater versinkt in Spekulationen und Theorien, die keinem etwas nützen. Er fragt mich immer und immer wieder nach allen Details zur Umgebung und ich verfluche dass ich hier die einzige bin die den Ort kennt. Sie verstricken sich in den Wirren, die nur Verzweifelte kennen. Geschürt von dem Arschloch, das sich profiliert und den besten Freund raushängen lässt, verrennen sie sich in Überlegungen, die nur dazu dienen nicht wahnsinnig zu werden. Es empört mich dass sie sich an diesen Wichser hängen, von dem sie eigentlich wissen dass du ihn schon so lange verachtest. Deine Vorgeschichte zählt plötzlich kaum und die Spekulationen lassen mich bloß den Kopf schütteln. Die Obduktion ist Makulatur.

Immer wieder glaube ich wahnsinnig zu werden, manchmal hoffe ich es. Mir fallen 1000 Dinge ein und ich wünsche mir du hättest an dem Abend, an dem uns die Dumpfbacke bei der Vollgasaktion im Lancia die Vorfahrt nahm, nicht gebremst. Ich wundere mich über mich selbst, kann mich nicht erinnern je im Leben soviel geheult zu haben.

Die Erde dreht und dreht sich und ich habe das Verlangen sämtliche Leute, die in ihr ihren gewohnten Dingen nachgehen, an den Schultern zu packen und sie kräftig durchzuschütteln. Ich möchte schreien und Ihnen deutlich machen dass die Welt wieder ein Stück an Ordnung verloren hat. Letzte Woche sah sie noch so verheißungsvoll aus. Meine Familie war fast mit mir im Einklang, du hast sie unbedeutend aussehen lassen. Warst du da war sie eingeschüchtert.
Ich weiß dass sie irgendwann über mich hergefallen wäre, aber du hättest sie sicherlich zurecht gewiesen. Ich neige zur Idealisierung, na und? Du hast sie dir verdient.

Es ist das Wetter das mir als erstes in alle Sinne kommt: Die drückende Schwüle zerrt zusammen mit dem Schlafmangel und den kreisenden Gedanken an der Substanz. Verzweiflung und Trauer, Hoffnung und Zuversicht sitzen auf einer Wippe die an meinem Rücken gebunden ist. Der Weg zum Krankenhaus in BO ist unendlich lang, im Auto ist es total warm, der Fahrtwind aber fühlt sich bei ausgestrecktem Arm kühl an. Ich bin zu warm angezogen. Im CD-Player läuft deine Musik. Plötzlich mag ich sie. Ich befinde mich in einer Blase, die mich vom Rest der funktionierenden Welt abgrenzt. Versuche immer wieder den Fuß aus diesem Karusell zu stellen, aber es zieht mich immer wieder mit. Nur die Gewissheit dass dieser Ausnahmezustand irgendwann nachlässt, hält mich bei Verstand. Ungeduldig wünsch ich mir einen Zeitraffer, der alles hinter mir lässt.
Jeder so warme Septembertag hat seit dem seine Wirkung gehabt, die Wärme ist eine andere als im Juli oder August, die Luft riecht anders, fühlt sich anders an. Mir wurde das in dieser einen Woche so bewusst, seitdem assoziiere ich es mit ihr. Mit dir. Mit der Vergänglichkeit. Ich kann mir nicht erklären warum es dieses Jahr so besonders allgegenwärtig ist. Wenn ich im warmen Wind die Augen schließe, bringt er sämtliche Empfindungen zurück.

Das Foto von Geralds Narbe hat mich wie ein Keulenschlag getroffen, bis auf die Zweite an deiner Schläfe sah sie fast genauso aus. Der gleiche Winkel, die gleiche Stelle. Die gleiche Haarfarbe. Du bist immer noch präsent. Ich wette du würdest dir darauf was einbilden.
Bei der ersten mail von Sabine über das was jetzt bei ihnen passiert ist, seh ich dich an den ganzen Apparaten liegen und hoffe von ganzem Herzen dass die Sache anders ausgeht.
Dein Gesicht sieht nicht friedlich aus, nicht entspannt. Als deine Hirnströme sich endgültig verabschieden, habe ich schon längst keinen anderen Ausgang mehr erwartet. Aber diese Endgültigkeit haut mich trotzdem regelrecht aus den Socken. Aber es ist vorbei. Dieser unerträgliche Schwebezustand, der doch bloß zwischen Tod und Dahinsiechen entschieden hat, ist beendet. Gedankenstrudel wirbeln stundenlang durch alle Köpfe. Hätte man das verhindern können? Warst du zu leichtfertig? Hast du Kontrollen versäumt? Für einen Augenblick lass ich mich mitreißen und verfalle in die "was-wäre-gewesen-wenn"-Unart, die Menschen nach besonderen Ereignissen heimsucht, wo Sekunden über Schicksale entscheiden.
Doch im Gegensatz zum Rest aller Betroffenen, die noch wochenlang alles hin und her schieben, ja sogar unfassbare Beschuldigungen aussprechen, ist mir schnell klar:
Es ist wie es ist, friss es oder verrecke...

16.01.2010

Arbeitstag

 

Durchschnittlicher Arbeitstag um 2006

Träge schleicht der Tag unter meine Decke, die Wut ist schon auf. Ist sie überhaupt schlafen gegangen? Mir bleibt noch Zeit, zwei Stunden bis zum Aufstehen. Einer der Bewohner in meinem Kopf hat den Rotationsmechanismus eingeschaltet, der anfängt mit verirrten Gedanken um sich zu schmeißen. Während ich vergeblich versuche wieder einzuschlafen schleudert er mir ein Bild nach dem anderen vor mein geistiges Auge. Scheiße, ich möchte schlafen. Doch das Fließband des Irrsinns befördert scheppernd seine ungeliebte Ware hin und her. Natürlich hat es dabei die halbe Familie geweckt und den Schlaf in die Flucht geschlagen. Wenn ich dem Wirrwar jetzt nicht nachgebe, zerrt es den ganzen Tag keifend an seiner Leine. Ich ergebe mich und überlasse mich der Bilderflut, die die Trauer, die Angst und den Selbsthass aus ihren Betten zerrt. So fängt der Tag gut an. Die Wut schnappt sich eine Nichtigkeit nach der anderen vom Band und hält sie mir gehässig unter die Nase. Jetzt bloß nicht nachgeben. Einige Gedanken abschüttelnd schlurfe ich ins Bad. Bloß nicht in den Spiegel sehen, dafür ist es noch zu früh. Hand in Hand mit dem Charakter und dem heißen Tee scheucht der Fernseher ein paar von den mürrischen Mitbewohnern zurück in ihre Hirnstube. Zeit sich auf den Weg zu machen. Ein erster Blick auf die Autobahn schubst die Zuversicht auf den Beifahrersitz. Vielleicht wird das ja heut noch was. Grinsend hüpfen Euphorie und Gleichgültigkeit ins Auto. Zusammen mit der Zuversicht sitzen sie einträchtig auf den Sitz gequetscht. Die anderen sind mit dem Bus gefahren oder Zuhause geblieben, hoffentlich. An der Kreuzung nimmt mir ein Knalldepp die Vorfahrt, aber er hat Glück, Wut und Empörung sitzen mit Aggressivität mürrisch im Bus.

Der Arbeitstag beginnt schleppend, noch keiner außer mir ist da. Nach der morgendlichen E-Mail-Abfrage, der ersten Foren-Runde und Musikwahl kommen, bei seichter Arbeit, so nach und nach die Nervensägen aus dem Bus gestiegen. Gerade noch seh ich sie unten im Aufzug verschwinden. Gleich werden sie oben sein. Die Aggressivität kommt als erstes durch die Tür und springt mir geradewegs auf den Schoß. Die Wut hat sich aufs zweite Bein gesetzt und grinst mich hinterlistig an. Die gerade noch mühelose Arbeit mutiert zu einem unübersichtlichen Knäuel. Nach 10 Minuten türmen sich undurchsichtige Nebelschichten vor mir auf. Wie soll ich das nur heute fertig kriegen? Die OHL* betritt das Etablissement und saugt alle positiven Strömungen in sich auf. Die Aggressivität macht sich ganz schwer auf meinem Bein, ich versuche ihr beruhigend den Kopf zu tätscheln, für einen Augenblick entspannt sie sich. Die Wut lässt gelangweilt die Beine baumeln. Aber ich kenne sie, sie ist unberechenbar. Zum Glück kommt K. gerade rein. Die Wut fällt erschrocken unter den Tisch. Nach einer kurzen Plauderei mit K. hat die Aggressivität sich zur Wut neben den Papierkorb verzogen, ich versuche erfolglos nach ihnen zu treten.

Schon bald macht die Hektik sich überall breit. Die Zeichnung muss schneller fertig werden, die OHL nimmt mal wieder Rücksicht auf Banker die in Urlaub fahren. Wo wir bleiben ist ihm egal. Überschlagen wir uns halt. Ich mache mich selbst verrückt, kein Überblick mehr da. Die Telefone klingeln penetrant, die Drucker rattern, der Verkehr lärmt durchs Fenster. Die Reizüberflutung eilt herbei. Alle gehen forsch aber immer noch gelassen ihrer Arbeit nach, bloß ich Idiot mach mich zum Affen und stehe unter Strom. Ich verdoppele die Geschwindigkeit, mach einiges nebenbei. Die Tür fliegt auf, die OHL stürmt herein, mein "Morgen" ignorierend reißt er die zweite Tür auf und setzt zum Nörgelmonolog an. Die Aggressivität hat sich mit einem Satz auf meiner Schulter niedergelassen, die Wut klettert gerade an mir hoch, mit der Empörung am Kragen. B. (die OHL) bellt K. unsinnige Befehle zu, dabei streckt mir die Unlogik, die an seinem Rücken baumelt, den Stinkefinger ins Gesicht. Die Wut verstopft mir gemein das linke Ohr, der Ton ist weg. Ungehalten diskutierend schieben sich die beiden Streithähne in meinen Raum. Gleich muss ich mich zusammenreißen um den beiden Nervensägen, die auf meinen Schultern sitzen, die Stirn zu bieten. Ich habe es nie nur mit dem eigentlichen Gegner zu tun. Nein, ich habe noch meine Rasselbande am Hals. Der Monolog von B. lässt mich befürchten den Verstand zu verlieren. Die Wut sticht mir 1000 Nadeln ins Gebein. Die Aggressivität lasse ich gerade soweit hervorlugen dass B. sie bemerkt. Der Zynismus baut sich vor mir auf. Aber ich darf ja nicht. Gepeinigt von den unerhörten Worten ringe ich nach Vernunft und Logik, wie so oft muss ich ins Leere greifen. Die Aggressivität ist dabei mir den Hals abzuschnüren während die Empörung auf die Größe eines Einfamilienhauses angewachsen ist. Dies ruft den Selbsthass auf den Plan, er rammt mir sein kaltes Messer in die Brust. Nachdem B. sich mit meiner Antwort nicht sonderlich aufgehalten hat, geht er wieder dazu über K. mit seinen Gehässigkeiten zu überschütten, der keift zurück. Ich weiß nicht ob ich heulen oder kotzen soll. Die Verzweiflung tanzt mit der Angst einen Walzer und während die beiden sich schwungvoll um ihre Achse drehen, kämpfe ich mit der Wut meinen Kampf, sie klammert sich rücksichtslos an mir fest und schleudert mir ironische Gemeinheiten ins Gesicht. Das macht sie immer wenn sie weiß dass kein Ventil für ihren Abgang in der Nähe ist. Ich halte mir die Ohren zu. Immer wenn ich mich fast mit der Aggressivität verbünde, hält mir die Vorsicht die Logik samt sämtlichen Kontoständen vors Gesicht. Die Impulsivität wird abgewürgt.
Ich habe das Gefühl ein auf Maximum gespanntes Einmachglasgummi zu sein. Ich sitze in der Falle, die Hilflosigkeit lächelt süffisant. Die Situation kennt nur einen Ausweg, die noch zusätzlich künstlich durch B. erschaffene Wut mitsamt dem Hass wie immer herunterzuschlucken und auf den großen Haufen zu kehren, der sowieso schon in der dunklen Ecke vor sich hin stinkt.

Die Hälfte der Familienmitglieder der Familie Dämon, alle mit Zweitnamen Negativ, strömen auf mich ein. Ich sehe K. vor mir und das was er alles für mich getan hat. Und kann nichts tun, außer ihm die Verzweiflung herüber zu schicken nach dem sie mit mir fertig ist.
Nach der unerfreulichen, aber nicht unüblichen Arbeitsunterbrechung grinst mich immer noch die Zeichnung auf meinem PC an. Ich setze die Arbeit fort und alle Quälgeister tanzen Paso Doble auf meinem Rücken. Die Konzentration hat sowieso längst Pause gemacht.
Also erstmal Mittagspause. Die sorgt dafür dass aus dem Paso Doble ein langsamer Walzer wird.
Wieder zurück am PC stürzen B.'s Gemeinheiten der letzten 5 Jahre auf mich herab. Die Wut sitzt neben mir auf dem Schreibtisch und kaut auf einer mitgebrachten Stulle. Natürlich lässt sie es sich nicht nehmen mich gedanklich von B. zu sämtlichen Arschlöchern ihrer Zeit zu schleifen, was überhaupt nicht sachdienlich ist. Während die Hektik wieder zur Hochform aufläuft kommt eine ganz besondere Freundin auf mich zu gewackelt. Die absolute Leere. Ich könnte sie sympathisch finden, doch hat sie die schlechte Angewohnheit zur unpassendsten Zeit aufzutauchen. Bang, es ist wie ein Kopfschuss. Ich sitze am PC und alles ist weg. Meine Festplatte ist abgeschmiert. Hilflos zuckelt der Mauszeiger auf der Zeichnung herum. Ich hab das Gefühl mir brennt der Hut. Gerade wusste ich noch ziemlich genau was ich da tat. Jetzt bräuchte ich einen Schnellkurs in CAD. Verflixt, gerade jetzt. Die Wut kichert und spuckt dabei Brotkrümmel auf meinen Schreibtisch. Nach einer Runde durchs Büro glückt der erneute Versuch. Bis ich die Zeichnung fertig habe linst die absolute Leere noch ein paar Mal durch die Tür. Nach dem Ausdrucken der Pläne mache ich schleunigst dass ich das Weite suche.
Zu allem Überfluss quetschen sich alle Peiniger mit in mein Auto, nur die Euphorie haben sie in der Tiefgarage stehen lassen. Der Rückweg ist mein Mikrokosmos, er gehört allein mir und meinen Dämonen. Als ich jedoch das Stauende vor mir auftauchen sehe, gesellt sich auch noch die Panik hinzu. Für die ist im Auto auf einmal noch Platz. Mist. Ich verfluche die Welt und versuche nicht aus dem Auto zu rennen, das macht nämlich wenig Sinn. Irgendwie komme ich jedoch nach Hause, ohne zusammenzubrechen oder Krisengespräche per Handy zu führen.

Zu Hause ergeben sich dann ganz andere Kapitel, aber die unterliegen immer noch der Schreibblockade. Alles in allem seinerzeit ein Durchschnittstag.

* OHL = Oberste Heeresleitung ;)

Schwere Träume

Das war mir eine schwere Nacht,
Das war ein Traum von langer Dauer;
Welch weiten Weg hab ich gemacht
Durch alle Schrecken, alle Schauer! 


Der Traum, er führt' mich an der Hand,
Wie den Äneas die Sibylle,
Durch ein avernisch dunkles Land,
Durch aller Schreckgestalten Fülle.

Was hilft es, daß die Glocke rief
Und mich geweckt zum goldnen Tage,
Wenn ich im Innern heimlich tief
Solch eine Hölle in mir trage?


Ludwig Uhland